Gestern verabschiedete das israelische Parlament, die Knesset, einen Gesetzesentwurf zum generellen Verbot von Konversionsverfahren. In der ersten Lesung wurde der Vorschlag mit 42 zu 36 Stimmen angenommen. Bis der Entwurf zum Gesetz wird, braucht es noch zwei weitere Lesungen. Trotzdem führte das Ergebnis der Abstimmung zu großem Protest aus orthodoxen Kreisen – und gefährdet sogar die derzeit fragile Regierung Israels.
Der Gesetzentwurf zur Abschaffung der menschenfeindlichen Praxis wurde von Nitzan Horowitz eingebracht, dem offen schwulen Führer der linksgerichteten Meretz-Partei. Er verglich Konversionsverfahren mit Mord und erklärte, mit dem Verbot würden Maßnahmen gegen Psychologen eingeführt, die bei Zuwiderhandlung zu fünfjährigem Lizenzentzug, einer Geldstrafe und sogar Gefängnis führen könnten. Nach der Abstimmung der ersten Lesung erklärte Horowitz seine Freude über das Ergebnis. Es sei ein „historischer Moment“. Das sehen allerdings nicht alle so.
Das Thema Konversionsverfahren spaltet das Land. Während Psychiater, Aktivisten und Experten der Praxis erheblich mehr Schaden als Nutzen attestieren, kämpfen konservative und strengreligiöse Kräfte um das Recht, die Verfahren weiter durchführen zu dürfen. Bildungsminister Rafi Peretz wurde letztes Jahr kritisiert, weil er seine Unterstützung für die Praxis andeutete und mehrere Oberrabbiner kämpfen öffentlich für die Verfahren, die sie als eine vermeintliche Chance sehen, um Homosexualität „auszurotten“.
Bringt das Verbot von Konversionsverfahren die ganze Regierung ins Wanken?
Israels Regierung steht derzeit auf wackeligen Beinen. Nachdem 3 Abstimmungen seit April 2019 kein finales Ergebnis brachten und Premierminister Benjamin Netanyahu es nicht schaffte, eine Regierung zu bilden, einigten das Parteienbündnis Blau-Weiß (Kachol Lavan) und Netanyahus Partei Likud sich schließlich auf eine Koalition mit einem historischen Kompromiss: Bis Oktober 2021 ist Netanyahu Premierminister und Benny Gantz sein Vize. Danach tauschen die Männer ihre Rollen.
Dieser politischer Balanceakt gerät nun weiter ins Wanken. Das Thema Konversionsverfahren spaltet die Regierung: Nachdem alle Mitglieder von Blau-Weiß (Kachol Lavan) für das Verbot stimmten und der Rest der Koalition dagegen, erklärte das ultraorthodoxe Parteienbündnis Vereinigtes Thora-Judentum, es werde die fragile Koalition nicht weiter unterstützen und die Zusammenarbeit beenden, berichtet die Jerusalem Post. In den nächsten zwei Lesungen wird sich zeigen, ob die Parteien sich dieser Erpressung beugen.