Das Ministerium für Handel und Industrie des Landes teilte auf Twitter mit, dass es „Inspektionskampagnen“ in mehreren Einzelhandelsgeschäften in verschiedenen Regionen durchführte und Spielzeug beschlagnahmen ließ, weil es Slogans oder Darstellungen enthielt, die gegen islamische Werte verstoßen. Dem Post war ein Bild beigefügt, das Spielzeug in Regenbogenfarben zeigte und damit an die LGBTIQ*-Flagge erinnerte. Und das, obwohl die Verantwortlichen für die WM 2022 in den letzten Monaten alles versuchten, um die Meinung der Öffentlichkeit im Vorfeld des Großevents zu verändern.
Zuvor hatten die Politiker die Bürger des Landes dazu aufgefordert, jedes Produkt zu melden, das „Logos oder Designs trägt, die unseren Traditionen widersprechen“. Die Razzien revidieren das Bild, das Katar in den letzten Monaten darstellen wollte – angesichts der Fußball-WM 2022, die bereits seit Jahren ihre Schatten voraus wirft.
Letztes Jahr versicherte Katars WM-Führungsteam der FIFA, dass es bei der WM 2022 Pride-Fahnen und Pro-LGBTIQ*-Displays zulassen werde (wir berichteten). Der Chef des Teams sagte damals, Katar sei ein konservatives Land, das aber auch Verständnis für Unterschiede in den Kulturen sowie die Überzeugungen der Menschen habe.
Im Dezember 2021 wiederholte Nasser Al Khater, der Vorsitzende des WM-Organisationskomitees in Doha, diese Aussagen. In einem Exklusiv-Interview mit CNN Sport nahm er Stellung zu der Kritik gegen Katars schlechte Menschenrechtsbilanz. Er betonte, jeder sei in Katar willkommen, auch Homosexuelle (wir berichteten) – er verteidigte jedoch im selben Interview die Politik des Landes, in dem Homosexualität illegal ist und mit Gefängnis oder gar der Todesstrafe geahndet werden könnte.
Sportler uneins über Umgang mit Menschenrechtsverletzungen
Nachdem das Land 2010 den Zuschlag für die Austragung der WM 2022 erhielt, rückte die Bilanz des Landes in Bezug auf Menschenrechte und den Stand der LGBTIQ*-Community in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Einerseits eine gute Entwicklung. So vertritt auch Formel-1-Champion Lewis Hamilton die Auffassung, dass man die Aufmerksamkeit durch Sportereignisse nutzen sollte, um auf Missstände vor Ort aufmerksam zu machen. Er setzte beim ersten Grand Prix in Katar im November ein Zeichen der Solidarität und bescherte dem Thema mit einem eigens für das Rennen designten Pride-Helm große mediale Aufmerksamkeit (wir berichteten).
Foto: Florent Gooden / DPPI / AFP
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Lewis Hamilton lenkte mithilfe seines Pride-Helms die mediale Aufmerksamkeit vom Motorsport hin zu Menschenrechten
Anders äußerten sich zu diesem Thema die beiden offen schwulen Sportstars Josh Cavallo und Tom Daley. Der australische Fußballer Cavallo zeigte sich im November dieses Jahres besorgt. Falls Australien sich für die WM qualifiziere, würde er um seine Sicherheit fürchten, so der 22-Jährige Nationalspieler (wir berichteten). Immerhin könne in Katar die Todesstrafe für Homosexuelle verhängt werden.
„Zu wissen, dass dies in einem Land ist, das Schwule nicht unterstützt und uns in Lebensgefahr bringt, das macht mir Angst und lässt mich die Frage neu bewerten, was mir wichtiger ist – mein Leben oder in meine Karriere?“
Der britische Profitaucher und Queeraktivist Tom Daley kritisierte mehrfach offen, dass immer wieder Spitzensportveranstaltungen in notorisch homophoben Ländern ausgetragen werden. Katar bezeichnete er als das „zweitgefährlichste Land für queere Menschen“ weltweit. Außerdem forderte der diesjährige Olympiasieger, dass Länder, in denen auf LGBT+ die Todesstrafe steht, von der Teilnahme an den Olympischen Spielen ausgeschlossen werden sollten (wir berichteten).