Foto: S. Schofield
Kylie Minogue
Sie sitzt in rosa Rüschenbluse und gestreifter Clochard-Hose in der Suite eines Luxus-Hotels und ist bester Laune. Ende Mai wird die australische Sängerin und Schauspielerin fünfzig Jahre alt. Noch vor ihrem Ehrentag veröffentlicht die 1,52 Meter große Künstlerin ihr neues Album „Golden“, mit dem sie jeglichen Frust einfach wegtanzt. Im Interview erzählt sie von ihrem Besuch in Nashville, ihrem Mittel gegen Liebeskummer und abenteuerlichen Fluchtplänen.
Dreißig Jahre sind seit deinem Debütalbum vergangen. Ist es überhaupt noch aufregend für dich, eine neue Platte zu veröffentlichen? Und wie! Ich habe fast einen Herzinfarkt bekommen, als ein britischer Radiosender das erste Mal die Single „Dancing“ gespielt hat. Ich konnte mich gar nicht beruhigen! Und das Feedback war so großartig, dass es mich fast zum Weinen gebracht hätte. Daran gewöhnt man sich nie! Aber es ist auch eine sehr besondere Platte für mich.
Inwiefern? Wir haben uns am Anfang sehr viel Zeit genommen, um nach der Richtung für den Sound zu suchen. Schließlich landeten wir in Nashville bei Countrymusic, was erheblichen Einfluss auf die Songs nahm. Wenn du an diesem magischen Ort bist, mit so vielen musikhistorischen Stätten, gibt dir das eine erfrischend andere Perspektive auf das Handwerk des Songwriting. In allen Cafés und Klubs triffst du auf junge Liedermacher, die von ihrer Musik erzählen, und das Publikum hört aufmerksam zu. Die Zeit dort war unglaublich inspirierend für mich.
Der Song „Live a Little“ erweckt allerdings den Eindruck, dass du insgeheim den Wunsch hegst, alles stehen und liegen zu lassen und dem Musikbusiness den Rücken zu kehren. Ja, manchmal ist das so, aber ich werde sofort zum Schweigen gebracht, wenn ich so etwas ausspreche.
Von wem? Von meinem Team, von meinen Freunden ... Wenn ich sage: „Nie wieder!“, dann sagen sie nur: „Sei still, du weißt selber, dass du weitermachen willst!“ Aber es ist gut, wenn ich es mir hin und wieder selbst laut sage, dass ich aufhöre, nur damit ich weiß, dass es auch andere Optionen im Leben für mich gibt. So nach dem Motto: Ich muss das hier nicht machen, ich kann auch die Flucht ergreifen! (lacht) Das nimmt mir viel von dem Druck, den ich mir selbst mache. Und es erinnert mich daran, mir mal eine Pause zu gönnen. Auch wenn ich nicht gut in Pausen bin.
Was würdest du dann tun? Mit dem Rucksack um die Welt reisen? Ich bin ja nicht immer das Glamour-Girl. Ein Teil von mir liebt das sehr bodenständige Leben und die Natur!
Da ist jede Menge Herzschmerz in den neuen Songs. Musstest du dir nach der Trennung von deinem Verlobten Joshua Sasse den Liebeskummer von der Seele schreiben? Ach, die Songs handeln generell über mein Leben mit der Liebe, nicht explizit über die letzte Liebe. Ich habe viel Mist in Liebesdingen erlebt. 2016 war kein gutes Jahr für mich. Es ist schlimm, wenn du dich selbst verlierst, wenn du dich alleine und hilflos fühlst und nicht mehr weißt, was Liebe eigentlich bedeutet. Ich will nicht übertreiben, aber es war schon recht traumatisch nach der letzten Trennung. Die Arbeit im Studio war da wie Therapie.
So schlimm? Jetzt nicht mehr! Aber am Anfang kamen nur weinerliche Lieder dabei raus. Zum Glück waren die nicht gut, sodass wir sie verwarfen, denn sonst wäre ich jetzt wieder und wieder mit dem Kummer konfrontiert. Erst als das Stück „A Lifetime to Repair“ entstand, konnte ich diese schlimme Phase langsam hinter mir lassen. Ich hatte dann schon genug Distanz, um das Ganze realistisch zu betrachten – und auch mit ein bisschen Humor.
Wie gehst du mit Liebeskummer um? Da fragst du eine Expertin! (lacht) Es gibt ja verschiedene Arten von Herzschmerz: Es gibt den Herzschmerz, wo du denkst, den einzig Wahren verloren zu haben, über den du nie hinwegkommen wirst. Das hat es in meinem Leben auch gegeben. Aber so war es nicht bei meiner letzten Trennung. Danach fühlte ich mich als Mensch gebrochen, das ist etwas anderes als Liebeskummer. Es ging also diesmal darum, mich selbst wieder aufzubauen. Und es war großartig, das im Studio tun zu können. Gerade wenn du an einem Song wie „Dancing“ arbeitest, der davon handelt rauszugehen und zu tanzen, bringt dich das fast automatisch an einen emotional besseren Platz.
Am 28. Mai wirst du fünfzig Jahre alt. Was wünschst du dir? Eigentlich jedes Jahr dasselbe: Peace, Love & Happiness! Meine Probleme sind im Vergleich zu denen anderer Menschen recht klein, denn ich bin gut drauf momentan. Insofern wünsche ich den Menschen Glück, die gerade nicht so eine gute Zeit haben.
Macht dir die Zahl fünfzig Angst? Ich habe keine Angst, ich bin einfach nur realistisch, wo ich im Leben stehe. Im Titel-Song der Platte gibt es die Zeile: „Wir sind nicht jung, wir sind nicht alt. Wir sind ‚golden‘!“ Monatelang spukte das in meinem Kopf herum, denn genau so fühlt es sich mit fünfzig für mich an: Ich bin irgendwo dazwischen. Was ich aber mit Bestimmtheit sagen kann, ist: Ich fühle mich heute definitiv besser als noch vor einigen Jahren – viel positiver und entspannter mit mir selbst.
Madonna wird ihr Alter ja immer wieder zum Vorwurf gemacht. Da wird dann gern gesagt, ihre Auftritte schicken sich nicht für eine Frau Ende fünfzig. Wenn es eine Frage des Geschmacks ist, bitteschön. Aber jeder hat einen anderen, oder? Die Fixierung auf das Alter ist nervig, und es ist langweilig. Mir war aber klar, dass ich nach meinem Alter gefragt werden würde. Das war ja schon bei meiner letzten Platte vor vier Jahren so. Darauf zu antworten, wird nicht einfacher. Und es zeigt auch, wie viel Sexismus in der Branche immer noch herrscht.
Wird es dir fehlen, nicht mehr in den „Sexiest Woman Alive“-Listen der Männer-Magazine aufzutauchen?Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Aber schönen Dank auch für den Hinweis! (lacht) Doch wer weiß: Vielleicht machen die Herren für mich eine 50-plus-Kategorie auf?
Auf deine schwulen Fans kannst du dich jedenfalls verlassen! Always and forever! (Kylie singt) Ich habe sogar ein Lied, das so heißt!
*Interview: Katja Schwemmers