Ein historischer Moment in einem Land, das seit Jahren zwischen Tradition und modernen Werten hin- und hergerissen ist. Doch was bedeutet dieser Schritt für die LGBTQ+ Gemeinschaft in einem der katholischsten Länder Europas?
„Dies ist ein neues Kapitel auf dem langen Weg zur Gleichheit“, sagte Kotula, während sie vor Pressevertretern in Warschau stand, ihre Stimme fest, aber auch sichtlich bewegt. Polen – das Land, in dem die katholische Kirche seit Jahrhunderten tief verwurzelt ist, das Land, in dem Regenbogenfahnen immer wieder von konservativen Gruppen und Politikern als Symbol der Zerstörung der nationalen Werte diffamiert werden. Hier wagt es nun eine Ministerin, den Weg zur Gleichberechtigung zu ebnen.
Eine zögernde Hoffnung
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Katarzyna Kotula
Der Entwurf, der nun nach der Abstimmung in den Ressorts der Regierung dem Parlament vorgelegt werden soll, könnte schon bald ins Stocken geraten. Ministerpräsident Donald Tusk, der das Thema bereits im Wahlkampf angestoßen hatte, muss sich gegen mächtige Gegner behaupten. Präsident Andrzej Duda, ein Mann, der in den vergangenen Jahren immer wieder Projekte blockiert hat, die die Rechte von Minderheiten stärken könnten, könnte sich erneut querstellen. Es ist ein politisches Spiel, das nicht nur in den Gängen des Parlaments, sondern auch in den Herzen und Köpfen der Menschen ausgetragen wird. Auf der einen Seite eine aufkeimende Bewegung der Hoffnung, die sich nach Anerkennung sehnt. Auf der anderen Seite die Angst, dass die tief verankerten konservativen Kräfte das Rad der Zeit zurückdrehen wollen.
Der Druck von außen
Es war erst im vergangenen Jahr, als der Europäische Menschenrechtsgerichtshof Polen dazu aufforderte, die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare anzuerkennen und zu schützen. Doch bislang ist Polen eines der wenigen Länder in der EU, das selbst im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen nicht anerkennt. Was diese Entscheidung für tausende Paare bedeutet, die im Verborgenen leben oder im Ausland heiraten mussten, wird selten öffentlich diskutiert.
Mit jedem Tag, an dem der Entwurf in der Luft hängt, wächst der Druck von außen. Die EU beobachtet Polen genau, während die polnische LGBTQ+ Gemeinschaft in einem Zustand des Wartens verharrt. Wird das Land den Mut haben, die konservative Mehrheit herauszufordern und Gleichberechtigung zu gewähren?
Die Stimmen der Veränderung
Für viele Aktivist*innen im Land ist Kotulas Schritt ein Hoffnungsschimmer. „Es ist an der Zeit, dass wir unsere Liebe leben können, ohne Angst vor Diskriminierung oder staatlicher Ignoranz“, sagt Monika, eine junge Frau aus Krakau, die seit Jahren mit ihrer Partnerin zusammenlebt. „Es gibt so viele Menschen wie uns, die einfach nur dieselben Rechte wollen wie alle anderen.“ Doch die Gefahr, dass dieser Entwurf wieder scheitert, ist real. „Wir wissen, dass dies ein langer Kampf ist“, fügt sie hinzu. „Aber wir sind bereit.“