Brasiliens LGBTIQ*-Community wird durch eine Reihe von Morden auf schwule Männer erschüttert, die ihre Angreifer über Dating-Apps kennengelernt hatten. Laut Reuters wurden seit März mindestens fünf Menschen getötet. Dutzende weitere wurden Opfer bewaffneter Raubüberfälle.
Eines der jüngsten Mordopfer ist Leo Nunes. Am 12. Juni, dem brasilianischen Tag der Liebenden, wartete der 24-Jährige in São Paulo auf einen Mann, den er über die Dating-App Hornet kennengelernt hatte. Die beiden hatten Nachrichten ausgetauscht und sich zu einem persönlichen Treffen verabredet. „[E]ine Überwachungskamera zeichnete den Moment auf, als zwei Männer auf einem Motorrad in der Gasse auftauchten, wo [Nunes] wartete, ihm sein Telefon wegnahmen und ihn erschossen“, berichtet Reuters. Laut Nunes‘ Familie ist ein Verdächtiger festgenommen worden.
Ein anderer Mann, der nur Gabriel genannt werden möchte, wurde im März in der Nähe des Ortes, an dem Nunes später getötet wurde, Opfer eines Raubüberfalls. Gabriel erzählte dem Nachrichtendienst, auch er habe auf ein Hornet-Date gewartet, das sich als Falle herausstellte. „Ein Mann hielt mir eine Waffe an den Bauch und fragte mich nach dem Passwort meines Telefons“, sagte Gabriel. Er wurde ausgeraubt, kam glücklicherweise mit dem Leben davon. Die Angreifer nutzten die Informationen, um Gabriels Bankkonto zu plündern und seine Kreditkarte bis zum Limit zu belasten.
Zahlreiche andere Männer hätten ähnliche Verbrechen gemeldet, die über dasselbe gefälschte Profil auf Hornet abgewickelt worden seien, sagte Gabriel weiter. Das Profil sei mehrere Wochen lang auf der Website geblieben, und sei selbst dann noch online gewesen, nachdem er Hornet in Kenntnis gesetzt hatte. „Eine Untersuchung hätte auch schon vor Leos Fall stattfinden können. Es hätte nicht erst hierher kommen müssen“, sagte Gabriel.
Vertreter von Hornet sagten, dass Mitarbeiter alle Missbrauchsmeldungen prüfen und das Unternehmen das mit dieser Aufgabe betraute Team aufgestockt habe. Ein Sprecher von Grindr erklärte, die App enthalte Sicherheitsfunktionen und das Unternehmen arbeite mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen, um Missbrauch zu bekämpfen.
Strukturelle Homophobie verhindert Aufklärung
Brasilien hat eine große und aktive LGBTIQ*-Community, aber viele fürchten Misshandlungen durch die Polizei, was sie zu Zielen für Kriminelle macht. „Aufgrund der strukturellen Homophobie wissen Kriminelle, dass LGBT-Menschen verwundbar sind. Sie wissen, dass sie leichter eingeschüchtert werden können“, sagte Anwalt Wanderley Montanholi gegenüber Reuters.
Montanholi vertritt die Familie von Heleno Veggi Dumba, einem schwulen Arzt, der im April in São Paulo getötet wurde. Auch er hatte über eine Dating-App ein Treffen mit einem Mann vereinbart, traf aber stattdessen auf eine Gruppe Krimineller, die ihn ausrauben wollten und ihm in den Kopf schossen. Drei Personen wurden festgenommen, teilte die Polizei mit.
Nunes‘ Eltern sehen in dem Mord an ihrem Sohn klar ein homophobes Hassverbrechen. Doch obwohlcdas brasilianische Gesetz derartige Verbrechen anerkennt, vermeiden es Polizei und Richter oft, diese Vorfälle als homophob zu bezeichnen. Dies und die gesellschaftliche Homophobie im Allgemeinen führen dazu, dass Überlebende dieser Verbrechen nur ungern Anzeige erstatten, sagen Anwälte.
„Sie haben große Angst davor, Anzeigen zu erstatten, weil es ihr Leben beeinträchtigen könnte“, sagte Anwältin Vanessa Vieira gegenüber Reuters.