Der sogenannte synodale Weg hat am Wochenende seine vierte Synodalversammlung mit einer Reihe von Beschlüssen beendet. „Wir haben viel geschafft“, sagte die Präsidentin des synodalen Wegs und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, am Samstag in Frankfurt am Main. Allerdings wirkte weiter das Scheitern des Grundlagendokuments zur Sexualethik durch konservative Bischöfe nach, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, nannte dies einen „Schock“.
Auch die Erfolge (siehe weiter unten im Artikel) hätten allerdings die „Enttäuschung“ nach der „schmerzlichen“ Ablehnung des Grundlagenpapiers zu Sexualität und Partnerschaft nicht weggenommen, sagte der mit Stetter-Karp an der Spitze des synodalen Wegs stehende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Bätzing.
Ablehnung brachte synodalen Weg an den Rand des Scheiterns
Zwar war der Text von der Synodalversammlung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen worden, zugleich allerdings an fehlenden Stimmen aus den Reihen der anwesenden Bischöfe gescheitert. Von diesen müssen parallel ebenfalls zwei Drittel zustimmen. Bätzing beklagte erneut das Scheitern des „gelungenen, wunderbaren Signaltexts“.
„Am Donnerstag drohte diese Krise, uns auseinanderzureißen“, sagte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, Vizepräsident des synodalen Wegs. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf kritisierte seine Kollegen aus der Bischofskonferenz. Kohlgraf sagte dem SWR, die Bischöfe hätten nicht mit dem Nein gerechnet. Er kritisierte, dass einige der ablehnenden Bischöfe sich nicht in der Debatte zu dem Papier geäußert hätten und in der Deckung geblieben seien.
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Amtseinführung des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki. Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, Link
Zu den Gegnern des Papiers zählten die als dezidiert konservativ bekannten Bischöfe wie der Passauer Bischof Stefan Oster. Wie der Kölner Weihbischof Ansgar Puff dem Domradio sagte, stimmten alle vier Bischöfe aus Köln – darunter der Erzbischof und Kardinal Rainer Maria Woelki – gegen das Papier. Sie hätten sich vorher aber nicht miteinander abgestimmt, sagte Puff. Er selbst habe Teile des Textes gut gefunden, andere Teile aber nicht und deshalb mit Nein gestimmt. Bischof Bode verwies darauf, dass das im Raum stehende Scheitern des synodalen Wegs noch verhindert werden konnte.
„Es ist uns gelungen, beieinander zu bleiben und Brücken zu bauen.“
Frauen und Homosexuelle mit kleinen Fortschritten
Die Mitglieder des aus Laien und Klerikern bestehenden synodalen Wegs beschlossen unter anderem die Einrichtung eines Beraterorgans für die katholische Kirche in Deutschland, einen sogenannten Synodalen Rat. Außerdem stimmten sie auch einem Papier zur Neubewertung von Homosexualität zu. Der Vizepräsident des synodalen Wegs, Thomas Söding, sagte, mit dem geplanten Synodalen Rat gebe es ein Instrument, „um Synodalität auf Dauer zu stellen“. Er sprach von einem „Durchbruch“. Ebenfalls angenommen wurden Texte zur Neubewertung der Homosexualität in der Lehre sowie bereits am Vortag zur Teilhabe von Frauen an allen Diensten und Ämtern in der Kirche.
Nach der Bestätigung des zentralen Grundlagentexts zur Rolle der Frauen in der Kirche am Freitagabend hatte sich die Lage wieder entspannt.
Bätzing versprach nun, den nach der Versammlung „großen gepackten Koffer“ mit Forderungen nach Reformen mit nach Rom zu nehmen und dort „auf den Tisch der Weltkirche“ zu legen. Es gehe letztlich „um die Zukunft der Kirche“. Die gegenüber der Amtskirche kritische Gruppe Wir sind Kirche nannte die Vollversammlung ein „Abbild der dramatischen innerkirchlichen Situation“ der katholischen Kirche in Deutschland. Wir sind Kirche warf den Bischöfen eine „schlichte Argumentation“, eine nicht zu übersehende Polarisierung in der Bischofskonferenz und eine Verweigerung vieler Bischöfe, sich an inhaltlichen Debatten zu beteiligen, vor.
