Für LGBTIQ*-Jugendliche waren die Herausforderungen während der Pandemie besonders groß. Das belegen die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Umfrage zur psychischen Gesundheit von queeren Jugendlichen in den USA.
Für den National Survey on LGBTQ Youth Mental Health 2021, durchgeführt von The Trevor Project, einer US-amerikanische LGBTIQ*-Organisation für Suizidprävention und Krisenintervention, wurden die Erfahrungen von fast 35.000 US-amerikanischen Queers im Alter von 13 bis 24 Jahren erfasst. 45 Prozent der Teilnehmenden waren farbig und 38 Prozent identifizierten sich als trans* oder nicht-binär.
Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze
- 42 Prozent der LGBTIQ*-Jugendlichen haben im vergangenen Jahr einen Selbstmordversuch ernsthaft in Erwägung gezogen, unter trans* und nicht-binären Jugendlichen waren es mehr als die Hälfte.
- 12 Prozent der weißen Jugendlichen haben tatsächlich einen Selbstmordversuch unternommen, verglichen mit 31 Prozent der indigenen Jugendlichen, 21 Prozent der schwarzen Jugendlichen, 21 Prozent der gemischtrassigen Jugendlichen, 18 Prozent der Latinx und 12 Prozent der Jugendlichen mit asiatisch-pazifischem Hintergrund.
- 94 Prozent der LGBTIQ*-Jugendlichen gaben an, die Politik habe negative Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit gehabt, 70 Prozent bezeichneten ihre eigene psychische Gesundheit während COVID-19 meistens oder immer „schlecht“. Fast die Hälfte hätte im vergangenen Jahr psychologische Beratung gebraucht und gewünscht, diese aber nicht erhalten.
- 13 Prozent der LGBTIQ*-Jugendlichen berichteten, einem sogenannten Konversionsverfahren unterzogen worden zu sein, 83 Prozent waren zu diesem Zeitpunkt unter 18 Jahre alt.
- Nur jeder dritte LGBTIQ*-Jugendliche empfindet sein Zuhause als LGBTIQ*-bejahend. Mehr als 80 Prozent der Jugendlichen gaben an, dass COVID-19 ihre Lebenssituation erschwert hat. 30 Prozent der LGBTIQ*-Jugendlichen waren im letzten Monat von Ernährungsunsicherheit betroffen, die Hälfte davon gehörten der indigenen Bevölkerung an.
- 75 Prozent der LGBTIQ*-Jugendlichen berichteten, mindestens einmal in ihrem Leben Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität erfahren zu haben. Die Hälfte aller farbigen LGBTIQ*-Jugendlichen berichtete über Diskriminierung im vergangenen Jahr aufgrund ihrer Rasse/Ethnizität, darunter 67 Prozent der schwarzen LGBTIQ*-Jugendlichen und 60 Prozent der LGBTIQ*-Jugendlichen mit asiatisch/pazifischem Hintergrund.
Positive/negative Einflüsse
Trans* und nicht-binäre Jugendliche, die angaben, dass sie von Menschen in ihrem Umfeld respektiert und mit den richtigen Pronomen angesprochen wurden, haben nur halb so oft einen Suizidversuch unternommen als jene, deren Pronomen von niemandem respektiert wurden, mit dem sie zusammenlebten. Eine geringere Suizidversuchsrate besteht auch bei trans*- und nicht-binären Jugendlichen, die ihren Namen und/oder ihren Geschlechtseintrag in Rechtsdokumenten wie Führerscheinen und Geburtsurkunden ändern konnten. Ähnlich sieht es bei jugendlichen Queers aus, die Zugang zu geschützten Räumen hatten, in denen sie Unterstützung erfahren haben und offen über ihre sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität sprechen konnten. Eine überwältigende Mehrheit der LGBTIQ*-Jugendlichen gab zudem an, dass soziale Medien sowohl positive (96 Prozent) als auch negative (88 Prozent) Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit und ihr Wohlbefinden gehabt haben.
Lil Nas X erhält Suicide Prevention Advocate of the Year Award
The Trevor Project hat in diesem Jahr den Suicide Prevention Advocate of the Year Award ins Leben gerufen, mit dem Personen geehrt werden, die Licht auf die psychische Gesundheit von jungen Queers werfen und ein Bewusstsein für die Anliegen queerer Jugendlicher schaffen. Am 1. September gab The Trevor Project bekannt, dass der Rapper Lil Nas X den allerersten Suicide Prevention Advocate of the Year Award erhält.
In seinem Welthit „Montero (Call Me By Your Name)“ spricht Lil Nas X offen über seine Sexualität und sendet seinem 14-jährigen Ich eine Nachricht (wir berichteten):
„Lieber 14-jähriger Montero, ich habe ein Lied mit deinem Namen im Titel geschrieben. [...] Ich weiß, wir haben versprochen, niemals diese Art von schwuler Person zu sein. Ich weiß, wir haben versprochen, mit dem Geheimnis zu sterben, aber dies wird vielen anderen queeren Menschen die Türen öffnen, um einfach zu existieren. [...] Ich sende dir Liebe aus der Zukunft.“
Sein offener Umgang mit den Coming-out-Problemen in dem Song ist beste Suizidprävention:
„Seine Verletzlichkeit auf seinem Weg zur Selbstakzeptanz und zum Ausdruck hat Raum für offene Gespräche über psychische Gesundheit und sexuelle Identität geschaffen und den LGBTQ-Jugendlichen signalisiert, dass sie nicht allein sind.“
Amit Paley, CEO und Executive Director The Trevor Project
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Das letzte Pandemie-Jahr stellte uns alle vor ungeahnte Herausforderungen. Der Alltag in dieser „neuen Realität“ war mit erheblichen Einschränkungen verbunden, das für viele eine große gesundheitliche Belastung darstellte. Neben finanziellen Existenznöten haben Depressionen, Angst- und Suchterkrankungen im letzten Jahr enorm zugenommen.
Informationen zu den Auswirkungen der Pandemie auf die LGBTIQ*-Community findest du HIER.
Wichtige Adressen falls du an Suizid denkst, oder jemanden kennst, der das tut
- Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) hat HIER eine Liste mit Onlinehilfsangeboten zusammengestellt
- Die Liste des Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker e.V. über psychiatrische Hilfen findest du HIER
- Telefonseelsorge: Tel. 0800 1110111 oder 0800 1110222 (kostenfrei) und online HIER
- Bundesweite Beratungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche: Tel. 0800 1110333
- Deutsche Depressionshilfe: Info-Telefon 0800 3344533
- Deutsche Depressionshilfe - Wo finde ich Hilfe
- Deutsche Depressionshilfe - Was Angehörige und Freunde tun können
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