Ob Geschichte, Rassismus, Sexualität oder Corona-Masken: Schulen sind in den USA zunehmend Schauplatz politisch aufgeladener Kulturkämpfe. Derzeit tobt eine heftige Debatte über die Frage, wie Lehrer über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sprechen.
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Floridas Gouverneur Ron DeSantis debattiert den Einsatz von experimentellen SARS-CoV-2-Therapien. Auch frühe Aufklärung und Sichtbarkeit von LGBTIQ* rettet Leben, wie Studien über mentale Gesundheit bei Jugendlichen immer wieder eindrücklich belegen.
Im konservativ regierten Bundesstaat Florida ist ein Gesetz in Vorbereitung, das solche Themen aus Grundschulen verbannt und die Behandlung auch im Unterricht mit älteren Schülern einschränkt. Gouverneur Ron DeSantis hat bereits signalisiert, dass er das Gesetz nach einer Verabschiedung durch das Parlament des Bundesstaates unterzeichnen würde. Vertreter der LGBTIQ*-Gemeinschaft sind entsetzt und haben dem Gesetz bereits den Namen „Don’t Say Gay“ - etwa: Sag nicht schwul - verpasst. In dem Gesetzentwurf heißt es:
„Ein Schulbezirk darf keine Diskussionen im Klassenzimmer über sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität in Grundschulklassen oder in einer Art ermutigen, die nicht dem Alter oder der Entwicklung von Schülern angemessen ist.“
Eltern können ansonsten die Schulen verklagen. Die Republikaner erklären, sie wollten Kinder vor unangemessenen Themen schützen – und die Rechte von Eltern stärken. Doch Brandon Wolf von der Nichtregierungsorganisation Equality Florida warnt, genau so eine Denkweise sei gefährlich. Es würde Kindern, die beginnen, sich als LGBTQ zu identifizieren, nahelegen, „dass sie allein durch ihre Existenz unangemessen sind“.
Wird das Gesetz sogar Kinder töten?
Der Ehemann des homosexuellen US-Verkehrsministers und früheren Präsidentschaftsbewerbers Pete Buttigieg, Chasten Buttigieg, schrieb kürzlich auf Twitter an DeSantis’ Adresse, das Gesetz werde „Kinder töten“. Er verwies auf eine Studie, wonach 42 Prozent aller LGBTQ-Jugendlichen im vergangenen Jahr erwogen hätten, sich das Leben zu nehmen. „Jetzt können sie nicht mit ihren Lehrern sprechen?“, fragte Buttigieg ungläubig.
Die Zwillinge von US-Verkehrsminister Pete Buttigieg und sein Mann Chasten werden wohl das Glück haben, nicht auf Aufklärung in der Schule angewiesen zu sein.
Tina Descovich, Mitbegründerin der Organisation Moms for Liberty, die das Gesetzesvorhaben unterstützt, weist den Vorwurf der Diskriminierung derweil zurück. „Es erlaubt Eltern, ihre Kinder zu erziehen“, sagt sie über das Gesetz. Descovich führt den Fall einer 13-Jährigen an, die ohne das Wissen ihrer Mutter mit Schulberatern über ihre Geschlechtsidentität gesprochen habe. Dabei sei es auch um die Frage gegangen, welche Toiletten sie benutzen könne. „Wir finden, dass das falsch ist“, sagt Descovich.
„Ich denke, das ist ein Gespräch für zu Hause, und ich denke, es gibt Gespräche, die einem gewissen Alter angemessen sind.“
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Ist bekannt dafür, Anwürfe aus evangelikal-fundamentalistischen und nationalistischen Lagern eloquent zu parieren: Die Sprecherin des Weißen Hauses Jen Psaki
Die Debatte hat auch das Weiße Haus auf den Plan gerufen.
„Im ganzen Land sehen wir Republikaner, die regulieren wollen, was Schüler lesen oder nicht lesen können, was sie lernen oder nicht lernen können, und – besonders beunruhigend – wer sie sein oder nicht sein können“,
sagte jüngst die Sprecherin von Präsident Joe Biden, Jen Psaki. Sie versprach, die Regierung werde Schüler vor solchen „schädlichen“ Gesetzen schützen.
Florida ist kein Einzelfall
Denn ähnliche Gesetzentwürfe wie jener in Florida wurden auch in anderen Bundesstaaten vorgelegt. In Arizona sollen Lehrer dazu verpflichtet werden, Eltern zu informieren, wenn ihre Kinder das Thema Geschlechtsidentität aufwerfen. In Indiana sollen Schule Eltern um ihre Zustimmung bitten müssen, wenn sie über sexuelle Orientierung oder trans Themen sprechen wollen. Und in Oklahoma wurde ein Gesetzesvorhaben eingereicht, das Bücher zu diesen Themen aus Schulbibliotheken verbannen soll.
Geschichte wiederholt sich
Das Vorgehen erinnert viele an das Ende der 1980er Jahren: Damals begannen Bundesstaaten damit, festzuschreiben, dass Homosexualität im Aufklärungsunterricht zu HIV/Aids nicht positiv dargestellt werden darf. Die Befürchtung war, dass Kinder zur Homosexualität „rekrutiert“ würden, sagt der Juraprofessor Clifford Rosky von der University of Utah. Während viele der Gesetze im Verlauf der Jahre abgeschafft wurden, sind sie Roskys Angaben zufolge in sechs Bundesstaaten noch in Kraft. In Florida gibt es ebenfalls klare Vorstellungen, wie der Unterricht dazu auszusehen hat. In einem Gesetz heißt es, Schulen müssten über „die Vorteile der monogamen heterosexuellen Ehe“ unterrichten. *AFP