Das feministische Traditionsmagazin beweist einmal mehr, dass es sein Zepter längst an bessere Magazine hätte abgeben sollen. Die neuste Ausgabe quillt über vor Hetze und Falschinformationen. Ein Rant.
Die EMMA hat ein Problem, eigentlich mehrere (siehe Islamfeindlichkeit und Co.), aber der Zeit willen bleibe ich erst mal bei einem: Die EMMA hat eine Obsession mit trans* Menschen. Sie kann es einfach nicht lassen, Artikel nach Artikel über uns zu schreiben. Über unsere Körper, unsere Sexualität und unser Verhältnis zu cis Frauen. Diese Obsession hält schon länger an, aber die neueste Ausgabe setzt ihr das Sahnehäubchen auf: In der Mai/Juni-Edition erscheint eine fast zehnseitige Rubrik namens Transsexualität & Rollenbruch. Dieser Titel setzt den Ton für die Texte, denn er zeigt wie wenig die EMMA in Kontakt mit trans* Menschen ist und sie als handlungsmächtige Menschen anerkennt: gar nicht. Anzudeuten, dass Trans*Geschlechtlichkeit mit enttäuschten Geschlechtererwartungen zusammenhängt, ist eine haltlose Unterstellung und um ehrlich zu sein eine Frechheit. Trans* Menschen wissen am besten, dass Geschlecht nicht auf Verhaltensweisen und Körperteile reduziert werden kann. Sie brauchen keine Nachhilfe von cis Menschen, wie man* sein Geschlecht subversiv leben kann.
Foto: SpecialistPlastic, Reddit
Das Meme trifft leider auf die Autorinnen der Rubrik Transsexualität & Rollenbruch zu.
Die Namen der vier Artikel in der Rubrik treten nach und sind noch hetzerischer als der Schwerpunkttitel:
- Im falschen Körper? Zwischen Dystrophie und Rollen-Protest1
- Erfolgreich verhindert! England stoppt Gesetz für ‚Selbstdefinition'
- Den Trans-Train stoppen! SchwedInnen protestieren gegen leichtfertige Diagnosen
- Ein Stern stürzt ab. Die Feministin Marguerite Stern wird demontiert.
Die Titel lassen den Eindruck erwecken, dass sich die EMMA in einem heiligen Krieg gegen trans* Menschen befindet. Es entsteht ein Bild von der heldenhaften Standhaftigkeit einer Unterzahl von FeministInnen. Diese Darstellung ist perfide, da trans* Menschen nur ein bis zwei Prozent der Bevölkerung darstellen und Trans*Feindlichkeit in den letzten Jahren stetig wächst.
Ich werde die ersten beiden Artikel analysieren. Jedoch kann ich nur auf die ersten paar Absätze zugreifen, da diese frei zugänglich sind. Kaufen werde ich mir so ein vor Gewalt triefendes Heft nicht. Es findet sich schon so genug Abartiges.
EMMA erfindet Dystopien, um sich empören zu können
1Hinweis der Redaktion vom 9. Mai: EMMA bleibt mutig und ändert klammheimlich die Überschrift. Online wurde der betreffende Artikel ohne Hinweis unter der leicht veränderten Überschrift Zwischen Dysphorie & Rollenbruch veröffentlicht. In der gedruckten Ausgabe und dem E-Paper heißt es nach wie vor Dystrophie. EMMA bleibt mutig, sowas merkt Leserin doch nicht. Unsere Autor*in schon.
Im falschen Körper? Zwischen Dystrophie und Rollen-Protest ist ein ekelhafter Titel. Warum? Dystrophie ist ein medizinisches Fachwort und bedeutet durch Mangelernährung den ganzen Organismus erkranken zu lassen. Dieses Wort für trans* Menschen zu gebrauchen ist widerlich. Unsere Körper sind nicht krank! Und falsch schon gar nicht. Die ganze Mär mit dem im falschen Körper sein, ist eine Redewendung, die uns cis Menschen aufgezwungen haben. Trans* Menschen sind nicht im falschen Körper geboren, sondern die Gesellschaft weist ihnen ein falsches Geschlecht zu. So rum und nicht anders. Bestimmte Körperteile können einem natürlich Unbehagen (Fachwort Dysphorie) bereiten, auch sehr großes, aber dadurch ist kein Körper ‚falsch'.
Bitte merken: Nutzt diesen Ausdruck nur, wenn die betreffende Person diese Redewendung für ihr geschlechtliches Erleben benutzt. Sonst nie! Es ist übergriffig und verletzend, seinen Körper so beschrieben zu sehen.
