Man muss es den Rechten ja lassen: Für eine plumpe Provokation sind sie sich selten zu schade. Eindrucksvolles Beispiel ist der sogenannte „Stolzmonat“, der seit 2023 immer im Juni als eine Art Anti-Pride-Kampagne gefahren wird. Statt Regenbogenfarben hisst man Deutschlandflaggen auf Social Media, statt für Vielfalt und Akzeptanz zu demonstrieren, wird zu Nationalstolz und Deutschtümelei aufgerufen – natürlich unterfüttert mit einer gehörigen Portion Queerfeindlichkeit. Drahtzieher des Ganzen: ein bunter Haufen aus rechtsextremen Influencern, der „Identitären Bewegung Deutschland“ (IBD) und ganz vorne mit dabei – wie könnte es anders sein – die AfD.
Doch die Rechnung wurde ohne die queere Community gemacht. Genauer gesagt, ohne den 23-jährigen YouTuber und Aktivisten Fabian Grischkat. Dem ging die rechte Vereinnahmung des Begriffs derart gegen den Strich, dass er zum Gegenangriff blies – und das mit einem ziemlich cleveren Schachzug.
Ein cleverer Nadelstich gegen Rechts
Anfang 2024, als die AfD in den Umfragen neue Höhen erreichte und sich die rechte Szene bereits für die nächste „Stolzmonat“-Runde warm lief, entschied sich Grischkat zu handeln. Nach juristischer Beratung meldete er den Begriff „Stolzmonat“ kurzerhand als Wortmarke beim Deutschen Patent- und Markenamt an. Sein erklärtes Ziel: den Begriff für die queere Community zurückzuerobern und die Erlöse aus Merchandising-Verkäufen für Projekte gegen Rechtsextremismus zu spenden.
Und genau das tat er dann auch. Unter der frisch angemeldeten Marke startete Grischkat eine eigene Merchandising-Linie mit T-Shirts, die Slogans wie „Queer & Proud“ tragen und Ikonen der Queer-Bewegung wie Magnus Hirschfeld zeigen. Ein genialer Coup, der die rechte Kampagne ad absurdum führt und ihr gleichzeitig die Möglichkeit nimmt, mit eigenem Merch Kasse zu machen.
Geld für den guten Zweck – Spenden an die Magnus-Hirschfeld-Stiftung
Alle Gewinne aus dem Verkauf der „Stolzmonat“-Artikel fließen an die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Eine Wahl mit hoher Symbolkraft: Magnus Hirschfeld war ein bedeutender Sexualwissenschaftler und Vorkämpfer für die Rechte von Queers, dessen Institut für Sexualwissenschaft 1933 von den Nationalsozialisten zerstört wurde. So werden die Gelder, die durch einen von Rechtsextremen gekaperten Begriff generiert werden, nun dafür eingesetzt, ebenjene Ideologien zu bekämpfen. Bis August 2024 kamen so bereits 10.000 Euro zusammen, die Grischkat an die Stiftung übergeben konnte.
Widerstand und die Folgen

Die Reaktionen aus dem rechten Lager ließen nicht lange auf sich warten. Der von dem AfD-nahen Anwalt Sascha Schlösser eingelegte Widerspruch macht den Fall zu einem juristischen Prüfstein. Kann ein Begriff, der bereits von einer Gruppe politisiert und genutzt wurde, von einer gegnerischen Gruppe für Gegenbotschaften als Marke eingetragen werden? Der Ausgang wird von komplexen juristischen Argumenten über Beschreibungscharakter, bestehende Nutzung (wenn auch vielleicht keine markenrechtlich geschützte Nutzung durch rechte Akteure) und möglicherweise auch über die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten abhängen. Die Tatsache, dass „Stolzmonat“ eine wörtliche Übersetzung von „Pride Month“ ist, könnte die juristische Bewertung zusätzlich verkomplizieren. Zudem tauchten schnell alternative Schreibweisen wie „STLZMNT“ auf, um die Marke zu umgehen. Grischkat selbst sah sich mit einer Welle von Hassnachrichten konfrontiert, von denen er einige zur Anzeige brachte.
Der „Stolzmonat“ ist ein Paradebeispiel für gelungenen Gegenaktivismus und macht Mut, dass der Kampf um die Deutungshoheit im Netz erfolgreich sein kann. Es bleibt abzuwarten, wie das Widerspruchsverfahren ausgeht, aber: Der „Stolzmonat“ ist schon jetzt auch eine queere Erfolgsgeschichte.