Am 4. September wurde ein umstrittener Anti-LGBTIQ*-Gesetzentwurf in zweiter Lesung im georgischen Parlament verabschiedet. Der Gesetzentwurf „Über Familienwerte und den Schutz Minderjähriger“ ähnelt stark dem russischen Anti-Queer-Gesetz von 2013 und ist damit Georgiens zweites wichtiges Gesetz, das sich an drakonischen russischen Gesetzen orientiert. Das erste war das im Mai 2024 verabschiedete Gesetz über ausländische Agenten.
Der von der regierenden Partei Georgischer Traum vorgeschlagene Gesetzentwurf wurde am 27. Juni in erster Lesung vom Parlament angenommen (männer* berichtete). Berichten lokaler Medien zufolge soll der Gesetzentwurf in der dritten Anhörung, die für die Woche vom 17. September angesetzt ist, endgültig verabschiedet werden.
„Über Familienwerte und den Schutz Minderjähriger“
Das Gesetzespaket mit dem Titel „Über Familienwerte und den Schutz Minderjähriger“, das Anfang des Jahres von der Regierungspartei auf den Weg gebracht wurde, zielt darauf ab, durch die Änderung von 18 bestehenden Gesetzen „LGBT-Propaganda“ zu bekämpfen und „nationale und religiöse Werte zu schützen“.
Die Änderungen würden jegliche öffentliche Versammlungen oder Demonstrationen verbieten, die Geschlechtsidentitäten fördern, die vom biologischen Geschlecht oder der sexuellen Orientierung abweichen, oder Inzest. Änderungen am Rundfunkgesetz würden Rundfunkveranstalter verpflichten, keine Werbung, Informationen oder Filme auszustrahlen, die LGBTQ*-Beziehungen und Inzest fördern.
Im Vorfeld der am 26. Oktober stattfindenden Parlamentswahlen in Georgien nutzt die Regierungspartei Homophobie als favorisierte Wahlkampfstrategie. Zu diesem Thema legte sie auch ein Paket mit Verfassungsänderungen vor und rief die Wähler*innen dazu auf, der Partei dabei zu helfen, bei den Parlamentswahlen am 26. Oktober eine verfassungsmäßige Mehrheit von mindestens 113 Sitzen im Parlament zu erreichen, um die Änderungen in der Verfassung zu verankern.
Wenn das Verfassungsgesetz angenommen wird, würde es laut agenda.ge die Verbreitung von Materialien verbieten, die gleichgeschlechtliche Familien- oder Intimbeziehungen, Inzest, Adoption oder Pflege durch nicht-heterosexuelle Einzelpersonen oder gleichgeschlechtliche Paare, medizinische Verfahren zur Geschlechtsangleichung oder die Nichtverwendung geschlechtsspezifischer Konzepte fördern.
„Georgischer Traum“ wird zum Albtraum
Die Regierungspartei Georgischer Traum vollzieht seit vier Jahren eine Kehrtwende im Hinblick auf Freiheiten und Menschenrechte, nachdem das Land am 31. Oktober 2020 eine umstrittene Parlamentswahl abhielt und in eine anhaltende politische Krise geriet. Seitdem wendet sich das Land mit rasanter Geschwindigkeit vom euro-atlantischen Kurs ab.
Foto: Vano Shlamov / AFP
Proteste gegen das „Ausländische Agenten“-Gesetz im Mai 2024.
Die überwiegend pro-europäische Bevölkerung und die Opposition geben nicht auf, werden aber immer stärker drangsaliert – gewaltsame Auflösungen von Protesten, Angriffe auf unabhängige Medien und eine wachsenden Kluft zwischen Gesellschaft und Staatsführung sind die Folge.
Für die Frage, welchen Weg das Land einschlägt, sei auch das Agieren des Westens von Bedeutung, schrieb die Konrad-Adenauer-Stiftung im Juni in ihrem Länderbericht zu Georgien. Wichtig sei „vor allem die fortgesetzte Unterstützung der georgischen Zivilgesellschaft, der ‚Herzkammer‘ der euro-atlantischen Integration Georgiens. Zugleich erfordert die Lage ein verbindliches Auftreten insbesondere der europäischen Regierungen gegenüber der Regierung des ‚Georgischen Traums‘“.