Nachdem 2019 die Orga des Lesbenfrühlingstreffen (LFT) versuchte, trans* und nicht-binäre Lesben aktiv einzubeziehen, ist das diesjährige Treffen von trans*feindlichen Veranstaltungen durchzogen. Eine harte und folgenreiche Wende für die wichtigste lesbische Veranstaltung in Deutschland.
Was ist das Lesbenfrühlingstreffen?
Gegründet 1974 in Berlin unter den damaligen Namen Pfingstlesbentreffen, ist das LFT eine bundesweite und teilweise sogar internationale Veranstaltung für lesbisches Leben. Bis zu mehrere Hundert Personen werden jedes Jahr zu der sich über drei Tage spannenden Zusammenkunft erwartet. Über die Jahre hat sich die Tradition entwickelt, jedes Jahr den Veranstaltungsort zu wechseln. Dieses Jahr wäre Bremen dran gewesen, durch die Pandemie wird das LFT2021 vom 21. bis 23. Mai online abgehalten. Inspiriert wurde der Artikel von der Twitter-Userin Lou, die selbst eine großartige Analyse des LFT-Programms verfasste.
Wer organisiert das diesjährige Treffen?
Das Bremer LFT wird von einer Orga-Gruppe organisiert, von denen einige Mitfrauen bei den GRAUGÄNSE - Lesbisch.Feministisch.Links sind, ausgerichtet**. Die Gruppe organisiert sich auf Facebook in einer geschlossenen Gruppe mit mehr als 400 Mitgliedern. Ilona Bubeck, Julika Martel und Susanne Bischoff sind wichtige Figuren in der Vereinigung. Die Gruppe ist für trans* und nicht-binäre Lesben nicht offen:
„Die Gruppe ist für Lesben - Frauen liebende Frauen, Frauen, die lesbisch leben, Late Bloomers, Ur- und Bewegungslesben, Lesben mit und ohne Kinder, Lesben mit Handicaps, Lesben aller Ethnien, Lesben unterschiedlicher Hintergründe... Darin eingeschlossen sind intersexuelle und detrans-Lesben.”
Das heißt konkret und so auch in der Einladung zum LFT formuliert: trans* und nicht-binäre Lesben sind auf dem diesjährigen LFT nicht in der Gruppe der eingeladenen Lesben.
Wer moderiert?
Das Programm besteht aus verschiedenen Themen, die von Diskussionen der Leihmutterschaft bis zu Tanzveranstaltungen reichen. Drei Moderatorinnen begleiten das LFT: Julia Beck, Prof. Dr. Simone Danz und Mahide Lein. Julia Beck ist besonders hervorzuheben, da die US-Amerikanerin in verschiedenen Kampagnen mit der Women’s Liberation Front (WoLF) gearbeitet hat.
Was macht die WoLF?
- Die WoLF ist eine radikalfeministische Non-Profit-Organisation, die 2013 von Lierre Keith gegründet wurde, um Rechte von trans* Menschen zu bekämpfen. 2016 verklagten sie beispielsweise die von Barack Obama geführte Regierung wegen dem Versuch trans* Schüler*innen die Nutzung von der richtigen Toilette gewähren zu lassen. Ein Ableger der Organisation hat es nach Deutschland geschafft und wird mit einem virtuellen Stand auf der LFT vertreten sein: Auf der deutschen Facebook-Seite der WoLF thematisiert jeder zweite Artikel trans* Menschen und ihre vermeintliche Gefahr für cis Frauen. In einem Beitrag lehnen sie sogar die geplante Änderung des Antidiskriminierungsparagrafen im Grundgesetz ab. Der Zusatz von sexueller Identität würde Pädophilie legalisieren.
Julia Beck sagte 2019 im Zuge ihrer Arbeit mit dem WoLF vor dem Kongress aus, um sex (biologisches Geschlecht) statt Geschlechtsidentität im Violence Against Women Act (Gesetz gegen frauenspezifische Gewalt) zu behalten.
