
Foto: Win McNamee / GettyImages / AFP
Donald mit Melanie Trump am 12. Juni
Bei der Premiere des Broadway-Musicals Les Misérables am Mittwoch, dem 11. Juni 2025, im John F. Kennedy Center for the Performing Arts – einem der bedeutendsten Kulturhäuser der USA – kam es zu einem gezielten Protest: Vier Drag-Künstler*innen nahmen demonstrativ in der ersten Reihe Platz, um gegen den kulturpolitischen Kurs von Donald Trump zu demonstrieren.
Hintergrund: Trumps Machtübernahme am Kennedy Center
Im Februar 2025 übernahm Ex-US-Präsident Donald Trump die Leitung des renommierten Kennedy Centers in Washington, D.C. – dem nationalen Kulturzentrum der Vereinigten Staaten. Er entließ zahlreiche Führungskräfte und ersetzte sie durch politische Vertraute, darunter Richard Grenell als Interimsdirektor. Kurz darauf kündigte Trump an, keine Produktionen mit Drag-Künstler*innen oder sogenannten „woken“ Inhalten mehr zuzulassen.
Diese Entscheidungen blieben nicht ohne Folgen: Erfolgreiche Produktionen wie Hamilton sagten ihre Gastspiele ab, prominente Künstler*innen wie Issa Rae, Ben Folds und Renée Fleming distanzierten sich öffentlich. Auch die Ticketverkäufe gingen stark zurück – ein deutliches Zeichen für die wachsende Ablehnung in der Kulturszene.
Protest bei „Les Misérables“
Zur ersten Aufführung von Les Misérables seit Trumps Eingriff erschienen er selbst und seine Frau Melania im Publikum. Ihre Ankunft wurde mit Applaus, aber auch Buhrufen und Zwischenrufen wie „Convicted felon!“ begleitet – ein Verweis auf Trumps damalige Verurteilung.
Aber der Protest kam aus dem Zuschauerraum: Die Drag-Künstlerinnen Vagenesis, Mari Con Carne, Tara Hoot und Drag King Ricky Rosé saßen demonstrativ in der ersten Reihe – sichtbar, stolz und in voller Drag-Montur. Organisiert wurde die Aktion vom queeren Aktivistinnenkollektiv Qommittee, das sich unter anderem aus Überlebenden queerfeindlicher Anschläge wie dem Pulse-Massaker in Orlando (2016, 49 Tote) und dem Angriff auf den Club Q in Colorado Springs (2022, 5 Tote) zusammensetzt. Das Kollektiv setzt sich für queere Sichtbarkeit, Sicherheit und kulturelle Teilhabe ein. Die Tickets wurden über eine gezielte Spendenkampagne finanziert – als kollektives Zeichen gegen Ausgrenzung und für Präsenz im Raum der Hochkultur.
Reaktionen aus dem Publikum
Während Trump und sein politischer Verbündeter J.D. Vance stellenweise ausgebuht wurden, erhielten die Drag-Künstler*innen deutliche Zustimmung: Applaus, zustimmende Rufe und sogar stehende Ovationen aus dem Publikum. Doch der Protest blieb nicht bei der visuellen Geste – auch inhaltlich wurde ein klares Zeichen gesetzt.
Mari Con Carne, selbst Einwanderin, erklärte im Gespräch mit Entertainment Weekly:
„You can prevent us from performing on your stages, but you can’t erase us from your presence.“ („Ihr könnt uns daran hindern, auf euren Bühnen aufzutreten, aber ihr könnt uns nicht aus eurer Gegenwart verbannen.“)
Tara Hoot, bekannt für Drag-Lesungen für Kinder, sagte gegenüber dem Magazin Them:
„Showing up … allowed me to live those words and lessons for all to see. Here’s to being brave, strong, and gorgeous.“ („Indem ich auftauchte ... konnte ich diese Worte und Lektionen für alle sichtbar leben. Auf das Mutigsein, die Stärke und die Schönheit.“)
Symbolträchtiger Kontext
Dass Les Misérables – ein Stück über Revolution, Gerechtigkeit und Widerstand – ausgerechnet an diesem Abend auf dem Spielplan stand, verlieh dem Protest zusätzliche Tiefe. Die Botschaft: Kunst, die Unterdrückung thematisiert, lässt sich nicht zensieren – auch nicht durch politische Einflussnahme von oben.
Der Protest im Kennedy Center ist Ausdruck eines breiteren kulturellen Widerstands: Während rechte Kräfte versuchen, Institutionen ideologisch umzudeuten, formieren sich Kunstschaffende, Aktivist*innen und Publikum zu einer vielstimmigen Gegenbewegung.
Blick voraus: Proteste am Samstag im Zeichen von „No Kings“
Was im Kennedy Center begann, setzt sich am kommenden Samstag landesweit weiter – diesmal auf den Straßen. Anlass ist eine groß inszenierte Militärparade in Washington, mit der Trump den 250. Jahrestag der US-Armee und gleichzeitig seinen 79. Geburtstag feiern lässt.
Als Antwort darauf planen zivilgesellschaftliche Gruppen, queere Kollektive und Gewerkschaften in mehr als 1.800 Städten Proteste unter dem Motto „No Kings Day“ – etwa in Chicago, Houston, Philadelphia und vielen weiteren Orten. Auch in Texas rufen Lehrer*innenverbände, Studierende und lokale Initiativen zu friedlichen Kundgebungen auf, begleitet von der Polizei und teilweise auch von der Nationalgarde.
Die Botschaft ist klar: Während Trump sich mit Militärparade und Personenkult feiert, wollen die Protestierenden zeigen, dass die Demokratie nicht einem selbsternannten „König“ gehört. Der Drag-Auftritt im Kennedy Center wirkt damit wie ein Vorbote dieser Bewegung – kreativ, unbequem und sichtbar. Der Protest zieht weiter: von der Theaterloge auf die Straße.
*Quellen: NBC Washington, The Advocate, People Magazine, Playbill, AP News, Yahoo News, The Daily Beast, EW.com, Washingtonian, Them.us, The Guardian, Vanity Fair, Global News Canada, Wikipedia, Facebook.