Die Mehrheit der Parlamentsmitglieder stimmte gestern für die Resolution, in der homophobe Tendenzen in Europa angeprangert werden. Besonderes Augenmerk: Polen. AfD-Abgeordnete Anderson indes stimmte gegen den Antrag und behauptete, nur fremde Kulturen seien homophob – nicht die europäischen.
In der von der queeren Resolution setzt sich das Europaparlament gegen Homophobie in vielen Mitgliedsstaaten der EU ein. Zwei Drittel der Abgeordneten stimmten gestern für den Antrag und beauftragte damit den EU-Parlamentspräsidenten David Sassoli, den Antrag an alle darin genannten Regierungen und Parlamente zu übermitteln.
Im Entschließungsantrag wird unter anderem davon ausgegangen, dass eine Stigmatisierung wegen tatsächlicher oder vermeintlicher sexueller Ausrichtung, Geschlechtsidentität oder Geschlechtsmerkmalen nach wie vor in der gesamten EU bestünde.
Außerdem wird die tiefe Besorgnis darüber geteilt, dass die Angriffe gegen queere Menschen in allen EU Mitgliedsstaaten wieder zunimmt und auch von offiziellen Stellen, Politikern und gar Staaten selbst vorgenommen wird. Besonderes Augenmerk der Resolution liegt auf der Errichtung von sogenannten „LGBTI-freien-Zonen“ (blu berichtete) und der gesamt spürbaren homophoben Stimmung im deutschen Nachbarland Polen.
Queere Parlamentsgruppe erleichtert
Die Karte der Schande aus Polen.
„In einem demokratischen Land sollte es keinen Platz für Diskriminierung geben. LGBTI-Deklarationen, die von lokalen Regierungen in Polen verabschiedet wurden, betreffen vor allem junge LGBTI-Menschen, von denen bereits 60% Selbstmordgedanken haben.
Wir glauben, dass diese Entschließung dazu beitragen wird, das Stigma der LGBTI-Bevölkerung zu beenden und Polen zu einem sichereren Ort für alle zu machen.“
Kamil Maczuga (Lewica Razem, Polnische Linkspartei) und Jakub Gawron (Organisator des Rzeszow Equality March und Mitautor der Forschung zu LGBTI-freien Zonen)
Malin Björk, Vizepräsident der LGBTI-Intergruppe machte aber deutlich, dass es nicht hinnehmbar sei, „dass sich „LGBTI-freie Zonen“ in einem EU-Land ausbreiten. Die Annahme von Resolutionen, die LGBTIQ* und ihre Familien diskriminieren, wird sie nicht verschwinden lassen.
Christine Anderson redet sich um Kopf und Kragen
Wir rekapitulieren: Im Oktober, als der Antrag im Parlament behandelt wurde, beglückwünschte AfD-Abgeordnete Christine Anderson die polnische Bevölkerung: Ihre Regierung würde sie vor der „perversen Ideologie“ beschützen (blu berichtete).
Bei der gestrigen Abstimmung stimmte Anderson wie erwartet gegen den Antrag. Dann erklärte sie ihre Stimme damit, nur Immigranten seien homophob, keine europäischen Völker. Wer im Geschichtsunterricht aufpasste, dürfte sich erinnern, dass in vielen Kulturen Homophobie erst durch die Kolonialisierung und das Christentum importiert wurde.
Anderson postete ihre Rede anschließend auch in den sozialen Medien und schrieb dazu, die Erklärung ihrer Abtimmung sei ihr bei diesem Antrag besonders wichtig gewesen. Darin machte sie deutlich, man sei nicht homophob, wenn man die traditionelle Familie aus Vater, Mutter und Kindern präferiere. Im Folgenden beschenkte sie ihre Wähler und jeden, den es sonst noch interessierte, mit folgenden Meinungsäußerungen:
„Die Rechte von Homosexuellen stärkt man nicht durch symbolische Resolutionen und Sonntagsreden im EU-Parlament. Die Rechte von Homosexuellen stärkt man durch konsequente Benennung derjenigen, die die Rechte von Homosexuellen mit Füssen treten und Homosexuelle an Baukränen aufhängen.“
Da ihr die Rechte von Homosexuellen offensichtlich inzwischen am Herzen liegen, bringt Anderson einen Lösungsvorschlag ein:
„Es sind nicht die europäischen Völker, die Homosexuellen ihre Rechte absprechen. Es ist eine Kultur, die wir zu Millionen nach Europa importieren und die hier ihre mörderische Homophobie ausleben. Damit muss Schluss sein, wenn man die Rechte Homosexueller ernst nimmt.“
Unter dem Post bei Facebook tummeln sich nur drei zustimmende Kommentare und 12 Likes. Kein Gegenwind, kein Aufzeigen eines möglichen Widerspruchs in ihrer Behauptung und den homophoben Äußerungen ihrer aus europäischen Kulturen stammenden Parteimitglieder, kein Befremden über die Wandlung, die Frau Anderson in den letzten sechs Wochen offensichtlich durchlief.
Andresen fordert finanzielle Unterstützung
Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen brachte einen Änderungseintrag ein, der den queeren Organisationen vor Ort finanzielle Unterstützung durch die EU zusichern soll. Andresen erklärte, es dürfe nicht bei einem starken Beschluss bleiben – man müsse handeln. Diese Form der Unterstützung würde vor Ort dringend benötigt werden, da staatliche und kommunale Akteure sich gegen die Communitys gewendet hätten. Er machte deutlich:
„Der Hass, den polnische LGBTI spüren, ist nicht folgenlos. Der Bedarf an psychologischer Beratung, Bildungsarbeit oder diskriminierungsfreien Orten wächst. Die polnische Regierung lässt LGBTI auch finanziell im Regen stehen.“
Rasmus Andresen forderte bereits bei der Plenardebatte im November mehr Unterstützung für Polens Community