Sie zerstörten Büromöbel, beschmierten Wände, wurden sogar handgreiflich: Am 30. Oktober stürmte eine Gruppe queerfeindlicher Randalierer in Bulgariens Hauptstadt Sofia das LGBTQ+-Zentrum „Rainbow Hub“. Eine Aktivist*in wurde ins Gesicht geschlagen, die versammelten Queers in Angst und Schrecken versetzt. Nun wurde bekannt: Ein nationalistischer Präsidentschaftskandidat soll dafür mitverantwortlich sein. Er wurde festgenommen.
Bojan Stankow, in der Öffentlichkeit als Bojan Rasate bekannt, ist freier Kandidat bei den Wahlen am 14. November und bewirbt sich damit für das Amt des Präsidenten. Diese Woche gaben bulgarische Ermittler bekannt, dass der 50-Jährige festgenommen wurde. Die bulgarische Staatsanwaltschaft hat bereits Anklage erhoben. Der Vorwurf: Stankow soll an dem brutalen Angriff auf ein LGBTQ*-Zentrum beteiligt gewesen sein. Die Anklage lautet auf „grobe Verletzungen der öffentlichen Ordnung“ sowie „Körperverletzung aus rowdymäßigen, rassistischen oder xenophoben Motiven“. Auf beide Anklagepunkte droht in Bulgarien eine Haftstrafe. Seine Immunität als Präsidentschaftskandidat wurde dem 50-Jährigen inzwischen entzogen.
Stankow ist in Bulgarien kein Unbekannter: Er leitete und gründete die ultranationalistische Gruppierung „Bulgarisches Nationales Bündnis ‚Edelweiß‘ “, bezeichnet sich selbst als Nationalsozialist und hetzt immer wieder offen gegen Queers und Migrant*innen. Trotz seiner Eskapaden geben bulgarische Medien ihm immer wieder Möglichkeiten, seine volksverhetzenden Ansichten in Talkshows zu vertreten. Am Montag nach der Attacke endete ein Auftritt beim Sender Nova TV schließlich mit seinem Rauswurf, weil er sich weigerte, Fragen zu einer möglichen Beteiligung an dem queerfeindlichen Angriff zu beantworten. Er erklärte lediglich, die queere Organisation hätte mit so einer Aktion „rechnen müssen“.
Angriff auf queeres Zentrum sorgte für Entsetzen
Auf den Bildern kann man das Ausmaß der Zerstörung erkennen: Regale, Tische, Stühle und Pflanzen wurden umgeworfen, Wände beschmiert, Ordner zerstört. Papier liegt zerstreut auf dem Boden. Das queere Gemeindezentrum Rainbow Hub, betrieben von der Bilitis Foundation, wurde komplett verwüstet. Die Tat vom vergangenen Samstag hatte in Bulgarien und auch international für Wut und große Anteilnahme gesorgt, nachdem die Aktivist*innen den Vorfall auf Facebook bekanntgemacht hatten:
„Heute Abend gegen 18 Uhr stürmte eine Gruppe von etwa 10 Männern das LGBTI-Gemeinschaftszentrum Rainbow Hub während der Veranstaltung 'Community Encounter with Melissa and Emily'. Sie schlugen Gloria Filipova, eine Aktivistin der Bilitis Foundation, und zerstörten Geräte und Möbel in den Räumlichkeiten.“
Filipova hatte anschließend in bulgarischen Medien erklärt: Ihr Angreifer war Rasate höchstpersönlich! Sie hätte noch versucht, die Vandalen aufzuhalten und daran zu hindern, den Raum zu betreten. Daraufhin habe der Politiker ihr ins Gesicht geschlagen – außerdem sei er mit einem Messer bewaffnet gewesen. Bei einem im Haus geparkten Roller seien zudem die Reifen zerstochen worden, so die Aktivistin.
Foto: Nikolay Doychinov / AFP
Demonstranten während einer Demonstration vor dem Gerichtsgebäude von Sofia
Am Montag besuchten Botschafter aus elf Ländern das Zentrum und versicherten die queere Community des Landes ihrer Solidarität. Amnesty International verurteilte den Angriff ebenso wie der Menschenrechtskommissar des Europarats. Hassverbrechen sind in dem südosteuropäischen Land kein eigener Straftatbestand. Taten, die in diese Kategorie fallen, werden lediglich als „Randale“ verfolgt. Menschenrechtsorganisationen wollen dies ändern. Zufall? Nur zehn Tage vor dem Angriff hatte die queere Organisation eine Petition mit 8.000 Stimmen eingereicht, in der sie forderte, dass Anti-LGBTI-Hassverbrechen auch als solche anerkannt werden. *AFP/lm