Foto: Georg Hochmut / APA / AFP
AUSTRIA-GERMANY-POLITICS-DIPLOMACY-ASYLUM
Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin des Innern und für Heimat von Deutschland)
Was am 17. Mai vorab für die Kriminalitätsstatistik 2023 durchsickerte war bereits beunruhigend (zum m* Bericht). Was dann aber diese Woche von Bundesinnenminsterin Nancy Faeser an Zahlenwerk veröffentlicht wurde, schockiert:
Die Statistik Politisch Motivierte Hasskriminalität stieg im Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ von 1.005 Fällen im Jahr 2022 auf 1.499 Fälle. Im Unterthemenfeld „geschlechtsbezogene Diversität“ wurden 2022 417 Fälle gemeldet, für 2023 854 Fälle. Mehr als doppelt so viele!
Anders aufbereitet:
Jeden Tag werden in Deutschland sechs Vorfälle queerfeindlicher Hasskriminalität gemeldet.
Auch Gewalttaten auf neuen Höchstständen
Gegen die „sexuelle Orientierung“ richteten sich 2022 noch 227 Gewaltdelikte, 2023 waren es 288, darunter 268 Körperverletzungen!. Für „geschlechtsbezogene Diversität” wurde 117 Gewaltdelikte, mit 109 Körperverletzungen erfasst.
Bedingt aussagefähig erscheint die Zuordnung der möglichen Motive: Hier geht der Großteil der Fälle auf das diffuse Motiv „sonstige Zuordnung", gefolgt von knapp einem Drittel im Motivbereich „Rechts”. Nur gering zweistellig folgen weit abgeschlgen „ausländische Ideologie”, „religiöse Ideologie” und „links”.
➡️ die Zahlen des Bundesinnenministeriums
Einordnung und Forderungen
Foto: Caro Kadatz
Andre Lehmann ist Mitglied des LSVD-Bundesvorstand
Andre Lehmann aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) lieferte nicht nur eine statististische Einordnung zum Besipiel zum Dunkelfeld, sondern schlug auch konkrete Maßnahmen vor, die wir hier dokumentieren.
„Wir sind entsetzt über diesen weiteren deutlichen Anstieg. Bereits seit Beginn der Erfassung 2017 steigen die Zahlen von Hasskriminalität gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche sowie weitere queere Menschen (LSBTIQ*) immer weiter an. Die dramatischen Zahlen machen deutlich: Die gesamte Bundesregierung inklusive Bundeskanzler Scholz muss dafür sorgen, dass sich die Lage nicht noch weiter verschärft. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich nicht nur durch das Hissen von Regenbogenflaggen, sondern durch längst überfällige Gesetzesanpassungen unmissverständlich für die Sicherheit und Menschenrechte von LSBTIQ* einzusetzen. Dazu gehört, dass das Diskriminierungsverbot in Artikel 3,3 des Grundgesetzes queere Menschen explizit einschließt. Diese Grundgesetzänderung ist längst überfällig! Die weiteren noch offenen queerpolitischen Vorhaben der Bundesregierung könnten angesichts der Zunahme der Angriffe auf LSBTIQ* und der fortgeschrittenen Legislaturperiode nicht drängender sein.
Queere Menschen müssen in Deutschland jedes Mal darüber nachdenken, ob sie beispielsweise in der Öffentlichkeit Händchen halten oder anders als queer sichtbar sind. Das ist ein deutlicher Einschnitt in die persönliche Freiheit und das Sicherheitsempfinden von Millionen Menschen in diesem Land. Das darf unsere Gesellschaft nicht weiter ignorieren. Und dennoch blieb ein gesellschaftlicher Aufschrei über das verschärfte Klima gegenüber LSBTIQ* bislang aus. Wenn eine Minderheit wie LSBTIQ* verbal und physisch immer öfter angegriffen wird, dann ist unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gefahr, die auf der Gleichwertigkeit der vielfältigen Lebenswelten aufbaut. Das geht die gesamte Gesellschaft an! Deshalb fordern wir alle auf, bei den kommenden Kommunal-, Landtags- und Europawahlen nur queerfreundliche Parteien zu wählen."
Zum Hintergrund:
Wir gehen von einem Dunkelfeld von 80 bis 90 Prozent aus. Viele Betroffene zeigen die Übergriffe nicht an, weil die eindeutige Feststellung eines queerfeindlichen Motivs schwierig ist und Betroffene aus Scham oder Misstrauen gegenüber der Polizei Straftaten teilweise nicht melden. Laut der Umfrage EU-Grundgechteagentur FRA von 2024 meldeten nur zehn Prozent der Polizei einen queerfeindlichen Vorfall. Zudem erfassen immer noch nicht alle Bundesländer die regionalen Zahlen an queerfeindlicher Hasskriminalität. Mit einer solchen Erfassung würden sie deutlich machen, dass ihnen das Thema wichtig ist. Neben den heute erschienenen Zahlen zeigt auch die FRA-Umfrage von letzter Woche eine Zunahme an Queerfeindlichkeit. Für die Anpassung des Artikel 3,3 des Grundgesetzes sprach sich am Wochenende auch Ferda Ataman als Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung aus.
Linksammlung zum Schmökern und Nachvollziehen:
- Homophobe Gewalt: Angriffe auf Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ*) (lsvd.de)
- Alltag: Homophobe und transfeindliche Gewaltvorfälle in Deutschland (lsvd.de)
- IDHOBITA: Antidemokratische Parteien lösen mehr und mehr Angriffe und Anfeindungen auf LSBTIQ* Personen aus (lsvd.de)
- 30 Jahre ohne Kriminalisierung durch § 175 StGB (lsvd.de)
- LGBTIQ Survey - Country factsheet - Germany (europa.eu)
- BKA - Politisch motivierte Kriminalität - Vorstellung der Fallzahlen zur Politisch motivierten Kriminalität 2023
*ck/LSVD
Info LSVD
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) ist ein Bürgerrechtsverband und vertritt Interessen und Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie weiteren queeren Menschen (LSBTIQ*). Menschenrechte, Vielfalt und Respekt - wir wollen, dass LSBTI als selbstverständlicher Teil gesellschaftlicher Normalität akzeptiert und anerkannt werden.
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