Foto: Screenshot von House Committee on the Judiciary
Julia Beck sagt 2019 vor dem Kongress aus, um trans* und intersexuelle Frauen aus dem Gesetz Violence Against Women Act herauszunehmen.
Programm
Mehrere Veranstaltungen sind explizit trans*feindlich konzipiert. Wir stellen einige der krassesten Beispiele vor:
„Genderidentität anstatt Geschlecht – Ein trojanisches Pferd für die Frauen?” von Gunda Schumann
- Schumann ist mit dem Lesbischen Aktionszentrum West reloaded xx (LAZ reloaded xx) organisiert. Das LAZ war in den 1970er eine der wichtigsten lesbischen Vereinigungen und hat maßgeblich das LFT mitbegründet. 2018 wurde das LAZ reloaded xx neu gegründet. Die Gruppe ist wie die Graugänse explizit trans*- und interfeindlich:
„Willkommen sind generell alle Frauen (XX), die die Werte des Grundgesetzes teilen - lesbisch, bi oder heterosexuell.”
- Die Betonung von den XX-Chromosomen im Namen und im Manifest offenbaren ihr biologistisches Verständnis von Geschlecht. Die Gruppe wurde vom Grūndungsverein des geplanten Queeren Kulturhaus in Berlin gefördert. Schumann ist letztes Jahr selbst schon mit einem trans*feindlichen Vortrag im Rahmen von Queer Nations (QN) aufgefallen. Sie sagte ihn nach großer Kritik wieder ab. Das Queere Kulturhaus verlor im Streit um den Vorfall den Rūckhalt so vieler Entscheider*innen der Hauptstadt, dass es als gescheitert gilt. Beim LFT ist Schumann wieder zurück und will in der Veranstaltung die vermeintlich allgegenwärtige Auflösung von Geschlechterdifferenzen thematisieren. Darin sieht sie für Frauen und Lesben folgende Gefahren:
„Rückfall in Geschlechtsrollenstereotype, Negation des homosexuellen Begehrens, bei gleichzeitiger Sterilisierung und Verstümmelung ihrer Körper, Beseitigung geschützter und autonomer Frauenräume, Auslöschung der Kategorie im öffentlichen Rechtsverkehr und damit auch der Frauenrechte und des Feminismus.”
„Lesbenphobie und Frauenfeindlichkeit aus der «queeren» Szene.” von den RADDYKES
- Der Name RADDYKES ist ein Abkürzung von „radical” und der lesbischen Subgruppe „dykes”, somit ist die Gruppe radikalfeministisch lesbisch. Der Programmpunkt soll als Strategiefindung dienen, um lesbenfeindlichen Aussagen aus der queeren Community begegnen zu können. Unter lesbenfeindlich wird auch der manchmal verwendete Slogan „Hearts not parts” verstanden.
Der Spruch würde „Homosexualität trivialisieren oder die Relevanz des Körpers in der Sexualität abstreiten”.
Foto: Logo LAZ reloaded xx
Das LAZ reloaded xx ist an mehreren Veranstaltungen beteiligt.
Lesbische Identität stärken –Geschichte bewahren – Räume schaffen – vernetzen” von Christine und Wiebke (LAZ reloaded xx)***
- In der Veranstaltung sollen junge Lesben von der „Genderideologie” gerettet werden. Interessant ist der folgende Satz in der Beschreibung:
“Genderkritische Lesben geben sich zu erkennen, schaffen eine Plattform zum Austausch miteinander und zur Planung von Aktionen.”
- „Genderkritisch” oder im englischen „gender critical” wie „Trans-Exclusionary Radical Femininist (TERF)” ist ein Erkennungsmerkmal für trans*feindliche Ideologie. In der Beschreibung wird wie in der Veranstaltung der RADDYKES aktiv zur Organisation von trans*feindlichen Lesben aufgerufen. Wenn man die Größe des Events bedenkt, ist solch ein Zusammenschluss hochgefährlich.
