Was in Indonesien als „Pornografie“ zählt, ist in Wahrheit staatlich verordnete Homophobie: Erneut wurden in Indonesien Menschen wegen angeblicher „schwuler Aktivitäten“ verhaftet. Nach dem Pornografie-Gesetz drohen ihnen 15 Jahre Haft.
Die Polizei in Bogor bestätigte gegenüber Amnesty International die Razzia am 22. Juni. Der örtliche Polizeichef erklärte, die Razzia sei aufgrund öffentlicher Berichte über „homosexuelle Aktivitäten“ in einer Villa im Bezirk Puncak durchgeführt worden. Dabei seien zahlreiche Beweismittel sichergestellt worden, darunter Sexspielzeug, vier Kondome sowie ein Schwert, das als Requisite für eine Tanzvorführung diente.
Laut Polizeibericht wurden 75 Personen – 74 Männer und eine Frau – verhaftet und zum Polizeipräsidium Bogor gebracht, wo sie weiteren Untersuchungen, Gesundheitschecks und HIV-Tests unterzogen werden. Wegen Verstoßes gegen das indonesische Pornografie-Gesetz drohen ihnen Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren.
Amnesty International fordert Freilassung
Amnesty International Indonesien bezeichnete die Verhaftungen als eklatante Verletzung der Menschenrechte und forderte die sofortige Freilassung der Inhaftierten. Wirya Adiwena, stellvertretender Direktor von Amnesty International Indonesien, erklärte:
„Diese diskriminierende Razzia in einer privat gemieteten Villa stellt eine eklatante Verletzung der Menschenrechte und der Privatsphäre dar und verdeutlicht das feindselige Umfeld für LGBTI-Personen in Indonesien. Diese Versammlung verstieß gegen kein Gesetz und stellte keine Bedrohung dar.
Die indonesischen Behörden müssen diese hasserfüllten und demütigenden Razzien beenden. Niemand sollte aufgrund seiner tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verhaftet, eingeschüchtert oder öffentlich bloßgestellt werden. Die Polizei muss alle Festgenommenen unverzüglich freilassen.“
Amnesty International sieht dringenden Handlungsbedarf für die indonesische Regierung, „um die von der Polizei begangenen Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen und ein Umfeld zu schaffen, in dem LGBTI-Personen und ihre Verbündeten frei von Angst und Schikanen leben können“.
Die männer* Artikelsammlung zur Situation von LGBTIQ* in Indonesien: Link
Die Razzia ist die jüngste einer ganzen Reihe von Razzien gegen sogenannte „schwule Sexpartys“ in Indonesien. Am 24. Mai nahm die Polizei neun Personen nach einer Razzia in einem Hotel in Südjakarta fest. Am 1. Februar wurden bei einer Razzia in einem anderen Hotel in Südjakarta 56 Personen wegen der Teilnahme an einer „Schwulen-Party“ festgenommen.
Grundlage für die Verhaftungen ist das sogenannte Pornografie-Gesetz, ein mehrdeutig formuliertes Gesetz, das häufig missbraucht wird, um LGBTIQ*-Personen gezielt anzugreifen und ihnen das Recht auf Privatsphäre und einvernehmliche Beziehungen zu verweigern. Es stellt Homosexualität zwar nicht explizit unter Strafe, verurteilt aber Handlungen, die sich gegen die Moral der Gesellschaft richten.
Ab 2026 gilt: Kein Sex ohne Ehering
Mit Beginn des kommenden Jahres wird Homosexualität dann allerdings landesweit strafbar. Ab 1. Januar 2026 tritt eine Reform des Strafgesetzbuches in Kraft, welches uneheliche sexuelle Beziehungen komplett verbietet und mit einer Haftstrafe von einem Jahr ahndet (männer* berichtete). Da Schwule und Lesben im Land nicht heiraten dürfen, kommt dies faktisch einem generellen Sexverbot gleich, von dem auch homosexuelle Tourist*innen nicht ausgenommen sind.