Mit dem Erlöschen des olympischen Feuers gingen gestern im japanischen Nationalstadion in Tokio die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio zu Ende. Sie haben alle Rekorde gebrochen, wenn es um die Repräsentanz der queeren Community geht und dürften als als „Regenbogenolympia“ in die LGBTIQ*-Geschichte eingehen.
Mindestens 182 offen schwule, lesbische, bisexuelle, trans*, queere und nicht-binäre Sportler*innen waren bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio mit dabei – dreimal so viele wie bei den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro.
„Team - LGBTIQ*“ im Nationen-Ranking
Für die Vereinigten Staaten gingen in Tokio 36 nicht-heteronormative Athlet*innen an den Start, gefolgt von Brasilien (18), Kanada (18), Niederlande (17), Großbritannien (16), Australien (13) und Neuseeland (10). Die Zahlen beinhalten auch Reserveathlet*innen, die mit dem Team trainiert haben und nach Tokio reisten. Mindestens 55 dieser Sportler*innen, die in 35 verschiedenen Sportarten antraten, haben Medaillen gewonnen
Wären die queeren Olympionik*innen, von Outsports liebevoll „Team - LGBTQ“ genannt, als eigenständige Nation angetreten, hätten sie mit 32 Mannschafts- und Einzelmedaillen (11 Gold, 12 Silber und 9 Bronze) Rang 11 im Gesamtmedaillenspiegel eingenommen (direkt hinter Frankreich und noch vor Kanada).
Unsere Goldqueers
Gold holten sich die brasilianische Schwimmerin Ana Marcela Cunha im 10-Kilometer-Rennen; die französische Kampfkünstlerin Amandine Buchard im Mixed Team Judo; der venezolanische Leichtathlet Yulimar Rojas im Dreisprung; die irische Boxerin Kelly Harrington; die neuseeländische Rudererin Emma Twigg; Sue Bird, Chelsea Gray, Brittney Griner, Breanna Stewart und Diana Taurasi vom US-Frauen-Basketballteam; die amerikanische 3x3-Basketballspielerin Stefanie Dolson; die Spieler*innen Quinn, Kadeisha Buchanan, Erin McLeod, Kailen Sheridan und Stephanie Labbe des kanadischen Frauenfußballteams; die französischen Handballspielerinnen Amandine Leynaud und Alexandra Lacrabère; die Neuseeländerinnen Gayle Broughton, Ruby Tui, Kelly Brazier und Portia Woodman im Rugby und natürlich der britische Wasserspringer Tom Daley, der bei seinen vierten Spielen Gold im Synchronspringen mit nach Hause nahm (wir berichteten).
Foto: Oli Scarff / AFP
Tom Daley
Ein sichtlich gerührter Tom Daley nach dem Sieg im Synchronspringen.
Lesbische Sichtbarkeit
Insgesamt waren Lesben den Schwulen zahlenmäßig im Verhältnis 9:1 haushoch überlegen und zeigten der Welt frauenliebende Frauenpower mit ganz viel Herz. So ging Silber unter anderem an die Federgewichtsboxerin Nesthy Petecio, die nach Siegerehrung gegenüber der Presse sagte, sie habe auch für die LGBTIQ*-Community gekämpft. „Ich bin stolz, Teil der LGBTQ-Community zu sein“, so Petecio. Vom philippinischen Olympische Komitee wurde die Silbermedaillengewinnerin sogar zur Fahnenträgerin für die Abschlusszeremonie ausgewählt.
Für Schlagzeilen sorgte auch die Silbermedaille im Zweiervierer der Frauen. Die polnische Ruderin Katarzyna Zillman bedankte sich nach der Siegerehrung öffentlich bei ihrer Freundin und sorgte mit diesem Coming-out im polnischen Fernsehen für Aufsehen und einige Unruhe (wir berichteten).
Berührend war auch der Auftritt der italienischen Bogenschützin Lucilla Boari. Nachdem sie die Amerikanerin Mackenzie Brown mit 7:1 besiegte, gewann Boari eine Bronzemedaille. Während eines Interviews mit ANSA.it, das live auf Facebook übertragen wurde, erhielt Boari eine Videobotschaft von der niederländischen Bogenschützin Sanne de Laat, die selbst nicht an den Spielen teilnahm. „Es ist super, super, super, unglaublich und ich bin super stolz auf dich“, gratulierte de Laat Boari.
„Ich kann es kaum erwarten, bis du hier bist, damit ich dich umarmen kann. Ich liebe dich so sehr. Gut gemacht.“
Boari, sichtlich bewegt von der Nachricht, erklärte dem Reporter unter Tränen: „Das ist Sanne, meine Freundin“.
Erste offen trans* Athlet*innen in Tokio
Obwohl schon seit 2004 erlaubt, traten in Tokio zum ersten Mal mehrere trans* Athlet*innen bei Olympia an, darunter die neuseeländische Gewichtheberin Laurel Hubbard, die nach drei ungültigen Versuchen leider Letzte wurde, und die Kanadierin Quinn. Nach Bronze in Rio 2016, wo Quinn noch ungeoutet an den Start ging, gingen die Mittelfeldspieler*in und deren Mannschaft diesmal endlich mit einer Goldmedaille im Frauenfußball nach Hause.
Quinn verwendet die Pronomen they/them. Deren Vornamen haben sie abgelegt, um nicht mit dem falschen Geschlecht angesprochen zu werden. Am 22. Juli schrieb Quinn auf Instagram, sie seien traurig, dass „es Olympioniken vor mir gab, die wegen der Welt nicht in der Lage waren, ihre Wahrheit zu leben“.
Ich bin stolz, wenn ich "Quinn" auf der Startliste und auf meiner Akkreditierung sehe.
Ich bin traurig, weil ich weiß, dass es vor mir schon Olympioniken gab, die wegen der Welt nicht in der Lage waren, ihre Wahrheit zu leben.
Ich fühle mich optimistisch für Veränderungen. Veränderungen in der Legislative. Veränderungen in den Regeln, Strukturen und Mentalitäten.
Vor allem aber bin ich mir der Realitäten bewusst. Trans-Mädchen werden aus dem Sport verbannt. Trans-Frauen, die mit Diskriminierung und Vorurteilen konfrontiert sind, während sie versuchen, ihre olympischen Träume zu verfolgen. Der Kampf ist noch lange nicht zu Ende... und ich werde feiern, wenn wir alle hier sind.
„ ... dass wir alles erreichen können, was wir uns vorgenommen haben.“
„Als offen schwuler Athlet an den Olympischen Spielen teilzunehmen, ist echt super“, sagte der kanadische Schwimmer Markus Thormeyer gegenüber Outsports. Thormeyer, der auch schon an den Olympischen Spielen 2016 in Rio teilnahm, hatte sein Coming-out 2020. In einem Artikel für Outsports machte er damals öffentlich, dass er schwul ist (wir berichteten).
„Als mein authentischstes Ich bei den größten internationalen Multisport-Spielen mit den Besten der Welt konkurrieren zu können, zeigt, wie weit wir bei der Inklusion im Sport gekommen sind. Ich hoffe, dass ich durch die Teilnahme an diesen Spielen der LGBTQ-Community zeigen kann, dass wir dazugehören und dass wir alles erreichen können, was wir uns vorgenommen haben.“