Die AfD bleibt in Umfragen auch nach dem Rückgang der Nachrichten über Geflüchtete weiter stabil bei rund 7 bis 10 Prozent der Wählerstimmen. Sie gilt auch für viele Lesben und Schwule als Alternative, die Sorgen und Ängste vor Homophobie ernst nähme und einen konservativen Anker in der sich wandelnden Gesellschaft repräsentiere. Aber was will die Partei eigentlich wirklich? Was sagt das Programm, was sagen die einzelnen Abgeordneten in spe zum Thema? Eine Bestandsaufnahme.
Foto: Chracker Heller / CC0
Gewaltbekämpfung?
Auch wenn es nach wie vor keine flächendeckende Statistik über homophobe und transphobe Gewalt gibt, mehren sich die Anzeichen, dass durch eine Polarisierung der Gesellschaft (mit steigender Akzeptanz und Sichtbarkeit steigt auch die Ablehnung und das Aufbegehren dagegen) sowie Gettoisierung in Großstädten, aber auch durch „normale“ Beschaffungskriminalität in Ausgehvierteln die Sicherheitslage für queere Menschen gesunken ist.
In den Wahlprüfsteinen des LSVD zur Bundestagswahl reagiert die AfD hier ähnlich wie Grüne und DIE LINKE und ist dafür, „Hass auf Homosexuelle“ statistisch zu erfassen – die SPD, und CDU/CSU hingegen wollte eine diesbezügliche Anpassung in der Hasskriminalität nicht. Jedoch lehnt die AfD das Wort „Homophobie“ und „andere Entgleisungen sogenannter politischer Korrektheit“ ab.
Konkrete Maßnahmen oder auch nur das Thema Gewalt gegen Homosexuelle sind im offiziellen Wahlprogramm der AfD dann auch nicht zu finden.
Ursachenbekämpfung durch Bildung?
In der Ursachenbekämpfung, zum Beispiel durch Bildung, wird die umfassende Aufklärung über sexuelle Vielfalt an Schulen von der AfD als „staatlich gefördertes Umerziehungsprogramm in Kindergärten und Schulen“ diffamiert, das zum Ziel hätte, „das bewährte, traditionelle Familienbild zu beseitigen. Unsere Kinder dürfen nicht zum Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit werden.“
Verständnis für „Verachtung durch Muslime"?
Die Berliner Spitzenkandidatin und Europaabgeordnete Beatrix von Storch verdeutlichte diesen Widerstand der AfD gegen Aufklärung und Hilfestellung für queere Jugendliche in einer Wahlkampfrede und kommentierte den Coming-out-Workshop auf dem Evangelischen Kirchentag wie folgt: „Wir dürfen uns bitte nicht wundern, wenn diese Muslime, die zu uns kommen, die klar an ihrem Glauben hängen, die stolz auf ihre Kultur sind – das sei ihnen unbenommen – unsere verachten, weil wir sie offensichtlich selber verachten, wenn wir eine evangelische Kirche haben, die solche Seminare auf ihrem Kirchentag anbietet. Dann müssen wir uns nicht wundern, wenn wir irgendwann nicht mehr sind.“
Frau von Storch sieht es als Verachtung unserer Kultur, wenn wir jungen Menschen beim Coming-out hilfreich zur Seite stehen.
Foto: Steven P. Carnarius
Osh-Ree
Die fiktive Partei „Travestie für Deutschland (TfD)“ engagiert sich gelungen und farbenfroh mit Kunst und Satire gegen rechte Politik. Das Foto der stimmgewaltigen und kochbegabten Israelin Osh-Ree schoss Steven P. Carnarius. www.travestie-fuer-deutschland.org
Homophobie gibt es nicht?
Die Landtagsfraktion der AfD in Brandenburg will sogar die Kooperation mit dem eingetragenen Verein Koordinierungsstelle beenden und diesen „bis Ende 2018 auflösen“. Außerdem fordert sie auf, „alle damit in Verbindung stehenden Vereine, Gruppen und Aktivitäten nicht weiter finanziell zu unterstützen.“ Der Staat habe „alle tatsächlichen oder vermeintlichen Benachteiligungen und strafrechtlichen Sanktionen gegen diese Gruppen abgeschafft.“ Durch weitere Unterstützung käme es zu einer „Privilegierung dieser Gruppen“ und „tendenziellen Benachteiligung“ heterosexueller Mehrheiten.
Im Landtagswahlkampf von Schleswig-Holstein antwortete die AfD auf die Frage nach der Finanzierung des Aktionsplans gegen Homophobie: „Der Aktionsplan sollte in Zukunft durch die angeschlossenen Gruppen selbst finanziert werden. Homophobie gibt es nicht. Er ist ein entwertendes Totschlagargument, das wissenschaftlich klingt. Damit sollen Kritiker für psychisch krank erklärt werden.“
Fazit
Die AfD meint, es gäbe keine Homophobie und will deswegen die Finanzierung von Aufklärungs- und Selbsthilfeprojekten stoppen. Sie sieht in den Bildungsplänen an Schulen Frühsexualisierung und Indoktrination. Familienpolitik soll sich ausschließlich am traditionellen Bild Vater, Mutter und Kinder orientieren. Nicht gut für Queers, nicht gut für Deutschland.