Am 9.2. stimmt die Schweizer Bevölkerung über ein Anti-Diskriminierungsgesetz zum Schutz der queeren Community ab. Auch die Ehe für alle rückt endlich in greifbare Nähe. Heute fand in Zürich ein Kiss-in statt: für die Liebe, gegen den Hass.
Sie setzten mit Küssen ein Zeichen: Das Kiss-in auf der Rathausbrücke in Zürich soll für Sichtbarkeit von queerer Liebe in der Schweiz sorgen – mit Hauptaugenmerk auf die Volksabstimmung am 9. Februar. Rund 800 Menschen folgten der Einladung der Veranstalter, knutschten gegen Diskriminierung. Auch heterosexuelle Paare waren dabei und tauschten Solidaritätsküsse aus. Zeitgleich fand in der Schweizer Stadt Lausanne ein ähnliches Event statt, an dem über 200 Leute teilnahmen.
Ein weiterer Motivationspunkt der Initiatoren: In der Silvesternacht wurde in Zürich ein schwules Pärchen krankenhausreif geschlagen. Verbände mahnten einen Anstieg homophober Gewalt an. Die Veranstalter der Kuss-Events machten auf Facebook ihre Absichten deutlich:
„Wir küssen uns aus Protest, weil Lesben, Schwule und Bisexuelle noch immer keinen Schutz vor Hass und Diskriminierung haben. Wir küssen uns, weil wir uns für das JA am 9. Februar einsetzen. Und wir küssen uns, weil wir uns lieben – denn Liebe gewinnt gegen Hass!“
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Foto: David Rosenthal / Milchjugend
Kiss-in Zürich
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Kiss-in Zürich
In der Schweiz tut sich was
Die Schweiz verfügt noch nicht über ein ausführliches Diskriminierungsschutzgesetz, das Handlungen oder Äußerungen gegen die geschlechtliche Vielfalt unter Strafe stellt. Zwar können sich Betroffene im Ernstfall auf den Artikel 28 des Zivilgesetzbuches berufen, der sich mit dem Schutz der Persönlichkeit befasst. Beleidigungen und Vorurteile gegen die Community als gesamtes zu äußern, bleibt jedoch bislang völlig ohne strafrechtliche Konsequenzen. Queere Menschenrechtsgruppen fordern daher schon lange, einen umfassenden Schutz im Gesetz zu verankern – wie er auch gegen antisemitische oder rassistische Äußerungen und Handlungen existiert.
Laut aktuellen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts gfs.bern in der Schweiz würden sich derzeit 69% der Stimmberechtigten für das Gesetz entscheiden. Dieses sieht jedoch lediglich einen Schutz für Homo- und Bisexuelle vor. Florian Vock vom Pink Cross hielt beim heutigen Kiss-in eine Rede und machte deutlich, dass man nach der Abstimmung weiterkämpfen werde – für die intergeschlechtliche und die trans* Community.
Das Pro-Komitee startete eine zusätzliche Aktion für die Sichtbarkeit queeren Lebens vor der Abstimmung: Es bot kostenlose Regenbogenflaggen an, die man zur Unterstützung sichtbar an seinen Fenstern oder Balkonen platzieren soll. Der Andrang war so groß, dass sie die Menge verdoppeln mussten. Statt geplanter 10.000 wurden nun 20.000 Regenbogenflaggen verteilt, um die Schweiz noch bunter zu machen.
Kommt endlich die Ehe für alle?
Nicht nur das neue Antidiskriminierungsgesetz, auch die sehr präsente Diskussion um die Ehe für alle prägt derzeit die Schweizer Gesellschaft. Nach einer parlamentarischen Initiative der Grünliberalen ist es nun an der Nationalratskomission, einen Erlassentwurf auszuarbeiten. Über diesen Entwurf soll das Parlament dann abstimmen.
Bisher können schwule und lesbische Paare in der Schweiz bloß eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Seit dieses Gesetz 2007 in Kraft trat, machten landesweit über 7000 gleichgeschlechtliche Paare davon Gebrauch.
Foto: Christian Knuth
Ehe für alle
Mit dieser Hochzeitstorte feierten die Grünen die historische Entscheidung zur Eheöffnung im deutschen Bundestag im Juni 2017. Gibt es bald auch in der Schweiz Grund zu feiern?
Die queere Rechtsorganisation Pink Cross erklärt auf ihrer Webseite, die eingetragene Lebenspartnerschaft und die Institution Ehe würden sich in mehr als 20 Punkten voneinander unterscheiden – deshalb sei das Partnerschaftsgesetz kein befriedigender Ersatz für die Ehe.
Natürlich gibt es auch Gegner: Die Initiative 'Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe' möchte die Ehe in der Verfassung als Bündnis zwischen Mann und Frau definieren. Eine erste Abstimmung scheiterte 2016 knapp, bis zum 27. Mai 2020 muss eine erneute Abstimmung erfolgen – wenn die Initiative bis dahin nicht zurückgezogen wird.