Wie das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr mitteilte, wurde das Affenpocken-Virus nun auch zum ersten Mal bei einem Patienten in Deutschland nachgewiesen.
Bei dem Erkrankten handelt es sich um einen 26-jährigen Brasilianer, der sich seit etwa einer Woche in München aufhält. Zuvor war er von Portugal über Spanien nach Deutschland eingereist und habe sich in Düsseldorf und Frankfurt am Main aufgehalten, gab das bayerische Gesundheitsministerium in einer ersten Pressemitteilung bekannt. Aktuell werde er in der München Klinik Schwabing isoliert versorgt.
Der Chefarzt der Schwabinger Infektiologie Prof. Clemens Wendtner erklärte, der junge Mann habe sich „direkt nach Symptombeginn in medizinische Betreuung begeben, um andere vor einer Infektion zu schützen. Deshalb ist er auch weiter bei uns untergebracht, da wir von einer drei bis vier Wochen andauernden Infektiösität ausgehen“.
Der Deutschlandfunk berichtete in den Nachrichten um 16:30 Uhr über den Fall und schloss mit der Information:
„Es befällt vor allem Nagetiere, kann aber auch von Mensch zu Mensch übertragen werden. Nach ersten Hinweisen vor allem durch Geschlechtsverkehr zwischen Männern.“
Die Äußerung legt die Vermutung nahe, Affenpocken würden nur Männer, die Sex mit Männer haben (MSM), betreffen. Eine neue „Schwulenseuche“ also? Woher kommt dieser explizite Fokus auf schwule und bisexuelle Männer?
RKI warnt schwule und bisexuelle Männer
Vermutlich vom Robert-Koch-Institut (RKI). Dieses teilte am 19. Mai in seinem Epidemiologischen Bulletin mit, eine Übertragung von Mensch zu Mensch sei „selten und nur bei engem Kontakt möglich, kann aber durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder Schorf der Affenpocken-Infizierten auftreten, vermutlich auch im Rahmen von sexuellen Handlungen“.
Männer, die Sex mit Männern haben, rief das RKI zu besonderer Wachsamkeit auf. Bei „ungewöhnlichen Hautveränderungen“ sollten sie sich unverzüglich medizinisch untersuchen lassen, so der Ratschlag. Anderen Menschen, die derartige Hautveränderungen an sich beobachten, wurde ein solcher Rat nicht erteilt, wenngleich der bisherige Kenntnisstand zum Übertragungsweg des Affenpocken-Virus keinerlei Schlüsse zulässt, dass das Virus einzig und allein Männer befällt. Infektionen wurden auch bei Frauen und sogar bei Kleinkindern beobachtet.
Der Tagesspiegel wirft dem RKI die Eingrenzung auf eine ganz bestimmte Gruppe vor. Eine Bitte um Stellungnahme lehnte das RKI ab. Man kommentiere keine Medienberichte, hieß es.
Deutsche Aidshilfe warnt vor Stigmatisierung
Die Deutsche Aidshilfe (DAH) warnt vor falschen Schlussfolgerungen und Stigmatisierung. Pressesprecher Holger Wicht sagte, es sei jetzt wichtig, keine Panik und unangemessenen Ängste zu schüren. „Wir begegnen dieser neuen Infektion mit den bewährten Mitteln: Vernunft und Informationen“, so Wicht. Man habe es
„mit einer Viruserkrankung zu tun, die unter bestimmten Bedingungen übertragen wird – nicht mehr und nicht weniger. Die Lösung ist Aufklärung, nicht Ausgrenzung.“
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Eines aber könne man aus „unserer Geschichte lernen“, betonte Wicht, auch an die Community gerichtet:
„Wir müssen jetzt Stigmatisierung und Schuldzuweisungen gegenüber schwulen Männern und Menschen aus Afrika entschieden entgegentreten, sobald sie auftreten.“
Affenpocken - was ist das?
Die Affenpocken sind eine seltene Viruserkrankung, ausgelöst durch das Affenpocken-Virus. Bei einer Ansteckung kann es 7 bis 21 Tage dauern, bis erste Symptome auftreten. Betroffene leiden dann an Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, zudem können Schwellungen der Lymphknoten und ein großflächiger Hautausschlag dazukommen. Die Hautveränderungen beginnen üblicherweise im Gesicht, ähneln einem Pockenausschlag und breiten sich dann weiter am Körper aus.
Menschen können sich vor allem durch „Kontakt mit den Hauteffloreszenzen, Blut, Gewebe oder Ausscheidungen infizierter Tiere (in erster Linie verschiedener Nagetiere) und beim Umgang mit dem Fleisch erkrankter Tiere infizieren. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist selten und nur bei engem Kontakt möglich, kann aber durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder Schorf der Affenpocken-Infizierten auftreten, vermutlich auch im Rahmen von sexuellen Handlungen. Eine Übertragung bereits in der Prodromalphase ist bei Face-to-Face-Kontakt durch ausgeschiedene Atemwegssekrete möglich. Die bislang längsten dokumentierten Infektionsketten betrugen 6 bis 9 Personen. Weitere Infos gibt das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und die Deutsche Aidshilfe.
Wir fassen zusammen: Sex ist ein idealer Übertragungsweg für Affenpocken … aber mit der Art der sexuellen Handlung hat es nichts zu tun. Auch der Deutschlandfunk mag im Laufe des frühen Abends zu diesem Schluss gekommen sein – in den Nachrichten um 18 Uhr war von „sexuell aktiven Menschen“ als Risikogruppe die Rede.