Ghana plant die Einführung eines schärferen Anti-Homosexuellengesetzes. Ein Entwurf liegt bereits vor, Aktivist*innen sehen darin das „homophobste Dokument, das die Welt je gesehen hat“.
Am 29. Juni hatten acht Abgeordnete dem Parlament in Accra einen ersten Entwurf für das Proper Human Sexual Rights and Ghanaian Family Values Bill vorgelegt. Es sieht drakonische Strafen nicht nur für Queers vor und ist in seiner aktuellen Fassung weltweit eines der weitreichendsten Anti-Homosexuellen-Gesetze, die jemals vorgeschlagen wurden. LGBTIQ*s und queere Organisationen, die sich für ihre Rechte einsetzen, aber auch Straight Allys, die ihre Sympathie ausdrücken oder Unterstützung anbieten, müssen dem Entwurf zufolge mit Haftstrafen von bis zu 10 Jahren rechnen. Auch jegliche soziale oder medizinische Unterstützung für trans* oder intersexuelle Menschen wird kriminalisiert.
Obwohl bislang noch kein Ausschuss zur Überprüfung des Gesetzesvorhaben eingesetzt wurde und der Entwurf vor Verabschiedung wahrscheinlich noch mehrfach geändert werden dürfte, hofft die National Coalition for Proper Human Sexual Rights and Ghanaian Family Values, nach der das Gesetz auch benannt ist, auf ein Inkrafttreten bis Ende des Jahres.
Die Organisation – ein „Zusammenschluss von christlichen, muslimischen und traditionellen Herrschern, Führern und Institutionen [als Antwort auf] die wachsende Bedrohung durch die Aktivitäten von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT)“ – macht seit Jahren gegen die LGBTIQ*-Community mobil. Obwohl Ghana zu den über 70 Ländern der Welt gehört, in denen einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen sowieso schon unter Strafe stehen, hatte die homophobe Koalition monatelang für eine noch schärfere Gesetzgebung geworben.
„Homosexualität ist KEIN Menschenrecht“
Zahlreiche Abgeordnete und Mitglieder der Regierung von Präsident Nana Akufo-Addo begrüßten den homophoben Vorstoß. Der Abgeordnete Sam George, der maßgeblich an der Ausarbeitung des Entwurfs beteiligt war, bezeichnete Homosexualität mehrfach als „Perversion“, Kritik am Gesetz wies er als „uninformiert“ zurück. Auf Twitter postete George:
„Homosexualität ist KEIN Menschenrecht. Es ist eine sexuelle Vorliebe. Vorlieben sind nicht absolut oder unreguliert. Wir WERDEN dieses Gesetz durchbringen“.
Später rühmte sich der Abgeordnete damit, dass der Mikrobloggingdienst Twitter in seiner Aussage keinen dezidierten Rechtsverstoß erkennen konnte.
Gesetzesentwurf spart keinen Bereich aus
Der Blick in ein geleaktes Entwurfsexemplar des Proper Human Sexual Rights and Ghanaian Family Values Bill, dessen Echtheit von Personen, die Zugang zum Original hatten, bestätigt wurde, sorgt für schlichtes Entsetzen. „LGBTTQQIAAP+-Aktivitäten“, so die sperrige Abkürzung, deren Bedeutung nicht genauer erklärt wird,
„bedrohen das Konzept der Familie und die damit verbundenen Wertesysteme, die für die soziale Struktur aller ethnischen Gruppen in Ghana von zentraler Bedeutung sind“.
Aktivitäten, von denen angenommen wird, dass sie direkt oder indirekt gegen „richtige sexuelle Menschenrechte und ghanaische Familienwerte“ verstoßen oder diese untergraben, sind verboten. Dazu zählt auch Oralsex, der dem Entwurf zufolge sowohl hetero- als auch für homosexuellen Paare untersagt ist. Analsex und die Verwendung von Sexspielzeug gelten ebenfalls als Straftaten und können mit drei bis fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.
Asexuelle, Pansexuelle oder „Personen mit einer Vorstellung von Geschlecht oder sexueller Beziehung, die den soziokulturellen Vorstellungen von männlich und weiblich oder der Beziehung zwischen Männern und Frauen zuwiderläuft“, werden wie auch Menschen, die ihre sexuelle Orientierung hinterfragen, kriminalisiert. Straight Allys, die für LGBTIQ*-Rechte eintreten und „eine Änderung der öffentlichen Meinung in Richtung einer nach diesem Gesetz verbotenen Handlung“ anstreben, könnten mit fünf bis zehn Jahren Gefängnis bestraft werden, dasselbe gilt für Personen, die sie finanziell unterstützen.
Die „öffentliche Zurschaustellung amouröser Beziehungen“ zwischen Personen des gleichen Geschlechts wäre eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu einem Jahr geahndet werden könnte. Ein ähnliches Strafmaß ist für Cross-Dressing in Comedy-Sketches oder im Film vorgesehen.
Medienunternehmen, Online-Plattformen und Accounts, die Homosexualität „propagieren“ oder Informationen veröffentlichen, die Kinder dazu ermutigen könnten, sich außerhalb der binären Kategorien männlich und weiblich zu identifizieren, könnten mit 10 Jahren Gefängnis bestraft werden. Diese Strafe gilt nicht nur für Aktivitäten, sondern auch für Menschen, die sich als LGBTIQ*, als Verbündete oder nicht-binär bezeichnen. Entsprechend ist die Bevölkerung per Gesetz dazu aufgerufen, derartige Verstöße bei der Polizei zu melden.
Kriminalisiert werden auch Personen, die „an der Förderung, Propagierung, Befürwortung, Unterstützung oder Finanzierung von LGBTTQQIAAP+ beteiligt sind“, sowie alle Personen, „die eine Geschlechtsumwandlung, einen chirurgischen Eingriff oder ein anderes Verfahren anbieten oder sich daran beteiligen, das darauf abzielt, eine andere als die bei der Geburt zugewiesene Geschlechtskategorie zu schaffen, es sei denn, der Eingriff dient der Korrektur einer biologischen Anomalie einschließlich Intersexualität“.
Der letzte Abschnitt des Gesetzesentwurfs sieht vor, ghanaische Auslieferungsgesetze mit anderen Ländern dahingehend zu ändern, dass queere Ghanaer*innen, die im Ausland Asyl suchen, zur Strafverfolgung nach Ghana ausgeliefert werden können.