Ulli: Mark, du bist für die rund 230 Beschäftigten als Diversity-Manager angetreten.
Mark: Als Diversity-Beauftragter der Niederlassung übernehme ich zunächst die Verantwortung, da mir das Thema außerordentlich wichtig ist. Wir überlegen aber auch, wie wir das perspektivisch noch mal umgestalten können, weil der Weg direkt zum Geschäftsführer vielleicht zusätzliche Berührungsängste mit sich bringt.
Ulli: Warum ist dir das Thema so wichtig?
Mark: Also, grundsätzlich möchte ich das mal losgelöst vom Arbeitskontext betrachten. Was ist mir als Mensch wichtig? Als Ehepartner, als Familienvater, als Freund? Mir ist es wichtig, dass ich und mein Umfeld respektvoll behandelt werden und Chancengleichheit haben, unabhängig von sexueller Orientierung oder Weltanschauung.
Foto: Malte Dibbern
Ulli: Hast Du eigene Erfahrungen gemacht mit Coming-outs?
Ich habe das eben schon Julian und Dagmar erzählt: Ich bin bei Aachen aufgewachsen, in einem kleinen Dorf, das sehr klein, sehr überschaubar und teilweise auch sehr konservativ ist. Ich hatte einen langjährigen Freund, der nie viele Freundinnen oder gar keine Freundinnen hatte. Tatsächlich hat er sich dieses Jahr im Mai geoutet. Wir haben einmal im Jahr ein Dorffest, bei dem sich gefühlt das ganze Dorf trifft und in den Mai feiert. Bei diesem Fest, wo wirklich alle zusammenkommen, hat mein Freund seinen Partner vorgestellt und sich damit geoutet. Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich daran denke, weil das für ihn ein extrem großer Schritt war. Leider war ich nicht dabei, aber ich habe eine Woche später mit ihm telefoniert und mich riesig für ihn gefreut, dass er diesen sehr großen Schritt in unserem Dorf gewagt hat. Ich habe ihn gefragt, warum gerade jetzt, und er sagte, dass er den Richtigen gefunden hat.
Ulli: Sehr gut.
Mark: Ich habe ihn gefragt: „Wie geht’s dir damit?” Und unter Tränen ausgebrochen meinte er: „Hätte ich gewusst, wie gut das aufgenommen wird und wie viel positive Rückmeldung ich bekomme, hätte ich das schon viel früher gemacht.” Und ich habe ihn gefragt: „Wie lange weißt du das denn schon?’” Es sind über 20 Jahre.
Dann stelle ich mir die Frage: Was kann ich als Mensch, aber auch als Verantwortlicher für ein Unternehmen tun, damit diese Leute nicht 20 Jahre mit einer Last herumlaufen müssen, sich verstellen und somit aus meiner Sicht auch gehemmt in allem sind, was sie tun? Was kann ich dafür tun, dass ich zeige, dass wir positiv sind, dass es sich lohnt, darüber zu sprechen, und dass sie immer Unterstützung bekommen, dass Unterstützung angeboten wird, damit die Leute nicht mit dieser Last herumlaufen?
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Das ist für mich das private Beispiel und der Grund, warum wir hier diese Offenheit nach außen strahlen lassen, weil wir davon ausgehen – und es einfach so ist –, dass Leute, die frei sind, auch deutlich produktiver, effektiver und innovativer arbeiten können, wenn sie einfach so sein können, wie sie sind, und sich nicht verstellen müssen.
Dagmar: Vor 20 Jahren hat sich ein Freund mir gegenüber geoutet. Man merkt das den Menschen ja nicht an, was ja auch gut ist. Und das lief daher ganz beiläufig. Er meinte: „Ich denke immer an ihn, er fängt mit L an." Ich habe lange überlegt, was er da eigentlich gesagt hat, und dachte dann: Wie schön ist das denn! Es war wirklich toll, und er hat sich unwahrscheinlich gut gefühlt danach, als wir dann ganz offen drüber reden konnten. Man darf nicht vergessen, dass das vor 20 Jahren war. Damals war die Community noch anders unterwegs, und auch heute ist es oft noch so! Es ist ein Unterschied, ob du in der Metropole lebst oder im Randgebiet, oder wie der Freund von mir, zum Beispiel, in Ostfriesland auf dem platten Land.
