Frankreichs neuer Außenminister Stéphane Séjourné war zum Antrittsbesuch in Berlin. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) empfing ihren neuen französischen Kollegen am Sonntagnachmittag im Auswärtigen Amt.
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Annalena Baerbock (r.) und der neu ernannte französische Außenminister Stéphane Séjourné (l.) scheinen sich auf Anhieb bestens verstanden zu haben.
Séjourné war erst am 11. Januar bei einer Regierungsumbildung zum neuen Außenminister ernannt worden. Seine erste offiziellen Auslandsreise führte ihn am Samstag in die ukrainische Hauptstadt Kiew, wo er die Unterstützung Frankreichs für die von Russland angegriffene Ukraine betonte. Bei dem Treffen in Berlin soll es nach Angaben des Auswärtigen Amts um die deutsch-französische Zusammenarbeit sowie aktuelle europa- und außenpolitische Themen gegangen sein. Nach Berlin reist Séjourné weiter nach Warschau.
Macron-Unterstützer der ersten Stunde
Séjourné ist Sohn eines France-Télécom-Managers und verbrachte aufgrund der beruflichen Stationen seines Vaters große Teile seiner Kindheit und Jugend in Spanien und Argentinien, wo er 2001 sein Abitur machte. Nach Frankreich zurückgekehrt studierte Séjourné an der Universität Poitiers Jura, engagierte sich in der Studentengewerkschaft UNEF und bei den Jungen Sozialisten.
Von 2012 bis 2014 arbeitete er als Berater von Jean-Paul Huchon, dem Präsidenten des Regionalrats von Île-de-France, und später als Berater des damaligen Wirtschaftsministers Emmanuel Macron. Séjourné gilt als Macron-Unterstützer der ersten Stunde: 2016 half er Macron bei der Gründung der Bewegung „En Marche!“ (die sich später „La République en Marche“ und seit 2022 „Renaissance“ nennt). In den Folgejahren wurde Séjourné einer der wichtigsten Mitarbeiter und Berater Élysée-Palast, auch nachdem er 2019 nach Brüssel wechselte, wo er bis 2024 Mitglied des Europäischen Parlaments und seit Oktober 2021 Vorsitzender der liberalen Fraktion Renew Europe war. Seit September 2022 ist der 38-Jährige auch Generalsekretär von Macrons Partei Renaissance.
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Anfang der Woche gab Stéphane Séjourné noch in seiner Funktion als Europaabgeordneter und Präsident der Renew-Fraktion in Brüssel eine Pressekonferenz, Ende der Woche reiste er als Außenminister in die Ukraine.
Das ehemalige „Paar im Herzen der Macht“
Von 2017 bis 2023 lebte Stéphane Séjourné in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit Premierminister Gabriel Attal (männer* berichtete). Die französische Zeitung Le Monde betitelte die beiden 2021 als „couple au cœur du pouvoir“ („Paar im Herzen der Macht“).
Attal und Séjourné haben ihre Trennung nie öffentlich bestätigt, aber Attal gab nach seiner Ernennung zum Bildungsminister (Juli 2023) in seiner Erklärung zur Erfassung möglicher Interessenkonflikte an, keinen Partner zu haben.
Trotz des Beziehungsendes setzt Attal weiter auf seinen ehemaligen Partner, die französischen Medien sprechen von einem gegenseitigen wichtigen Vertrauen der beiden Männer für die zukünftige gemeinsame Arbeit.
Neue Regierung männlicher und rechter
Frankreichs neue Regierung ist männlicher, rechter und kleiner als bisher – und ist nicht zuletzt als Wahlkampfteam für die EU-Wahl aufgestellt. Präsident Emmanuel Macron, der als Kandidat der Mitte angetreten war und die Gleichstellung von Frauen zur Chefsache erklärt hatte, enttäuscht dabei allerdings einen großen Teil seiner Wählerschaft. Gleich sieben der wichtigsten Ministerien sind von Männern besetzt. Die Frauen im Kabinett haben überwiegend niederrangige Posten. Zudem scheint die von mehr als 40 auf derzeit 15 Mitglieder geschrumpfte Regierungsmannschaft so hastig zusammengestellt, dass mangels geeigneten Personals einige Ministerien zusammengelegt wurden.
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FRANCE-POLITICS-GOVERNMENT
Der französische Premierminister Gabriel Attal (hinten mittig) sitzt mit seinen Ministern zu Beginn der ersten Kabinettssitzung nach der Ernennung einer neuen Regierung am Vortag, am 12. Januar 2024 im Elysee-Palast in Paris.
Inhaltlich ist ein deutlicher Rechtsruck zu erwarten. Mehrere Minister*innen, die aus dem linken Lager stammten, wurden abserviert. Zu ihnen zählt Transportminister Clément Beaune, der das verschärfte Einwanderungsgesetz kritisiert hatte, sowie Kulturministerin Rima Abdul Malak, die dem mit Vergewaltigungsvorwürfen konfrontierten Schauspieler Gérard Depardieu die Mitgliedschaft in der Ehrenlegion entziehen wollte.
Die bereits zuvor aus dem konservativen Lager rekrutierten politischen Schwergewichte wurden durchweg im Amt bestätigt, insbesondere Innenminister Gérald Darmanin und Wirtschaftsminister Bruno Le Marie. Beide schielen neben Premierminister Gabriel Attal auf die Nachfolge Macrons 2027, wenn dieser nicht mehr für das Präsidentschaftsamt antreten kann.
Hinzu kommen zwei neue konservative Beute-Ministerinnen. Macrons politischer Coup – von dem selbst der Premierminister bis zuletzt nichts gewusst haben soll – war die Ernennung der konservativen Justizministerin Rachida Dati. Sie war zuletzt Bezirksbürgermeisterin und ist vor allem als angriffslustige Talkshow-Teilnehmerin aufgefallen. Gegen sie läuft ein Ermittlungsverfahren, weil sie 900.000 Euro für undurchsichtige Beraterverträge mit einer Renault-Filiale erhalten haben soll.
Neben Dati erregt auch die Ernennung der 63 Jahre alten Catherine Vautrin zur Arbeits- und Gesundheitsministerin Kritik des linken Lagers, da sie als Gegnerin der Homo-Ehe bekannt ist. Sie war schon einmal Staatssekretärin, als der aktuelle Premierminister noch in der Pubertät steckte.
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Amélie Oudéa-Castéra am 10. Dezember 2022 beim Viertelfinalspiel der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar zwischen England und Frankreich im Al-Bayt-Stadion in Al Khor.
Über die bisherige Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra, die nun noch das Amt der Bildungsministerin übernimmt, kann sich die Community jedoch freuen. Die Politikerin hatte sich in der Vergangenheit mehrfach für die Rechte von Lesben und Schwulen eingesetzt und bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar Ende 2022 mit einem Pullover in Regenbogenfarben gegen die homophobe Politik des Emirats protestiert.
* AFP/sah