„Separatism as a strategy for the liberation of women” von Susan Hawthorne
- Hawthorne ist eine australische Schriftstellerin und will den lesbische Separatismus wiederbeleben. Separatismus ist eine Bewegung des politischen Lesbentums aus den 1970ern. Diese sind die direkten Vorgängerinnen zum heutigen trans*feindlichen Radikalfeminismus. Separatismus ist eine politische Lebensweise, das ganze Leben auf Frausein und Frauen auszurichten. In der Beschreibung wird ein Vergleich zwischen trans* Frauen und Kapitalist*innen bemüht:
„The proletariat did not ask capitalists to join their group, but women are expected to welcome with open arms men who claim to be women. This is an expectation even in prisons, refuges and rape crisis centres and women wanting to achieve in sports and the arts are expected to allow men to take out the prizes.”
(Das Proletariat hat Kapitalist*innen nicht in ihre Gruppe eingeladen, aber von Frauen wird erwartet, dass sie Männer, die sich als Frauen ausgeben, willkommen heißen. Das ist eine Erwartung, die sogar in Gefängnissen, Asylunterkünften und Frauenhäusern gilt. Frauen, die künstlerische oder sportliche Erfolge erzielen wollen, müssen akzeptieren, dass Männer ihnen ihre Preise wegnehmen.)
- Hawthorne zeigt mit diesem Statement, dass sie trans* Frauen als Frauen nicht respektiert und sie sogar als Gefahr für berufliche Erfolge für cis Frauen versteht. Zudem unterstellt sie trans* Frauen ein erhöhtes Gewaltpotenzial gegenüber cis Frauen. Körperliche Gefahr muss jedoch nicht von trans* Frauen erwartet werden: Auf einer Toilette angegriffen zu werden ist für eine trans* Frau wesentlich wahrscheinlicher als für eine cis Frau.
Macht – Sinnlichkeit – Würde: Feministische Positionen um Körper
- Ein Panel mit Prof. Dr. Monika Barz, Dr. Susan Hawthorne, Isabel, Dr. Renate Klein, Dr. Inge Kleine, Isabel Kwarteng und Dr. Astrid Osterland. Das Panel will den Körper als feministische Theoriegrundlage diskutieren. In welche Richtung sich die Diskussion bewegen wird, ist mit den Panelteilnehmerinnen schon entschieden: Neben Hawthorne sind Prof. Dr. Monika Barz und Dr. Inge Kleine hervorzuheben. Die beiden unterschrieben im letzten Jahr einem offenen Brief, um geschlechtliche Identität aus dem Verbot gegen Konversionstherapien für Minderjährige zu streichen.
Was erwartet uns?
Trans*feindlichkeit beim LFT nicht versteckt, sondern offen zur Schau getragen wird, ist sehr bedenklich. Es zeigt, dass sich TERFs in Deutschland wohlfühlen und mit der Akzeptanz ihres Hasses rechnen. Durch die Größe und Internationalität des Events kann mit einer bisher nicht möglich gewesenen Zusammenschluss von TERFs gerechnet werden. Wenn man nach Großbritannien und den USA schaut und deren Querschluss mit Rechten für trans*feindliche Gesetzgebung bedenkt, werden die nächsten Jahre für trans* und nicht-binäre Menschen sehr gefährlich.
Appell
Lesbische Personen und Organisationen sollten ihre Teilnahme am diesjährigen LFT überdenken. Wenn trans* und nicht-binäre Lesben nicht eingeladen werden und einige Veranstaltungen von Trans*feindlichkeit strotzen, ist die Frage, was mensch auf so einer Veranstaltung möchte. „Einer für alle, alle für einen„ wird hier auf den Prüfstand gebracht. Eine solidarische Haltung gegenüber geschlechtsdiversen Lesben wäre es, den LFT zu boykottieren, denn nicht nur offen trans*feindliche Personen sind eine Gefahr. Jede Person, die kritiklos neben TERFs steht, lässt trans*, inter und nicht-binäre Menschen im Stich.
** in der ursprünglichen Version des Artikels stand: „Das Bremer LFT wird von der Gruppe GRAUGÄNSE - Lesbisch.Feministisch.Links ausgerichtet.“
*** in der ursprünglichen Version des Artikel stand: „Christiane Wiebke"