Ulli: Tolle Erfahrungen!
Dagmar: Der Umgang mit Vielfältigkeit muss einfach normal werden. Ich möchte nicht, dass irgendjemand druckst und nicht weiß, wie er etwas erzählen soll. Diese Vielfalt ist wichtig. Ich stelle mir immer vor, ich komme nach Hause und mein Mann hat eingekauft, und im Kühlschrank steht alles, was ich mir wünschen würde. Das ist doch super, wenn ich aus dem Vollen schöpfen kann. Ich kann Alternativen nutzen, kreativ werden, ich habe viele Möglichkeiten und die ganze Bandbreite. Genauso ist es auch mit vielen verschiedenen Menschen.
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Ulli: Wie viele Queers gibt es bei euch im Team? Outen die sich? Wie geht ihr vor?
Mark: Mehrere Schritte und keiner davon ist der richtige, sondern es auszuprobieren, es zu thematisieren, regelmäßig darüber zu sprechen und auch Plattformen zu schaffen. Plattformen, auf denen sich diese Community treffen kann. Die Porsche AG hat eine eigene Plattform, die sich Proud@Porsche nennt.
Ulli: Also Porsche Hamburg als Safe Space für die queere Community.
Dagmar: Nun, sind wir zwar in Hamburg nur ein kleiner mittelständischer Arbeitgeber, aber wir haben die großen Konzerne hinter uns, die auch viele Sachen vorbereiten und mit den Porsche Vielfalt-Tagen ein tolles Vorbild geben. Es gibt auch eine Community bzw. ein Netzwerk für die Community und für die Frauen, und wir werden dadurch bei eigenen Projekten, die wir hier vorantreiben, sehr gut unterstützt.
Ulli: Glaubt ihr, dass, wenn das nächste Sommerfest von Porsche Hamburg im Schmidts Tivoli Theater bei einer Travestie- oder Drag-Show wäre, also in Form des gemeinsamen Zusammenseins mit der Community, wie bei der Drag-Kiez-Führung mit Olivia Jones. Würde das bei euch auf offene Arme stoßen?
Mark: Um es vorwegzunehmen: Wir hatten unsere Weihnachtsfeier im …
Dagmar: Pulverfass.
Ulli: Eine Institution also.
Mark: Ja, es war eine der coolsten Weihnachtsfeiern, weil die Stimmung einfach super ausgelassen war und wir eine echte Offenheit der Kolleginnen und Kollegen wahrgenommen haben. Also, das war wirklich ein cooles Fest. Deswegen glaube ich, dass wir bereit sind und dass die Akzeptanz in den Teams auf jeden Fall da ist.
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Ulli: Inwiefern könnte eine Ansprechperson aus der Community aus dem Team Brücken bauen, auch im Kundenverhältnis?
Mark: Ich glaube, enorme Brücken, weil ich finde, als Marke und das Feedback, das du auch von Interessenten bekommst, gibt es noch Berührungsängste und ich weiß gar nicht, ob ich in diesen Laden reinkommen darf. Und das ist eigentlich das komplette Gegenteil von dem, was wir ausstrahlen wollen. Transparenz.
Ulli: Dagmar, ist es aus Personalersicht schon möglich, beim Einstellungsgespräch diese Offenheit darzustellen und zu zeigen?
Dagmar: Definitiv. Fragen darf ich natürlich nicht. Wir hatten tatsächlich im Rahmen eines Einstellungsgesprächs in der Personalabteilung eine Transgender-Person, die dann für etliche Monate bei uns gearbeitet hat. Das war alles überhaupt gar kein Problem.
*Interview: Ulli Pridat / Transkription: Christian Knuth
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