Mit Frankreich wird ein weiteres Land der Europäischen Union schwulen und bisexuellen Männern das Blutspenden künftig ‚ohne‘ Einschränkung erlauben.
Sexuell aktive schwule und bisexuelle Männer in Frankreich durften bislang nur Blut spenden, wenn sie in den vergangenen vier Monaten keinen gleichgeschlechtlichen Sex hatten. Diese Regelung soll nun zeitnah aufgehoben werden, kündigte Gesundheitsminister Olivier Véran am 11. Januar auf Twitter an.
„Ab dem 16. März können alle Franzosen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, Blut spenden! Wir beenden eine Ungleichheit, die nicht mehr gerechtfertigt war.“
Alte Beschränkungen fallen, neue gesellen sich hinzu
Ebenfalls abgeschafft werden soll der umstrittene Fragebogen, den alle Männer, die Sex mit Männern haben, vor dem Blutspenden ausfüllen mussten. Laut Ministerium soll dieser Bogen zur Abfrage von Risiken künftig keine einschlägigen Fragen zu Intimpartner*innen mehr enthalten, zugleich aber um Fragen zur Einnahme von präventiven Medikamenten vor oder nach einem HIV-Risikokontakt erweitert werden. Potenzielle Spender, die PrEP nehmen, sind zukünftig vier Monate nach der letzten Einnahme der HIV-Prophylaxe von der Blutspende ausgeschlossen. Aktivist*innen sehen diese Regelung kritisch. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, schrieb etwa Erwann Le Hô, Vorsitzender des Centre LGBT Côte d'Azur auf Twitter,
„dass alle, die #Prep nehmen, ein riskantes Verhalten an den Tag legen. Ein #Prepper zu sein ist eine verantwortungsvolle und wirksame Präventionsentscheidung gegen #HIV“.
Strategischer Wahlopportunismus?
Mit der Abschaffung der Blutspendebeschränkungen für Homosexuelle endet ein Verbot, das seit 1983 in Frankreich Bestand hatte. Erst 2016 wurde ein erster zaghafter Schritt nach vorne gemacht: Nach einer einjährigen sexuellen Abstinenz war es schwulen und bisexuellen Männern unter strengen Auflagen erlaubt, Blut zu spenden. Dieser Zeitraum wurde 2019 auf vier Monate verkürzt.
Seither gab es im französischen Parlament mehrere Versuche, das Ende der Beschränkungen auf Grundlage der sexuellen Orientierung herbeizuführen. Olivier Véran hatte stets abgelehnt – zuletzt am 31. Juli 2020, als sich der Gesundheitsminister im Parlament noch strikt gegen eine Aufhebung des Blutspendeverbots für homo- und bisexuelle Männer aussprach. „Dieser Änderungsantrag, ich sage es, er ist gefährlich“, wurde Véran, der seine Ansicht auch noch mit wissenschaftlichen Argumenten zu untermauern versuchte, von HuffPost zitiert.
Entsprechend kritisch sieht die Öffentlichkeit den plötzlichen Sinneswandel des Ministers 90 Tage vor den Präsidentschaftswahlen am 10. April 2022.