Georgien, das seit drei Wochen von regierungsfeindlichen Protesten erschüttert wird, steckt in einer politischen Krise, die sich mit der für den 29. Dezember geplanten umstrittenen Amtseinführung eines neuen regierungstreuen Präsidenten noch weiter verschärfen könnte.
Hier sind die wichtigsten Momente des Kampfes zwischen der Regierung dieser ehemaligen Kaukasusrepublik und Tausenden von EU-freundlichen Protestierenden, die sie beschuldigen, autoritär zu werden und das Land wieder in den Orbit von Moskau bringen zu wollen.
Änderung der Politik
Die Spannungen nahmen seit 2022 zu, als die Regierungspartei Georgischer Traum, die im Hintergrund von Bidzina Iwanischwili, einem Millionär, der sein Vermögen in Russland gemacht hatte, geführt wird, einen Kurswechsel vollzog. Sie tauschte eine liberale und pro-westliche Agenda ein und schlug einen zunehmend konservativen und autoritären Weg ein.
Die Partei, die seit 2012 an der Macht ist, hat 2024 ein Gesetz zur Einschränkung von LGBTIQ*-Rechten verabschiedet sowie ein weiteres gegen „ausländischen Einfluss“, das nach Ansicht ihrer Kritiker einen rechtlichen Rahmen schafft, um NGOs, die nicht auf der Linie der Macht sind, auszuschalten.
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Die Opposition verurteilte diese Gesetze als freiheitsfeindlich und inspiriert von der repressiven russischen Gesetzgebung gegen LGBTIQ*-Personen und „ausländische Agenten“.
Im vergangenen Frühjahr hatten Tausende Menschen tagelang gegen die Verabschiedung des Gesetzes über „ausländischen Einfluss“ demonstriert. Ohne Erfolg. Als Reaktion darauf fror Brüssel im Juli den EU-Beitrittsprozess des Landes ein.
Umstrittene Wahlen
Nach den Parlamentswahlen vom 26. Oktober erklärte der Georgische Traum seinen Sieg, doch die proeuropäische Opposition lehnte die Ergebnisse ab und beklagte Betrug, was von der Regierung zurückgewiesen wurde.
Die Oppositionsparteien boykottierten daraufhin die neue Amtszeit und weigerten sich, an ihr teilzunehmen. Die pro-westliche georgische Präsidentin Salome Surabischwili, die mit der Regierung gebrochen hat, erklärte das neue Parlament für „illegitim“. Sie prangerte ein komplexes System von Wahlbetrug und Druck auf die Wähler an, das einer „russischen Methodik“ gefolgt sei. Moskau seinerseits bestreitet jegliche Einmischung in die Wahlen.
Proteste und Polizeigewalt
Foto: Giorgi Arjevanidze / AFP
Proteste am 13. Dezember 2024 im Zentrum von Tiflis gegen die Verschiebung der Beitrittsverhandlungen mit der EU durch die georgische Regierung auf 2028.
Am 28. November kündigte Premierminister Irakli Kobachidse an, die Gespräche über den EU-Beitritt bis 2028 auszusetzen. Daraufhin begannen Demonstrationen der Opposition, an denen Zehntausende Menschen teilnahmen und den Rücktritt der Regierung sowie Neuwahlen forderten. In Tiflis kam es bei den Kundgebungen vor dem Parlament vor allem in den ersten zehn Tagen zu Gewalt. Die Polizei setzte Schlagstöcke, Tränengas und Wasserwerfer gegen einige Protestierende ein, die Feuerwerkskörper abfeuerten und Steine warfen.
Das Innenministerium gab an, mehr als 400 Personen festgenommen zu haben, von denen mindestens 30 wegen Straftaten verfolgt werden, die mit harten Strafen geahndet werden können. Zahlreiche Fälle von Polizeigewalt gegen Protestierende und Journalist*innen während der Proteste wurden von NGOs und der Opposition dokumentiert, eine Repression, die von den USA und den Europäern angeprangert wurde.
London und Washington bestraften den Innenminister und einige Polizeichefs wegen der Unterdrückung der Proteste. Die USA kündigten außerdem an, neue Sanktionen gegen Tiflis vorzubereiten.
Verfassungskrise
Am 14. Dezember ernannte ein von der führenden Partei dominiertes Wahlkollegium in einer von der Opposition boykottierten Abstimmung den rechtsextremen Loyalisten Michail Kawelaschwili zum neuen Präsidenten.
Foto: Vano Shlamov / AFP
GEORGIA-POLITICS-ELECTION
Micheil Kawelaschwili am 14. Dezember 2024, nachdem er im Parlament in Tiflis zum neuen Präsidenten Georgiens gewählt wurde.
Die derzeitige Präsidentin, Salome Surabischwili, kündigte an, dass sie sich weigern werde, ihr Mandat wie geplant am 29. Dezember zurückzugeben, solange keine neuen Parlamentswahlen stattfinden würden.
Georgische Verfassungsrechtsexperten behaupten, dass die neue Amtszeit, die Regierung und die Wahl des neuen Präsidenten „illegitim“ seien, da die Abgeordneten der Machthaber technisch gesehen ihr Amt antraten, ohne das Ergebnis der Klage abzuwarten, die Surabischwili beim Verfassungsgericht eingereicht hatte, um die Ergebnisse der Parlamentswahlen vom Oktober für ungültig erklären zu lassen. Das Gericht wies die Klage schließlich ab.
Gefahr der Eskalation
Mit zunehmend aggressiver Rhetorik bezeichnete Premierminister Kobachidse die Demonstrierenden als „gewalttätige Gruppen“, die von einer Opposition kontrolliert würden, die er als „liberal-faschistisch“ bezeichnete.
Da sich die Regierung und die Protestierenden weigern, einzulenken – auch wenn die Beteiligung an den Demonstrationen in den letzten Tagen geringer war –, ist das Risiko einer Eskalation hoch und der Ausgang der Krise unvorhersehbar.
Wie werden die Machthaber reagieren, wenn Salome Surabischwili sich weigert, ihren Posten zu räumen? Viele pro-europäische Demonstrant*innen haben geschworen, sie gegen jeden Versuch zu verteidigen, sie aus dem Orbeliani-Palast, dem Sitz des Präsidenten, zu vertreiben. *AFP/sah