Der Aufhänger des Artikels ist die fiktive Geschichte eines trans* Jugendlichen, der seinen Namen beim Standesamt ändern lässt und nun Anspruch auf geschlechtsaffirmative Operationen hat. Diese Welt soll nach der EMMA mit einem Gesetzentwurf der Grünen oder der FDP Realität werden können. Für die Autorin des Artikels, Chantal Louis, klingt so eine Welt „aberwitzig". Für mich auch, denn sie missdeutet (willentlich?) die Gesetzentwürfe. In beiden wird verlangt, dass ein Kind ab dem 14. Lebensjahr den Geschlechtseintrag und Vornamen beim Standesamt ändern lassen dürfen sollte. In den Entwürfen wurde jedoch nicht gefordert, dass Minderjährige medizinische Entscheidungen selbstständig treffen können. Abgesehen von der Fehldarstellung der Gesetzesinitiativen ist es Praxis bei Minderjährigen (wenn gewollt) ausschließlich Puberty Blockers, also hormonunterdrückende Medikamente, die die Pubertät verschieben, anzuwenden. Die Wirkung ist reversibel und gibt trans* Kindern Bedenkzeit für eventuelle, dann bleibende medizinische Schritte. Mögliche Operationen werden erst im Erwachsenenalter durchgeführt, doch sollte die EMMA bedenken, dass längst nicht alle trans* und nicht-binäre Menschen eine medizinische Transition in Anspruch nehmen wollen. Die Autorin ist sich entweder der gängigen Behandlungspraxis nicht bewusst oder sie will Leser*innen desinformieren. Ich frage mich: Warum schreibt sie einen Artikel über ein Thema, über das sie nichts weiß? Oder auch: Warum darf sie Artikel schreiben, die Menschen mit Falschinformationen füttern und agitieren?
Übrigens Frau Louis: Trans* Menschen werden beim Standesamt nicht von ‚Laura zu Leon' (ganz schlimme Formulierung!). Sie sind mit oder ohne staatliche Anerkennung und Schutz schon trans*. Selbstbestimmungsgesetze aka Entwürfe von den Grünen, Linken und FDP können trans* und/oder nicht-binäre Menschen nicht ins Leben rufen, sondern uns nur schützen. Es tut mir leid, Sie darüber informieren zu müssen, dass trans* Menschen nicht ausgelöscht werden können. An diesem Projekt sind Nazis schon gescheitert. Stichwort: Sexualinstitut von Magnus Hirschfeld.
Journalistische Standards müssen in der EMMA der Hetze weichen
Der nächste Artikelteil, den ich besprechen werde, stammt Erfolgreich verhindert! England stoppt Gesetz für 'Selbstdefinition'. Mir fällt sofort auf, dass die EMMA als ein feministisches Magazin ein eigenartiges, ich möchte sagen patriarchal-autoritäres Verständnis zur körperlichen Autonomie von trans* Menschen besitzt. My Body – my Choice gilt für die Emma anscheinend nur beim Abtreibungsrecht von Menschen, die schwanger werden können. Alte Argumentationsmuster von konservativen und rechten Menschen gegen das Abtreibungsrecht werden in der EMMA für trans* Menschen und ihre Körper wieder aufgewärmt.
Im Artikel wird das britische Urteil vom letzten Jahr offen gefeiert, die die Behandlung von trans* Jugendlichen mit Puberty Blockers strafbar macht. Keira Bell war die Antragstellerin der Klage, denn sie bereut ihre Transition. Mir unverständlich ist ihre Wut über ihren Zugang zu trans*spezifischen Behandlungen. Die Puberty Blockers, die sie als Minderjährige eingenommen hat, hinterlassen keine bleibenden körperlichen Veränderungen. Der Grund, den Zugang nun anderen trans* Jugendlichen zu erschweren, ist mir schleierhaft. Die Brustabnahme, die sie mit 18 machen ließ, lässt sich nur in Ausnahmefällen korrigieren. Doch war sie ein erwachsener Mensch, der somit Verantwortung für seine Handlungen übernehmen muss. Niemand kann (und sollte!) einer Person solch eine weitreichende Entscheidung abnehmen. Wenn ich wieder den Vergleich zu schwangeren Personen ziehen darf: Der Entschluss zu einer Abtreibung oder dem Austragen eines Kindes sind in meinen Augen viel schwerwiegendere Entscheidungen als eine Brustabnahme. Sie zu bereuen ist verständlicherweise schwer ertragbar, doch kein Grund, andere Personen in ihrem Entscheidungsrecht- und Pflicht einzuschränken. Ich glaube, dass die EMMA mir in diesem Punkt zustimmen würde. Doch die EMMA misst hier mit zweierlei Maß, wenn sie das britische Gerichtsurteil unterstützt.
Bevor ich diesen Artikel schließen werde, möchte ich auf eine weitere Falschinformation hinweisen: Im Artikel wird das Gericht zitiert, dass Puberty Blockers ein medizinisches Experiment seien. Das ist unkorrekt, da das Medikament seit den 1980ern in Verwendung ist und seine Wirkung und Sicherheit gut erforscht ist. Noch abstruser an dieser Argumentation ist, dass die meisten Kinder, die dieses Medikament einnehmen, gar nicht trans* sind. Das Medikament wird hauptsächlich für Kinder verwendet, wenn ihre Pubertät zu früh eintritt und dadurch eine medizinische Gefahr zu erwarten ist. Das heißt, dass nicht grundsätzlich dieses ‚gefährliche' Medikament verboten wird, sondern nur für Minderjährige, die medizinisch transitionieren wollen.
EMMA-Autorinnen: Bitte lasst uns in Ruhe! Hört auf eure Probleme auf uns zu projizieren. Es ist unangenehm und ihr bringt uns in Gefahr. Sucht euch weniger gewaltvolle Hobbys. Ihr tretet auf Menschen, die schon am Boden liegen. Trans*feindlichkeit steigt überall auf der Welt. Wenn euch das bisher entgangen ist, könnt ihr euch HIER informieren.
*Victoria Forkel
P.S.: Trans-Train ist die ekligste Wortneuschöpfung, die ich seit langem gehört habe. Mir fehlen die Worte. Wir sind verdammt noch mal Menschen.