Foto: LSVD/Kadatz
Günter Dworek, Vorstand im Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und Mitglied im Beirat der Stiftung „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“
Feierlich soll er werden, der Festakt für das Zehnjährige des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Es klärt auf, wird viel von Touristen besucht und auch schon mehrmals geschändet. Wir fragten bei einem der Initiatoren des Denkmals nach: Günter Dworek, Vorstand im Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und Mitglied im Beirat der Stiftung „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“.
Manch ein Tourist wundert sich, was das denn ist. Und geht dann kopfschüttelnd. Warum provoziert ein solches Denkmal auch 2018 noch?
Zwei Männer oder zwei Frauen küssen sich inniglich. In einem Denkmal der Bundesrepublik Deutschland im Herzen der Hauptstadt. Aus der Erinnerung an der Verbrechen des Nationalsozialismus heraus formuliert das Denkmal mit der Kuss-Szene das Recht von LSBTI, sich jederzeit frei und sichtbar im öffentlichen Raum bewegen zu können. Das finden auch im Deutschland des Jahres 2018 noch viele anstößig. Homophobie ist längst nicht überwunden. Umso notwendiger ist das Denkmal als ein Zeichen gegen Anfeindungen und Ausgrenzung. Auch viele Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland sind in der Tat erstmal überrascht. Manche schütteln mit dem Kopf, andere sind berührt und kommen ins Nachdenken. In vielen Ländern ist Homosexualität tabuisiert, werden die Menschenrechte von LSBTI mit Füßen getreten. Es ist gut, dass das Denkmal an so zentraler Stelle im Touristenmagnet Berlin steht. Damit haben Menschen aus aller Welt die Chance auf einen Denkanstoß darüber, was für ein Verbrechen es ist, Menschen aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität zu verfolgen.
Was würdest du zu den Vandalen sagen, die es beschädigten?
Das Denkmal erinnert an Menschen, die geächtet, eingesperrt, gefoltert und ermordet wurden. Das Andenken an die Opfer anzugreifen ist ebenso feige wie widerlich.
Braucht es mehr solcher Denkmäler?
Dieses Denkmal ist kein Schlussstein, sondern soll ein Ansporn sein, dass Forschung und Erinnerungsarbeit auf allen Ebenen weitergeht und Verfolgungs- und Unterdrückungspolitik in ihrer Gesamtheit im Blick hat, also damit auch die Zeit nach 1945. Es wurden vorher schon Gedenkorte in anderen Städten und auch in Berlin geschaffen und es kommen weitere dazu. Immer mehr „Stolpersteine“ erinnern konkret an das Schicksal verfolgter Homosexueller. Auch die vielfältige Emanzipationsgeschichte wird zunehmend Thema der Erinnerungsarbeit. Es ist wunderbar, wenn es vielfältige, kreative und vor Ort erfahrbare Gedenkzeichen gibt – gerade in der heutigen Zeit. Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus führt vor uns Augen, was geschehen kann, wenn Hass und Hetze eine Gesellschaft vergiften, wenn eine Mehrheit gleichgültig wird gegenüber dem Leben Anderer und Ausgrenzung und Entrechtung zulässt. Es gibt kein Ende der Geschichte. Um Freiheit, Gleichheit und Respekt muss täglich neu gerungen werden.
3.6., Festakt, Denkmal für die verfolgten Homosexuellen, Tiergarten/Ebertstraße, gegenüber dem Holocaustdenkmal, 10117 Berlin, 11 Uhr
Reden:
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin
Günter Dworek, Mitinitiator des Denkmals und Vertreter des LSVD
Gulya Sultanova, LGBT-Filmfestival “Side by Side”, Sankt Petersburg