In Kuba hat die Volksbefragung über das neue Familiengesetz begonnen. Bis 30. April können Bürger*innen über den Entwurf beraten und Änderungswünsche einreichen, danach soll das Gesetz, das vom Parlament bereits verabschiedet wurde, durch ein Referendum angenommen werden. Revolutionär: Das Gesetz beinhaltet auch die Ehe für alle und ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare.
Foto: Yamil Lage / AFP
Schon 2010 wurde durch die Initiative von Theater- und Schwulenikone Corny Littmann der Kampf um Gleichberechtigung auf Kuba in Deutschland mediales Thema. Im Mittelpunkt: Mariela Castro Espin, Psychologin, Tochter von Raul Castro und Nichte von Fidel ist in ihrer Funktion als Direktorin des Nationalen Zentrums für sexuelle Aufklärung (CENESEX) eine der lautesten Befürworterinnenm queerer Rechte. Das Foto zeigt sie beim IDAHOBIT 2018 in Havanna.
Das kubanische Familiengesetzbuch stammt aus dem Jahr 1975. Im Mai 2021 hatte Präsident Miguel Díaz-Canel angekündigt, den Text von einer Kommission aus 30 Expert*innen überarbeiten zu lassen, am 15. September wurde der Entwurf mit mehr als 480 Artikel vorgestellt. Nun ist das Volk an der Reihe: Bis 30. April können Bürger*innen darüber beraten und Änderungen einreichen. 78.000 öffentliche Versammlungen sind dafür vorgesehen, da wegen der Corona-Pandemie nur jeweils 150 Menschen teilnehmen dürfen. Auch Kubaner*innen, die im Ausland leben, sind zur Teilnahme eingeladen, unter anderem in Botschaften und Konsulaten oder via Internet.
Miguel Díaz-Canel schrieb auf Twitter, er lade alle ein, „sich bewusst an dieser Übung der Demokratie zu beteiligen, um das Projekt mit dem Beitrag aller zu bereichern“.
Ehe für alle über Umwege
Bereits 2019 hatte die Regierung einen Versuch unternommen, die Ehe für alle gesetzlich abzusichern. Damals sollte Artikel 68 der Verfassung dahingehend geändert werden, dass die Ehe nicht mehr als „Bund zwischen Mann und Frau“, sondern als „freiwillig geschlossener Bund zwischen zwei Personen“ definiert wird (männer* berichtete). Nach massiven Protesten gegen eine Verfassungsänderung zugunsten der Ehe für alle machte die Nationalversammlung Zugeständnisse und nahm im letzten Moment davon Abstand (männer* berichtete).
Präsident Miguel Díaz-Canel, der als Fürsprecher der Community gilt, startete einen neuen Versuch, indem er die Gleichstellung der Ehe in das neue Familiengesetzbuch einbettete – nicht über die Homo-Ehe sollte entschieden werden, sondern über „die Frage der Familie“. Adiel González Maimó, ein bekannter kubanischer LGBTIQ*-Aktivist, ist über diese Strategie hocherfreut. In einem Gespräch mit Tremenda Nota sagte er, der Familienkodex sei „ein Projekt, das über die Erwartungen hinausgeht, die wir von der Regierung hatten“.
„Wir haben nie geglaubt, dass es wirklich die Forderungen vertreten kann, die wir seit Jahren stellen.“
Mit Protesten gegen das Familiengesetzbuch muss trotzdem gerechnet werden, nicht nur aus dem konservativen religiösen Lager. Denn, so Maimó, „die Nichtaufnahme der Ehe für alle in die Verfassung 2019 war nicht nur auf die Kampagnen der fundamentalistischen Kirchen zurückzuführen, obwohl dies ein wichtiger Faktor war“. Das größte Übel stelle das Heteropatriarchat dar, das in der kubanischen Gesellschaft trotz aller erzielten Fortschritte der letzten Jahrzehnte fortbestehe. Dieses Übel
„war in den öffentlichen Debatten um die Verfassung und den damaligen Artikel 68 sehr präsent, und es ist kein Geheimnis, dass es innerhalb der Führung des kubanischen Staates und der Regierung, in der Kommunistischen Partei selbst und sogar in der Nationalversammlung der Volksmacht Widerstand gab“.