Das US-amerikanische Gesundheitsministerium steht kurz vor dem Abschluss einer seit langem geplanten Neufassung des Abschnitts 1557 von Obamacare, der die Diskriminierung im Gesundheitswesen aufgrund des Geschlechts oder der Geschlechtsidentität ausgeschlossen hatte.
Inmitten der größten Gesundheitskrise der USA seit dem Zweiten Weltkrieg – die Zahlen der Toten aufgrund der COVID-19-Pandemie schnellen in die Höhe und sind mittlerweile bei 63.000 angekommen – kümmert sich die Trump-Regierung lieber darum, die Neufassung einer Bestimmung in Abschnitt 1557 des Affordable Care Acts (ACA oder Obamacare) voranzutreiben.
Schwangerschaftsabrüche und Trans* im Fokus
Es war eines der zentralen Wahlkampfversprechen von Präsident Trump, den erst 2010 verabschiedeten ACA aufzuheben und zu ersetzen, insbesondere jenen Abschnitt, der die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der Geschlechtsidentität im Gesundheitswesen verbot (wir berichteten).
Vergangenen Donnerstag war es dann soweit - das Department of Health and Human Services (Ministerium für Gesundheit und menschliche Dienste, HHS) ließ die vorgeschlagene Neufassung der Regelung im Justizministerium (Department of Justice, DOJ) verteilen. Erfahrungsgemäß ist das einer der letzten Schritte auf dem Weg zur öffentlichen Freigabe neuer Regelungungen. Auch das Weiße Haus aktualisierte am Freitagmorgen seine Webseite und teilte mit, dass die Überprüfung der Vorschrift nach nunmehr 9 Monaten abgeschlossen ist.
Gesundheitsexpert*innen alarmiert
Gesundheitsexperten sind alarmiert und warnen davor, der regulatorische Rollback würde es Krankenhäusern und Gesundheitspersonal leichter machen, Patienten aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung zu diskriminieren. Das könnte schutzbedürftigen Menschen während einer Pandemie schaden, sagte Katie Keith, Professorin an der Georgetown University:
„Wenn die endgültige Regel der vorgeschlagenen Regel entspricht, nimmt HHS Änderungen an, die in den besten Zeiten schädlich wären, aber besonders grausam inmitten einer globalen Pandemie sind, die gefährdete Gemeinschaften überproportional betrifft und die Unterschiede verschärft.“
Hintergrund Obamacare Abschnitt 1557
Als Reaktion auf Gesundheitsexperten, die kritisierten, dass LGBTIQ*-Patienten sehr oft von der notwendigen Pflege ausgeschlossen werden oder aber eingeschüchtert werden, sodass sie sich nicht trauen, sie in Anspruch zu nehmen, bemühte sich die Obama-Regierung um einen gesetzlich verankerten Schutz vor Diskriminierung. Am 23. März 2010, der Tag, an dem der ACA unterschrieben wurde, trat auch Abschnitt 1557 in Kraft.
Mit Abschnitt 1557 wurde allen Gesundheitsprogrammen oder Einrichtungen, die Bundesmittel erhalten, per Gesetz verboten, Patient*innen aufgrund von Rasse, Hautfarbe, nationaler Herkunft, Alter, Behinderung oder Geschlecht zu diskriminieren. Der Abschnitt beinhaltete zum ersten Mal auch den spezifischen Schutz für Transgender-Personen sowie einen erweiterten Schutz für Frauen, die Abtreibungen hatten.
Nachdem eine religiöse Gruppen geklagt hatte, blockierte ein Bundesrichter im Jahr 2016 Abschnitt 1557 und damit die wichtigste Nichtdiskriminierungsbestimmung des ACA. Seitdem arbeitet die Trump-Regierung kontinuierlich daran, die Regelung zu schwächen.
Foto: Elvert Barnes/CC BY-SA 2.0/wikimedia.org
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Am 17. Dezember 2018 erließ Richter Reed O'Connor vom Northern District of Texas einen Beschluss zur Wiederaufnahme des Rechtsstreits über Abschnitt 1557. Die Entscheidung über die Frage, ob Abschnitt 1557 Transgender-Personen und Frauen, die eine Schwangerschaft beendet haben, schützt, sollte aber bis zur Veröffentlichung einer überarbeiteten Regel zu Abschnitt 1557 eingestellt werden.
17 Monate später, am 23. April 2020, kam die Abteilung zu dem Schluss, dass die Bestimmung in Abschnitt 1557 ihre Befugnisse überschreitet, Bürgerrechtsgesetze fehlerhaft und inkonsistent interpretiert, Verwirrung stiftet und ungerechtfertigte und unnötige Kosten verursacht. Darüber hinaus heißt es in dem Papier, dass die „Verbote der Diskriminierung aufgrund der geschlechtlichen Identität und [...] des Schwangerschaftsabbruchs nach dem APA [Administrative Procedure Act, dt.: Verwaltungsverfahrensgesetz] inhaltlich ungesetzlich“ sind.