„#OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst“ enttäuscht
Auf einer digitalen Pressekonferenz haben die Aktivist*innen von #OutInChurch am 12. September noch deutlichere Worte gefunden. Mirjam Gräve, Beraterin im Synodalforum IV und Aktivistin bei #OutInChurch sagte:
„Die Abstimmung zum Grundtext zu den Grundlinien einer erneuerten Sexualethik war ein Schlag ins Gesicht für queere Menschen. Eine weitere Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrung. {...} So bitter es klingen mag, vielleicht war das auch ein Weckruf. Vielleicht musste unser Grundtext scheitern, damit danach andere Beschlusstexte durchgingen. Vielleicht waren wir das Bauernopfer. Nach dem jahrzehntelang währenden Kampf von Frauen in der Kirche, nach der MHG-Studie und nach #OutInChurch haben die Bischöfe kein Recht mehr naiv zu sein. Wie können einige der Bischöfe uns noch unter die Augen treten? Wie können sie noch Betroffenen von sexueller Gewalt unter die Augen treten?“
Hendrik Johannemann, auch Berater im Synodalforum IV und Aktivist bei #OutInChurch ergänzt:
„Viele der Bischöfe, so scheint mir, haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, mit offenem Herzen, mit wachem Auge für das Wirken des Heiligen Geists zu prüfen, was wir im Grundtext zu einer veränderten Sexuallehre der römisch-katholischen Kirche vorgelegt haben. Sie wollen das Schlechte, das Böse, das Verletzende, das Ausschließende, das Menschenverachtende dieser unseligen Lehre behalten. Und ja, diese 21 Bischöfe haben in diesem Moment Verachtung gezeigt – nicht nur für die prekäre Situation so vieler von Diskriminierung betroffener Menschen in der Kirche, sondern auch für ein synodales Miteinander und synodale Prozesse an sich, wie sie sich Papst Franziskus eigentlich für unsere Kirche vorstellt.
Von den ablehnenden Bischöfen hat fast keiner die Beteiligungsmöglichkeiten des Synodalen Weges genutzt. Sie haben keine Änderungsanträge gestellt, sie haben sich in der Debatte am Donnerstag größtenteils ausgeschwiegen.“
Bernd Mönkebüscher, Pfarrer in Hamm sagt:
„Wir haben aus dem Gespräch von #OutInChurch mit dem Vorsitzenden der DBK im Rahmen der Frühjahrsvollversammlung der DBK die Worte und die Zusage von Bischof Bätzing im Ohr, dass es bei einem Scheitern von Texten eine „Koalition der Willigen“ braucht. Genau das braucht es jetzt im Bezug auf das Grundsatzpapier des Forums IV, wie für Bistümer, die eine solche Koalition der Willigen bilden, das Grundsatzpapier handlungsweisend wird. Jedes Kirchenmitglied ist nun gefragt, sich zu verhalten. Die Abstimmungen sind öffentlich, die Haltungen der Bischöfe auch. Dazu kann sich jede und jeder verhalten.“
Prof. Gunda Werner von der Ruhr Universität Bochum betont:
„Wir haben beim Treffen mit den Bischöfen in Vierzehnheiligen im März angeboten, die Bischöfe mit unserer Expertise zu beraten. Wir haben damals deutlich gemacht, dass wir zu weiteren Gesprächen bereit sind, wenn die Bischofskonferenz sich in unsere Richtung bewegt hat. Beides ist nicht geschehen.
Wir fragen die Bischöfe, die dem Grundlagentext und den Handlungstexten des Forums IV zugestimmt haben: Haben Sie einen Plan B, wenn es keine Koalition der Willigen - wengistens für die Grundordnung - gibt? Wir erwarten, dass in der jeweiligen Diözese die Grundordnung und die Missio Canonica Ordnung außer Kraft gesetzt ist, bis es eine neue Grundordnung und neue Normen für die Vergabe der missio canonica gibt. Wenigstens diese Forderung von #OutInChurch muss umgesetzt werden in diesem Herbst. Der Dissens der Bischofskonferenz ist öffentlich und performativ – das Handeln der einzelnen deswegen umso wichtiger.“
Jens Ehebrecht-Zumsande aus dem Bistum Hamburg fast zusammen:
„Das Vertrauen vieler LGBTIQ+ Katholik*innen in die deutschen Bischöfe ist durch die Vorgänge in der Synodalversammlung nachhaltig zerstört. Wie sollen wir den Bischöfen noch ernsthaft vertrauen, dass sie die abgestimmten Handlungstexte wirklich umsetzen, oder sich für die Weiterentwicklung der Sexualmoral auch in Rom einsetzen? Von der Initiative #OutInChurch werden wir Papst Franziskus darum selbst schreiben und ihm unsere Änderungsvorschläge für den Katechismus vorlegen.“
*AFPran/hcy/ck