Boris Johnson empfing diese Woche den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán – eine außenpolitische Entscheidung, die angesichts der schlechten Menschenrechtsbilanz des Ungarn zu großer Kritik an Johnson führte. Der versuchte daraufhin, dies wettzumachen, indem er Orbáns gegenüber dessen queer- und islamfeindlichen Aussagen und Handlungen verurteilte. Das Treffen sorgte dennoch für neue Fragen, in welche Richtung sich das Ex-EU-Mitglied künftig orientiert.
Johnsons Entscheidung, sich mit Orbán zu treffen, hat in der britischen Opposition sowie unter Menschenrechtsaktivist*innen zu Kritik und Besorgnis geführt. Budapest Pride rief die Community und ihre Verbündete in einem offenen Brief dazu auf, den Premierminister zu drängen, Orbán herauszufordern. Man müsse Johnson öffentlich fragen, ob er die Unterdrückung ungarischer LGBTQ*-Personen während des Treffens zur Sprache gebracht hat. Falls nicht, so solle er aufgefordert werden, keine feierlichen Tweets über den Pride Month in seinen sozialen Medien zu posten, so der Verein.
„Boris Johnson muss daran erinnert werden, dass er nicht den Pride Month feiern kann, während er sich gleichzeitig mit den homophobsten Führern Europas anfreundet.“
Downing Street verteidigte die Einladung angesichts der Kritik im Vorfeld des Treffens erneut. Am Donnerstag, 27. Mai, entgegnete ein Sprecher Johnsons auf die Frage nach dem Staatsbesuch, dass die Verhandlungen mit dem rechtsgerichteten Autokraten „entscheidend für den Wohlstand und die Sicherheit des Vereinigten Königreichs“ seien. Es hieß weiter, die Gespräche seien dazu gedacht, die Interessen Großbritanniens in der Region zu fördern.
Während Johnsons Minister ihn verteidigten und erklärten, es sei ein richtiger Schritt, nach dem Brexit neue Beziehungen aufzubauen, gab es große Kritik seitens der Labour-Partei. Abgeordnete warfen der Regierung vor, dass sie durch eine enge Verbindung zu Orbán Werte verraten würde, die zu schützen sie eigentlich versprochen habe. Auch der Zeitpunkt gilt als umstritten: Seit dem Brexit ist Orbán erst der zweite Regierungschef, den Johnson empfängt – und ausgerechnet jemand, der immer wieder seitens der EU scharf kritisiert wird.
Orbáns schlechte Menschenrechtsbilanz
Die Menschenrechtsbilanz des ungarischen Regierungsoberhauptes ist schlecht: Angesichts einer rechtspopulistischen Stimmungsmache gegen queere Menschen, die in einer regelrechten Hetzkampagne endete, sowie diversen Gesetzen, die LGBTIQ*s ihre Menschenrechte aberkennen, verlassen immer mehr queere Bürger das Land.
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Viktor Orban
Foto: Flickr User European People's Party Lizenz Creative Commons CC BY 2.0
Eine von Orbán und seiner rechtspopulistischen Partei Fidesz initiierte Welle von diskriminierenden, homophoben und transphoben neuen Gesetzen hat dazu geführt, dass Transgender- und intersexuelle Menschen rechtlich ausgelöscht sowie gleichgeschlechtliche Adoptionen verboten sind und die Verfassung so geändert wurde, dass eine Mutter nun als weiblich und ein Vater als männlich definiert ist. Hinzu kommt unter anderem, dass das ungarische Regierungsoberhaupt in der Vergangenheit auch immer wieder durch seine islam- und flüchtlingsfeindlichen Aussagen auffiel – so bezeichnete er beispielsweise Migrant*innen als „Gift“ und sprach von „muslimischen Invasionen“.
Ziemlich beste Freunde – trotz Kritik von Johnson
Downing Street versprach im Vorfeld, dass der Premierminister nicht davor zurückschrecken würde, Menschenrechtsfragen mit dem ungarischen Premierminister zu diskutieren.
„Bei allen Menschenrechtsfragen scheuen wir uns nicht, sie anzusprechen. Der Premierminister hat diese spezifischen Kommentare verurteilt, die spaltend und falsch waren.“
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Boris Johnson
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Nach dem Treffen am Freitag gab sein Sprecher dann auch stolz bekannt: Ja, Johnson hat wirklich „erhebliche Besorgnis“ über die Menschenrechtslage in Ungarn zum Ausdruck gebracht. Unter anderem habe er LGBTIQ-Rechte und die Gleichberechtigung von Frauen und Männern angesprochen. Auch die Pressefreiheit und diverse außenpolitische Themen seien zur Sprache gekommen. In welchem Ausmaß dies geschah, ist nicht bekannt.
Große Diskrepanzen scheinen die beiden jedoch nicht gefunden zu haben: Die beiden sollen über eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Ländern beraten haben. Ungarn übernimmt im Juli die Leitung der mittelosteuropäischen Visegrád-Gruppe, zu der auch Polen, Tschechien und die Slowakei gehören. Johnson gab bekannt, er freue sich darauf, mit der Gruppe künftig enger zusammenzuarbeiten.