Die Regierung des rechtspopulistischen und ultra-konservativen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán plant neue Angriffe gegen die Gleichberechtigung von Homosexuellen und Trans*personen.
Diesmal plant die Fidesz-Regierung, Definitionen von Elternschaft und Geschlecht in die Verfassung aufzunehmen. So könnte in der ungarischen Verfassung künftig stehen, dass „die Mutter eine Frau ist und der Vater ein Mann“.
Die Trans*-Community sieht sich noch stärkeren Angriffen ausgesetzt. Bereits seit Mai ist es in Ungarn verboten, eine Änderung des Geschlechts bei den Behörden eintragen zu lassen (wir berichteten). Der aktuelle Entwurf geht noch weiter: Zur Definition des Geschlechts eines Menschen soll künftig einzig und allein das Geschlecht zum Zeitpunkt der Geburt herangezogen werden.
Ist das Vorhaben eine Antwort auf den EU-Rechtsstaatsmechanismus?
Justizministerin Judit Varga brachte einen entsprechenden Entwurf am 10. November in das ungarische Parlament ein – provokanter hätte der Zeitpunkt nicht sein können. Denn ausgerechnet am 10. November wurde nach langen und zähen Verhandlungen endlich eine Einigung über den neuen Sieben-Jahres-Haushaltsplan der EU erzielt.
Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union ist der EU-Haushalt an einen sogenannten Rechtsstaatsmechanismus gekoppelt, das bedeutet, die EU kann unter bestimmten Bedingungen einzelnen Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen die Grundrechtecharta der Europäischen Union die Gelder kürzen.
Zur endgültigen Verabschiedung des Haushalts braucht es nun noch die Zustimmung aller EU-Mitgliedstaaten. Doch Viktor Orbán drohte bereits mit einem Veto gegen den EU-Haushalt, sollte an dem Rechtsstaatsmechanismus festgehalten werden.
Sorgenstaaten Ungarn und Polen
Neben Polen hatte Ungarn mit seiner Politik ein solches Sanktionsinstrument erst notwendig gemacht. In der Vergangenheit haben EU-Gremien zahlreiche Verstöße Ungarns gegen die Grundwerte der Europäischen Union festgestellt: Einschränkungen bei der Unabhängigkeit der Justiz, Angriffe auf die Medienfreiheit, die Schwächung der Opposition, mangelhafte Korruptionsbekämpfung und nicht zuletzt die systematische Verletzung von LGBTIQ*-Menschenrechten. Erst im Juli hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) Ungarn zu einer Strafe von 6500 Euro verurteilt (wir berichteten). Die Begründung: Mit der Weigerung, den Geschlechtseintrag transgeschlechtlicher Ausländer anzuerkennen, habe Ungarn die Menschenrechte verletzt. Davon versucht Orbán abzulenken.
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Viktor Orban
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„Für die Diskussionen über die Rechtsstaatlichkeit ist jetzt keine Zeit“,
erklärte er und verwies auf dringend benötigte Corona-Hilfen. Doch könnten genau diese Corona-Hilfen nicht wie vorgesehen auf den Weg gebracht werden, sollte Ungarn seine Zustimmung verweigern.
Hochzeit trotzt Hass
Rechtspopulistische Bewegungen eint eine enorme Abneigung gegenüber Lebensentwürfen, die von traditionellen Normen abweichen. Sei es in Ungarn, in Polen oder anderswo – Schritt für Schritt versuchen rechte Regierungen, die LGBTIQ*-Bevölkerung ihres Landes um ihre rechtliche Existenz zu bringen.
Dass man queeren Menschen vielleicht ihre Rechte, nicht aber ihr Sein absprechen kann, zeigt das ungarische Transgender-Paar Tamara Csillag und Elvira Angyal. Allen transphoben Einschränkungen zum Trotz haben Csillag und Angyal am 6. November geheiratet.
Ironischerweise hat erst das Verbot der rechtlichen Anerkennung von Trans*personen ihre Hochzeit möglich gemacht hat. Denn Angyal hat ihre Transition bereits abgeschlossen, was sie mit Dokumenten beweisen kann. Die Dokumente von Csillag hingegen weisen die Trans*frau weiterhin als Mann aus.