
Foto: andrewchristian.com
Über 25 Jahre lang hat dieser Mann nicht nur Stoffe geschnitten, sondern auch die Fesseln gesellschaftlicher Erwartungen. Wenn jetzt die Nadel ruht und die letzte Kollektion – Bespoke, Herbst/Winter 2025 – die Laufstege erobert, ist das nicht nur das Ende einer Ära, sondern auch eine verdammte Liebeserklärung an uns alle.

Fotos: andrewchristian.com
Ein schwuler Junge aus dem Ghetto von Fresno, der mehr Schimpfwörter als Maschen gelernt hat. „Beaner“, „Faggot“ – das waren die Begrüßungsworte seiner Kindheit. Mit 18 dann die Flucht nach L.A., in eine Garage, bewaffnet nur mit Terror, Hoffnung und einem Skizzenbuch. Mode war für ihn keine Laune, sondern nacktes Überleben. Jeder Stich ein Herzschlag, jedes Teil ein Coming-out. Über ein Vierteljahrhundert lang hat er seine Seele in dieses Handwerk gegossen, um uns, seiner LGBTQ-Familie, heilige Zufluchtsorte zu schaffen. Orte, an denen wir uns gesehen, wertgeschätzt und verdammt nochmal schön fühlen konnten.

Foto: andrewchristian.com
Was als Überlebenskampf begann, wurde zu einem Vermächtnis der Liebe. Andrew Christian hat uns nicht nur in hautenge Slips gesteckt, die mehr zeigten als verhüllten, sondern uns auch beigebracht, unsere Körper zu lieben und unsere Sexualität zu feiern. Seine Kampagnen waren ein Schlag ins Gesicht der Prüderie, eine Ode an die homerotische Ästhetik, die unsere Herzen höher schlagen ließ. Er hat uns gezeigt, dass Männlichkeit und Begehren viele Facetten haben – und dass man dabei auch noch verdammt gut aussehen kann, selbst wenn man nur in Unterhose posiert.

Foto: andrewchristian.com
Jetzt legt er die Schere beiseite, aber die Kreativität, so sagt er, geht nicht in Rente. Sie findet nur neue Wege. An all die jungen, queeren Träumer da draußen, die mit zitternden Händen Skizzenbücher festhalten: Andrew Christian sieht euch! Eure Andersartigkeit ist eure Superkraft. „Näht euren Terror und eure Hoffnung zusammen, und erschafft etwas Atemberaubendes,” so der Designer.
Andrew Christian mag von der Runway-Bühne abtreten, aber sein Geist wird weiterleben – in jedem engen Slip, in jeder kühnen Kampagne, die uns daran erinnert, wie wunderschön und vielfältig unsere Community ist. Er hat uns nicht nur angezogen, sondern auch entblößt – unsere Ängste, unsere Sehnsüchte, unsere Wahrheiten. Und dafür, lieber Andrew, danken wir dir aus tiefstem Herzen. Für all die nackte Haut, die Ehrlichkeit und die verdammte Portion Stolz, die du uns geschenkt hast.

Foto: andrewchristian.com