Bi-Erasure vom Feinsten: Mit dem LGBTQ+ Language and Media Literacy Program veröffentlichte die Google News Initiative ein LGBTIQ*-Glossar „zur Förderung einer integrativen LGBTQ+-Sprache“. Doch das Glossar enthält keinen einzigen Begriff, der Menschen beschreibt, die sich zu mehreren Geschlechtern hingezogen fühlen.
Mit der 2018 gegründeten Google News Initiative verspricht Google, Verleger*innen und Journalist*innen dabei zu unterstützen, ein nachhaltigeres, vielfältigeres und innovatives Nachrichten-Ökosystem aufzubauen. In diesem Sinne startete die Google News Initiative in Zusammenarbeit mit VideoOut, Polygraph und MensHealth ein Projekt namens „LGBTQIA+ Language and Media Literacy Program“.
Das Projekt, das am 19. November vorgestellt wurde, besteht im Wesentlichen aus einem von queeren promovierten Linguist*innen erstellten LGBTIQ*-Glossar, das 100 Begriffe umfasst und darauf abzielt, die Öffentlichkeit und die Medien über den „Sprachgebrauch in der Community“ aufzuklären. So heißt es in der Pressemitteilung der Google News Initiative:
„Das LGBTQIA+ Language and Media Literacy Program ist mehr als ein Glossar, [...]. Es ist ein Weg, die LGBTQIA+-Community zu verstehen, und es wird hoffentlich die Art und Weise verändern, wie Journalisten – und wir alle – über LGBTQIA+-Personen schreiben und sprechen.“
Versehen oder strukturelles Problem?
Das Wortverzeichnis umfasst Begriffe der klinischen Terminologie wie „HRT“ und „Dyphorie“ als auch umgangssprachliche Begriffe wie „Drag und Ballroom“, „Friend of Dorothy“ oder „Shawham“. Selbst für Begriffe wie „Sodomie“, „f*g hag“ und „no fats, no femmes, no Asians“ hat das Glossar Platz gefunden. Nach Begriffen wie bisexuell, pan- oder polysexuell sucht man jedoch vergeblich.
Im Glossar ist kein einziger Begriff enthalten, der Menschen beschreibt, die sich zu mehreren Geschlechtern hingezogen fühlen, obwohl Bisexuelle statistisch den größten Teil der Community ausmachen (wir berichteten). Dieses Negieren und Unsichtbarmachen von Bisexualität, Bi-Erasure genannt, ist strukturell verankert, auch in queeren Organisationen.
Entschuldigung von Media-Hub VideoOut
VideoOut reagierte auf die Vorwürfe mit einer Entschuldigung auf Instagram:
„Danke, dass Sie uns darauf aufmerksam gemacht haben. Ehrlich gesagt haben wir viele Worte weggelassen, einige absichtlich, weil das Projekt zu Beginn nur aus 100 Begriffen bestehen sollte, und einige unabsichtlich wie ‚bisexuell‘. Wir arbeiten aktiv mit unserem Team und unseren Partnern daran, dies zu korrigieren.“
Google äußerte sich nach bisherigem Stand nicht öffentlich zum Vorwurf. In der Pressemitteilung verweist die Google News Initiative auf die im Zuge der Erstellung des Glossars eingesetzte Google-Trends-Technologie (der Online-Dienst von Google liefert Informationen darüber, welche Suchbegriffe von Nutzer*innen der Suchmaschine Google wie oft eingegeben wurden). Mit Google Trends könne man
„beginnen zu verstehen, wie die Wörter in dieses Wörterbuch hineinfallen und daraus wieder herausfallen“.