Der Paragraf 175 – eine deutsche Geschichte
Bis 1994 gab es in Deutschland mit dem Paragraphen 175 des Strafgesetzbuches eine staatliche, strafbewehrte Verfolgung Homosexueller. Am 10. März 1994 wurde das Ende dieser menschenrechtswidrigen Praxis beschlossen. Am 11. Juni 1994 trat die Reform in Kraft. Erst 2017 werden die nach § 175 StGB verurteilten Männer rehabilitiert. Bis dahin waren Bürger, die bis 1994 nach Paragraf 175 des Strafgesetzbuches, also wegen homosexueller Handlungen angeklagt und verurteilt wurden, vorbestraft, und eventuell geoutet, ihren Job und die Karriere los.
175
2022 jährte sich die Einführung des Paragrafen 175 ins Strafgesetzbuch des damaligen Deutschen Reiches das 150. Mal. Dieser Paragraf war es, der von den Nazis verschärft und dann bis 1969 in der Bundesrepublik unverändert weiter gültig, für das Leid zigtausender Männer und Frauen verantwortlich war. Erst 1994 wurde er endgültig gestrichen, erst 2017 wurden die bundesdeutschen Opfer des § 175 rehabilitiert, erst 2018 bat Bundespräsident Frank Walter Steinmeier sie um Vergebung.
Auch wegen dieser speziellen deutschen Verfolgungsgeschichte unter dem Paragrafen 175, ist der 17.5., der IDAHOBIT, in der Bundesrepublik ein historisch besonders aufgeladenes Datum.
Die WHO und queer als Krankheit
Am 17. Mai 1990 strich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität aus ihrer Liste der Krankheiten. Seit dem ist ein schwuler Mann, eine lesbische Frau nicht mehr pathologisch krank. Waren sie selbstverständlich auch davor nicht, das sahen aber Mediziner*innen eben lange Jahrzehnte anders. Der 17. Mai markiert daher einen wichtigen Meilenstein in der Anerkennung von Homosexualität als natürliche Variante der menschlichen Sexualität und nicht als Krankheit. Der IDAHOBIT bietet seit 2005 eine Plattform, um die Vielfalt der LGBTIQ*-Community zu feiern, Solidarität mit Betroffenen von Diskriminierung und Gewalt zu zeigen und für Akzeptanz und Gleichberechtigung zu werben.
Foto: Delia Giandeini, unsplash.com, gemeinfrei
Trans Pride
Im Verzeichnis der Krankheiten, dem „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems” wurde bis zur 11. Version dieses Kataloges „Transsexualismus” als psychische Erkrankung geführt. Der ICD-11, der im Juni 2018 veröffentlicht wurde, erhielt die neue Diagnose „Geschlechtsinkongruenz”. Sie ersetzt die frühere Diagnose „Transsexualismus” und ist nicht mehr unter den psychischen Störungen, sondern unter den „Zuständen, die mit sexueller Gesundheit verbunden sind”, aufgeführt. Diese Änderung ist ein wichtiger Schritt zur Entpathologisierung von Transidentität und zur Anerkennung, dass Transsexualität keine psychische Störung ist. Der „Internationale Tag gegen Homobhobie (IDAHO)” erhielt spätestens dann seine Erweiterung um ein T, um auch an die strukturelle Transphobie in den Gesellschaften zu erinnern.
Der 17. Mai 2024 – wieder ein deutscher Sonderweg?
Am morgigen Freitag wird der Bundesrat über das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz bescheiden. Es soll nach Jahrzehnten der Arbeit von Verbänden und Einzelpersonen endlich das menschenrechtswidrige Transsexuellengesetz ablösen. Damit würde Deutschland in der Anerkennung von geschlechtlicher Selbstbestimmung des Einzelnen einen großen Schritt machen. Auf den letzten Metern regt sich aber noch einmal Gegenwehr gegen das Gesetzesvorhaben. männer* sprach darüber vor einigen Tagen mit der Aktivist*in Jenny Wilken.