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100 Peitschenhiebe drohen einem schwulen Paar in Banda Aceh, der extrem queerfeindlichsten Region in Indonesien. Eine Meute Einheimischer stürmte das Haus des 26-Jährigen und des 34-Jährigen in der Nachbarschaft von Kuta Alam, verschleppte die beiden gewaltsam auf eine Polizeistation schleppt. Nun droht dem Paar Folter – Aktivist*innen fordern: Hört auf mit dem Wahnsinn!
Neue Verletzungen der Menschenrechte in Indonesien: Laut dem Portal AsiaNews soll das Paar innerhalb von 20 Tagen nach der Verhaftung vor einem Koran-Gericht in Provinzhauptstadt angeklagt werden – wegen „illegaler sexueller Orientierung“. Es droht eine öffentliche Auspeitschung.
Das islamische Strafgesetzbuch „Qanun Jinayat“, das in der Provinz gültig ist, sieht für schwule Handlungen außerdem eine maximale Gefängnisstrafe von acht Jahren und eine Geldstrafe von einem Kilogramm Gold vor. Banda Aceh ist die einzige Provinz in Indonesien, in dem die Scharia gilt. Aber es ist leider nicht mehr das einzige Gebiet im Land, in dem Homosexuelle verfolgt und unterdrückt werden.
Human Rights Watch fordert ein Ende der Zustände
Foto: static.kremlin.ru
Joko Widodo
Die Verantwortlichen von Human Rights Watch fordern den indonesischen Präsidenten Jokowi Widodo seit Jahren auf, aufgrund der Menschenrechtsverletzungen in Banda Aceh endlich einzugreifen. In den letzten Jahren war die Entwicklung im Rest Indonesiens im Bezug auf die Rechte der Queercommunity jedoch rückläufig (wir berichteten). Diskriminierung und Repressionen sind an der Tagesordnung, derzeit steht ein Gesetz aus, das schwulen Sex im ganzen Land unter Strafe stellen könnte – LGBTIQ-Aktivist*innen zeigen sich zunehmend besorgt.
Human Rights Watch sieht sich auf der Suche nach Verbündeten, die die Situation kontrollieren können, nun anderweitig um. Der stellvertetende Asien-Direktor der Organisation, Phil Robertson, forderte letzten Monat in einem offenen Brief den japanischen Premierminister Yoshihide Suga auf, bezüglich der Menschenrechtsverletzungen in Vietnam und Indonesien Druck auf die Regierungen auszuüben.
Robertson erklärte, Suga sollte das scharfe Vorgehen Indonesiens gegen Religionsfreiheit, Pressefreiheit, das Recht auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sowie die Rechte der indigenen Völker kritisieren. Japan müsste seinen bedeutenden Einfluss als wichtiger Geldgeber der vietnamesischen und der indonesischen Regierung nutzen.
„Premierminister Suga sollte öffentlich und privat zeigen, dass es Japan mit seinen politischen Erklärungen zur Förderung der Menschenrechte im Ausland ernst meint.“
Update vom 1. Februar 2021
77 Peitschenhiebe – und alle schauen zu
Alle Proteste, Klagen und Bitten blieben umsonst: Am Donnerstag, 28. Januar 2021, wurde das junge Paar öffentlich ausgepeitscht. Jeweils 77 Peitschenhiebe mit einer Peitsche aus festem Rattan mussten die beiden Männer über sich ergehen lassen. Und das nur, weil sie in ihren eigenen vier Wänden eine Beziehung geführt hatten.
Foto: Barnellbe / CC BY-SA 3.0 / wikimedia.org
Foto Gefängnis
Ein Scharia-Gericht verurteilte letzten Monat jeden der Männer zu 80 Peitschenhieben, die jedoch für die im Gefängnis verbrachte Zeit auf 77 reduziert wurden. - Foto: CC BY-SA 3.0, Link
Der Bericht des Nachrichtendienstes CNN Indonesia liest sich grauenvoll. An den Gesichtern der Verurteilten hätte man ablesen können, das sie den Schmerz des Rattans, das auf ihren Rücken landete, nicht ertragen konnten. Der maskierte Scharia-Offizier, der die Schläge ausführte, hörte kurz auf zu peitschen, weil einer der Verurteilten mehrmals gestikuliert hatte, er hielte es nicht mehr aus. Nach der Hälfte der Hiebe durften die beiden etwas Wasser trinken.
„Während des Auspeitschens trat auch medizinisches Personal mehrmals an den Sträfling heran und fragte nach seinem Gesundheitszustand. Nachdem bestätigt wurde, dass sie gesund und fähig waren, wurde das Auspeitschen fortgesetzt.“
Öffentliche Auspeitschungen als Teil der Kultur?
Die Mutter eines der Verurteilten soll ohnmächtig geworden sein beim Anblick ihres gequälten Kindes. Doch die Beamten bestanden darauf, die volle Anzahl der Peitschenhiebe auszuführen. Gegenüber anwesenden Pressevertretern sagte der Beamte der öffentlichen Ordnung, Heru Triwijanarko, laut Presseagentur AFP:
„Die Durchsetzung der islamischen Scharia ist endgültig, egal wer es ist, und selbst Besucher müssen die lokalen Normen respektieren.“
Foto: Screenshot YouTube / Benar News
Auspeitschen schwules Paar Indonesien
Obwohl die Verurteilten Gesichtsmasken trugen, konnte man ihren Schmerz in ihren Augen deutlich erkennen. Die Redaktion hat sich daher entschlossen, keine Videos des grausamen Geschehens zu zeigen.
Vier weitere Personen wurden am selben Tag ausgepeitscht. Zwei Männer, die sich betrunken hatten, mussten je 40 Peitschenhiebe ertragen. Ein Mann und eine Frau, die sich zu nah gekommen waren, wurden laut der BBC zu je 20 Peitschenhieben verurteilt.
Dutzende Menschen, darunter Angehörige, Pressevertreter und medizinisches Personal, waren bei der Ausführung des Urteils anwesend. Allerdings, vermutlich bedingt durch die Coronapandemie, längst nicht so viele wie bei ähnlichen Vorfällen in den vergangenen Jahren.
2017 zeigten Videos einer anderen öffentlichen Auspeitschung zweier schwuler Männer noch lachende Kinder in der großen Menge der Schaulustigen. Öffentliche Auspeitschungen erfreuen sich in Indonesien traditionell großer Beliebtheit. Insgesamt ist dies der dritte Vorfall, bei dem Schwule öffentlich ausgepeitscht wurden, seit 2015 das verschärfte Gesetz in Banda Aceh eingeführt wurde, so die BBC.