Tausende Israelis gingen am 5. Juni unter starker Polizeipräsenz auf die Straße, um an der jährlichen Pride-Parade in Jerusalem teilzunehmen – zehn Jahre nach der Ermordung einer Teenagerin durch einen jüdischen Extremisten während derselben Veranstaltung.
Der Marsch schlängelte sich durch das Zentrum Jerusalems, wobei die Teilnehmenden Regenbogenfahnen, Plakate und Luftballons trugen.
„Wir gedenken des 10. Jahrestags der Ermordung von Shira Banki während der Pride... das bedeutet, dass die heutige Pride ihr zu Ehren stattfindet“, sagte Hadass Bloemendal, Vorsitzende des Jerusalem Open House for Pride and Tolerance, gegenüber AFP.
Die tödliche Messerattacke auf die 16-jährige Shira Banki am 30. Juli 2015, bei der sechs weitere Menschen verletzt wurden, veranlasste die Polizei, ihre Überwachung der Pride-Feierlichkeiten in Jerusalem in den folgenden Jahren deutlich zu verstärken. Bankis Mörder war nur wenige Wochen vor dem Angriff aus dem Gefängnis entlassen worden, nachdem er eine Strafe für einen früheren Angriff auf die Parade verbüßt hatte. Später wurde er wegen ihres Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
Nadav Haruvi, Bankis ehemaliger Lehrer, sagte, es sei für ihn besonders wichtig, dieses Jahr dabei zu sein. „Ich komme jedes Jahr hierher, aber dies ist tatsächlich das erste Mal, dass wir als Lehrer der Schule organisiert hierherkommen. Und wir haben verstanden, dass wir nach einem Jahrzehnt eine starke Tradition für zukünftige Generationen von Lehrern schaffen wollen“, so Haruvi.

Foto: Ahmad Gharabli / AFP
Die damals 16-jährige Shira Banki wurde beim Jerusalem Pride 2015 von einem homophoben Extremisten ermordet.
Politikpräsenz beim Jerusalem Pride
Auch der israelische Präsident Isaac Herzog nahm an der Parade teil, wie aus einer Erklärung seines Büros hervorgeht. Damit ist er der erste Präsident, der seit Bankis Ermordung an der Veranstaltung teilnimmt. An der Stelle, an der Banki getötet wurde, hielt Herzog eine kurze Ansprache.
„Wir sind hierhergekommen, um zu gedenken und zu erinnern, um das Andenken an ein wunderschönes junges israelisches Mädchen zu ehren, das gekommen war, um Gutes zu tun, Shira Banki, seligen Angedenkens, die vor zehn Jahren hier ermordet wurde.“ Ihr einziges Ziel sei es gewesen, „Gutes zu tun und Licht in die Welt zu bringen“, so Herzog weiter.
„Wir müssen uns ein klares und unmissverständliches soziales Prinzip bewusst machen: Gewalt hat unter keinen Umständen Platz. Mit Gewalt gibt es keinen Dialog. Wir werden Gewalt in unserer Gesellschaft nicht akzeptieren.“
Auch Oppositionsführer Yair Lapid schloss sich am Donnerstag den Demonstrierenden an. Er erklärte gegenüber Journalist*innen: „Das liberale Israel ist hier und wird bleiben, und wir stehen unseren Freunden in der LGBTIQ*-Community zur Seite und marschieren gemeinsam für die Rechte aller.“

Foto: Ahmad Gharabli / AFP
Ein Teilnehmer der Parade posiert mit einem Schild, das Israels rechtsextremen Nationalen Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir verspottet.
Gegenproteste
Seit 2002 findet in der Stadt jährlich eine Pride-Parade statt, die oft von Gegenprotesten rechtsextremer, religiöser Gruppen begleitet wird. Auch in diesem Jahr erhielt eine kleine Gruppe von Anti-LGBT-Gegendemonstranten die Erlaubnis, sich in einem abgegrenzten Bereich in der Nähe zu versammeln.
Israel hat eine große und einflussreiche LGBTIQ*-Community, obwohl Homosexualität von konservativen religiösen Parteien abgelehnt wird. Israel registriert zwar keine gleichgeschlechtlichen Ehen, erkennt jedoch solche an, die im Ausland geschlossen wurden. *AFP/sah

Foto: Ahmad Gharabli / AFP
Rechtsgerichtete Demonstranten der rechtsextremen jüdischen Gruppe „Lehava“ (Flamme) versammeln sich am 5. Juni in Jerusalem, um gegen den Jerusalem Pride zu protestieren.