Aus dem Internationalen Tag gegen Homophobie wurde irgendwann auch einer gegen Trans- und Interfeindlichkeit und erst ganz spät auch einer gegen Biphobie. Warum eigentlich? Wir dokumentieren einen Aufruf von BiBerlin und vielen weiteren Bi-Verbänden.
Bifeindlichkeit gibt es wirklich ...
„Bifeindlichkeit gibt’s gar nicht!“ ist eine Aussage, die man sich als bisexueller Mensch immer wieder anhören muss – häufig auch aus der eigenen LGBTQIA+ Community. Dabei ist genau diese Aussage selbst ein Paradebeispiel von eben jener Bifeindlichkeit, welcher Bisexuelle und andere Menschen, die mehr als ein Geschlecht sexuell und/oder romantisch begehren können (z. B. Omni-, Poly-, Pansexuelle oder biromantische Menschen)1 ausgesetzt sind.
Im besten Fall wird uns zwar noch zugestanden, dass wir vielleicht auch manchmal von Homo-oder Lesbenfeindlichkeit betroffen sind, aber auch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen – als könnten wir unsere queere Identität einfach ein-und ausschalten, wie es uns passt.
Und genau da sind wir schon bei einem Aspekt von Bifeindlichkeit – denn ja, es gibt sie wirklich! – nämlich die Unterstellung, wir seien ja gar nicht richtig queer oder wenn überhaupt nur dann, wenn wir in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung sind. Unsere Bisexualität wird uns nur geglaubt, wenn wir sie unter Beweis stellen, und was als Beweis gilt, das würden andere entscheiden und nicht wir selbst. Diese Form von Bifeindlichkeit begegnet uns nicht nur von Heteros, sondern oft auch von anderen Queers, die sich selbst als höhere Instanz wahrnehmen. Die Behauptung, dass es Bifeindlichkeit gar nicht gäbe, ist dabei auch ein Mittel, um sich selbst nicht hinterfragen zu müssen und Kritik abzuschmettern: Denn was es nicht gibt, kann man auch nicht reproduzieren.
Bifeindlichkeit umfasst jedoch nicht nur die Unsichtbarmachung und Negierung von Bisexualität (auch „Bisexual Erasure“ genannt), die wir hier ausgeführt haben. Andere Aspekte sind Vorurteile (Bisexuelle gelten als feige, untreu, promiskuitiv oder unentschlossen), Stigmatisierung (z. B. wird bisexuellen Männern unterstellt HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten ins Hetero-Umfeld zu tragen) oder die Fetischisierung und Objektifizierung von Bi-Frauen (die Annahme weibliche Bisexualität sei für männlich-heterosexuelle Fantasien da).
... und sie ist gefährlich
Internationale Studien zeichnen ein besorgniserregendes Bild: Bi+ Personen haben ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen als homo-und heterosexuelle Menschen2. Bisexuelle Frauen werden öfter Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt als Lesben und heterosexuelle Frauen3. Im Vergleich zu lesbischen Frauen und schwulen Männern, outen sich bisexuelle Menschen zudem seltener am Arbeitsplatz4.
Von HO zu HOT zu HOBIT ...
Dass im Jahre 2015 aus dem „IDAHOT“ der „IDAHOBIT“ wurde, war somit ein wichtiges Zeichen dafür, dass die LGBTQIA+ Community, zu der wir Bisexuellen ja schließlich gehören, unsere bi-spezifischen Diskriminierungserfahrungen genauso anerkennt und anprangert wie Homo-, Trans-und Interfeindlichkeit. Mittlerweile wird sogar oft IDAHOBITA genutzt, um auch auf die Feindlichkeit gegenüber asexuellen und aromantischen Menschen aufmerksam zu machen.
... und zurück?
Umso enttäuschender ist es dann, wenn queere Organisationen sich ganz bewusst für eine Abkürzung wie „IDAHIT“ entscheiden und somit nicht nur Bisexualität, sondern auch unsere spezifischen Diskriminierungserfahrungen unsichtbar machen. Durch solche Entscheidungen wird der Bi+ Community vermittelt, dass unsere Belange und Erfahrungen (ob positiver oder negativer Natur) selbst in den eigenen Reihen als unwichtig angesehen werden. Hier fehlt uns ganz klar die Solidarität.
Die Forderungen
Foto: Thilo Wetzel / BiBerlin e.V.
Daher sind unsere Forderungen an die gesamte queere Community zum IDAHOBITA, besonders all jene, die selbst nicht bi+ sind:
- Erkennt an, dass es Bifeindlichkeit gibt und, dass sie sich in Teilen von Homo-und Lesbenfeindlichkeit unterscheidet.
- Hinterfragt eure eigenen Vorurteile zu Bisexualität und überprüft euren queeren Aktivismus auf mögliche Bifeindlichkeit.
- Macht Bisexualität sichtbar und bezieht bi+ Menschen mit ein, insbesondere dann, wenn ihr den Anspruch erhebt, für die gesamte LGBTQIA+ Community zu sprechen.
- Seid solidarisch mit anderen Gruppen aus der LGBTQIA+ Community, denen ihr selbst nicht angehört.
Lasst uns gemeinsam gegen Queer-Feindlichkeit kämpfen und nicht gegeneinander. Wir sind eine Community.
*BiBerlin e.V. / BiNe – Bisexuelles Netzwerk e.V.
1Als Sammelbegriff für alle nicht-monosexuellen und nicht-monoromantischen Orientierung verwenden wir die Bezeichnung Bi+ oder Bi Plus.
2 Sabra L. Katz-Wise, Ethan H. Mereish, Julie Woulfe (Journal of Sex Research 54, 2017): Associations of bisexualspecific minority stress and health among cisgender and transgender adults with bisexual orientation.
3 CDC. National Center for Injury Prevention and Control (2010): The National Intimate Partner and Sexual Violence Survey.