Bunte Outfits, Regenbogenflaggen und Partystimmung: Rund 250.000 Menschen haben am Samstag beim Christopher Street Day in Berlin für Toleranz und geschlechtliche Vielfalt demonstriert. Ausgestattet mit Schirmen und Regenjacken starteten die Teilnehmenden am Mittag bei Regen in der Nähe des Alexanderplatzes. Mehr als sieben Kilometer ging es dann bei besserem Wetter weiter bis zu Siegessäule, wo die Kundgebung mit dem diesjährigen Motto „Nur gemeinsam stark – für Demokratie und Vielfalt“ endete.
Foto: Ralf Hirschberger / AFP
GERMANY-PRIDE-CSD
CSD Berlin 2024
Laut Polizei nahmen rund 250.000 Menschen am Demonstrationszug teil. Zu diesem gehörten zudem 75 Trucks und mehr als hundert angemeldete Fußgruppen. Eine der Hauptforderungen war in diesem Jahr eine Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes, welcher die Gleichheit vor dem Gesetz garantiert. Hier sollten auch queere Menschen aufgenommen werden, forderte der Berliner CSD-Verein.
Für den Schutz der Teilnehmenden sorgte die Polizei mit rund 1.200 Kräften. Diese hielten einem Polizeisprecher zufolge auch eine 28-köpfige rechte Gruppierung davon ab, zu dem Aufzug zu gelangen. Die minderjährigen Mitglieder der Gruppe wurden wieder entlassen, die volljährigen bis etwa Mitternacht in Anschlussgewahrsam genommen. Bis auf diesen Vorfall sei aber „alles friedlich und harmonisch“ verlaufen, sagte der Polizeisprecher der Nachrichtenagentur AFP. Auch die Veranstalter ziehen eine positive Bilanz.
Foto: Brigitte Dummer
Der Vorstand des Berliner CSD e.V. (v.l.n.r.): Thomas Hoffmann (Sonderbevollmächtigter des Vorstands „Vorstandsbeirat“), Lisa Paus (Bundesfamilienministerin), Ulli Pridat (Vorstand), Manfred Lehmann (Vorstand), Sven Lehmann (Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, MdB), Mara Geri (Vorständin) und Marcel Voges (Vorstand) bei der Eröffnungsrede.
„Die Bewegung hat uns Hirn und Herz geöffnet.“
Gefeiert wurde auch nach dem Ende der Demonstration noch: Die Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor ging bis Mitternacht – mit Herbert Grönemeyer als Stargast. Der Musiker steht wie kein anderer für das diesjährige CSD Motto „Demokratie und Vielfalt“ ein und hielt vor seinem Auftritt eine kurze Rede, in der er unter anderem die Verdienste der Schwulenbewegung pries. Durch diese sei die Welt plötzlich bunt geworden, sagte Grönemeyer. „Die Bewegung hat uns Hirn und Herz geöffnet.“ Der Sänger rief weiter dazu auf, für den Erhalt der Demokratie zu kämpfen. Diese würde durch „fundamentalistische, faschistische Kräfte attackiert“. Grönemeyer forderte den Artikel 3 des Grundgesetzes dahingehend zu ergänzen, dass niemand wegen seiner geschlechtlichen oder sexuellen Identität benachteiligt werden dürfe – „und das sofort, klar und zackig“. Zum Schluss seiner Rede betonte der 68-Jährige: „Die Zukunft ist und bleibt bunt.“
Keine Eröffnungsrede von Berlins Regierendem Bürgermeister
Eröffnet wurde der Demonstrationszug mit Reden der Aktivistin Sophie Koch vom Queeren Netzwerk Sachsen und des CSD-Vorstands, ein Grußwort sprach Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hielt entgegen der Tradition in diesem Jahr nicht die Eröffnungsrede, nahm aber an der Kundgebung teil.
Mit dem CSD als Höhepunkt würden die Werte gefeiert, hatte Wegner vorab erklärt, „auf denen Berlin als Regenbogenhauptstadt gebaut ist: Freiheit, Toleranz und Vielfalt“. In der queeren Community seien viele Menschen beunruhigt, dass das weltoffene, tolerante Klima der Stadt in Gefahr sei. „Berlin ist und bleibt die Stadt der Freiheit und der Menschenrechte“, stellte der Regierende Bürgermeister klar. „Dafür setzen wir uns ein – gemeinsam mit der queeren Community.“
Foto: Ralf Hirschberger / AFP
CSD Berlin 2024
„Europaweit erleben wir einen gesellschaftspolitischen Backlash: immer mehr Gewalt gegen LSBTIQ*, auch hier in Deutschland“, hatte Familienministerin Lisa Paus vorab zum CSD mitgeteilt. „Die Antwort darauf muss lauten: mehr Solidarität mit LSBTIQ*“, betonte die Ministerin. Daher sei es ihr ein besonderes Anliegen am Berliner CSD teilzunehmen und deutlich zu machen: „Wir stehen gemeinsam für Vielfalt und gegen jede Form von Ausgrenzung und Hass.“
Ebenfalls teil nahm unter anderem der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev. Es gehe „um Freiheit und Stolz, ein Mensch zu sein“, schrieb Makeiev auf X. „Um das Recht zu leben und das Recht zu lieben. Es geht um Werte, die die Ukraine mit Waffen verteidigt.“
Foto: Gamze Vural
Auf dem Führungstruck des Vorstands machten Vertreter*innen verschiedener Prides und Projekte aufmerksam auf die Umstände in ihren Ländern und sprachen deren Forderungen an. Dabei waren unter anderem Derrick Kimera (Let’s Walk Uganda) und das „Rangin Panah - Afghanistan Project“.
Soul of Stonewall Awards
Die Kundgebung erinnert an den 28. Juni 1969, als die Polizei die Schwulenbar Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street stürmte, worauf tagelange Zusammenstöße zwischen Aktivisten und Sicherheitskräften folgten. Der Aufstand gilt als Geburtsstunde der modernen Schwulen- und Lesbenbewegung.
Einer der Höhepunkte der Abschlusskundgebung des CSD Berlin war die Verleihung der Soul of Stone Wall Awards an Persönlichkeiten und Vereinigungen aus aller Welt. Den Soul of Stonewall Awards 2024 erhielten:
1. ZUSAMMENHALT IN DER COMMUNITY für Brix Schaumburg
Laudatio: Tessa Ganserer (MdB, Die Grünen), überreicht durch Lex Grassmann
2. INTERNATIONAL ACTIVISM für Kasha Nabagesara angenommen durch Emmy Lubega - HE/HIM
Laudatio: Matt Beard
3. SPORT für Felicia Mutterer
Laudatio: Monique King
4. COMMUNITY ENGAGEMENT für Travestie für Deutschland vertreten durch Jacky Oh Weinhaus
Laudatio: Jurassica Parka
5. LEBENSWERK für Ipek Ipekcioglu
Laudatio: Dr. Nivedita Prasad
* AFP/sah