Tim Cook ist der neue Apple-Chef. Er selbst hat gegenüber der Presse anscheinend nie über sein Privatleben oder gar seine sexuelle Orientierung gesprochen. Internetblogs berichteten Anfang des Jahres mit Verweis auf Unternehmenskreise von der angeblichen Homosexualität des neuen Apple-Chefs und machten ihn zum mächtigsten Schwulen im Silicon Valley. Wir fragten den schwulen Unternehmer und Autor Harald Christ, was er vom Fremdouting schwuler Führungskräfte hält.
WAS HALTEN SIE DAVON, DASS DIE PRESSE EIN ANSCHEINEND OFFENES GEHEIMNIS ÜBER DIE PRIVATE PERSON TIM COOK HOCHJUBELT?
Sexuelle Orientierung hat nichts mit beruflicher Leistungsfähigkeit zu tun. Deswegen finde ich die Diskussion völlig deplatziert und sie zeigt, dass wir selbst im 21. Jahrhundert noch nicht von Normalisierung sprechen können, wenn sogar der mutmaßlichen Homosexualität eines CEOs eines der weltweit führenden Konzerne Platz für soviel Gesprächsstoff eingeräumt wird. Im Vordergrund sollte die Bewertung der Leistung von Herrn XY stehen, nicht sein Privatleben. Das ist auch die Bewertung die Investoren voraussetzen. Ich finde diese Heckenschützenmentalität unanständig und halte sie für eine riesen Sauerei.
KOMMENTATOREN SAGEN, DASS COOK ALS EHER LANGWEILIGER BÜROKRAT EIN WICHTIGES ROLEMODEL FÜR HOMOSEXUELLE SEI, WEIL ER EBEN KEINE TYPISCH SCHWULE ATTITÜDE ZEIGE. KANN DIESES ARGUMENT ZÄHLEN?
So ein Argument ist absolut an den Haaren herbeigezogen, weil ich mich nicht erinnern kann, dass andere CEOs unabhängig ihrer sexuellen Neigungen und Phantasien diese in der breiten Öffentlichkeit diskutiert hätten. Dies sollte auch unabhängig von der sexuellen Orientierung immer Privatsache bleiben. Selbst Analytiker und kühle Rechner können homosexuell sein - das soll schon mal vorkommen...
SIE HABEN IHR OUTING SELBER GESTALTET ALLERDINGS AUCH ERST NACH DER AUFGABE IHRER POSTEN IM TOP-MANAGEMENT. WÜRDEN SIE MANAGERN RATEN, SICH ZU OUTEN?
Bei der Entscheidung sich zu outen kann man keine Ratschläge erteilen, das kann man nur selber entscheiden. Ich kann nur aus meiner eigenen Sichtweise und Erfahrung sprechen und deswegen war mein Outing absolut richtig. Dazu kam, dass ich zunehmend Person öffentlichen Interesses wurde und ich würde diesen Weg für mich immer wieder gehen losgelöst davon ob ich gerade in einer Funktion gewesen wäre oder nicht.
NACH IHREM RÜCKZUG AUS DEM AKTIVEN MANAGERGESCHÄFT KONZENTRIEREN SIE SICH AUF DIE FÜHRUNG IHRER EIGENEN UNTERNEHMENSGRUPPE. SIE SITZEN IN EINER VIELZAHL VON AUFSICHTSRÄTEN UND BEIRÄTEN UND ENGAGIEREN SICH SOZIAL UND POLITISCH. SEHR ÖFFENTLICH WURDE IHRE PERSON NACH IHREM OUTING, ALS SIE IM SCHATTENKABINETT VON FRANK WALTER STEINMEIER GELISTET WURDEN. SIE SIND HEUTE WIRTSCHAFTSPOLITISCHER BEIRAT DER BUNDES-SPD UND SCHATZMEISTER IN DER BERLINER SPD. IHR NEUES BUCH DEUTSCHLANDS UNGENUTZTE RESSOURCEN KRITISIERT DEN BILDUNGSSTANDORT DEUTSCHLAND. WORUM GEHT ES GENAUER?
In dem Buch umschreibe ich nicht nur die Situation der deutschen Bildungspolitik, sondern gebe auch in jedem Kapitel konkrete Lösungsvorschläge, was zu tun ist um auch langfristig unseren Wohlstand zu erhalten und mehr Menschen aus unterschiedlichen sozialen Klassen die Chance zu geben, an unserem System zu partizipieren und somit langfristig den Wohlstand unserer Gesellschaft zu sichern. Auch aus wirtschaftspolitischer Sicht ist die Bildungspolitik eine extrem wichtige Vorraussetzung für den Erhalt und die Steigerung unserer Wettbewerbsfähigkeit in einem zunehmend globalisierten Wettbewerb.
In meinem Buch beschreibe ich auch die Notwendigkeit von mehr Zuwanderung als wichtigen Bestandteil der demoskopischen Entwicklung entgegenzuwirken. Das setzt Herausforderungen an die Integration voraus und ich gehe hier kritisch auf die mir zu pauschal erscheinenden Thesen von Thilo Sarrazin ein. Hautfarbe oder sexuelle Orientierung haben eben nichts mit Charakter und Leistungsfähigkeit zu tun!
Interview: Christian Knuth
Internet: MEHR ZUM BUCH DEUTSCHLANDS UNGENUTZTE RESSOURCEN