Die am 31. August 1931 in Paris geborene und als Junge definierte spätere Jacqueline Charlotte Dufresnoy wurde in den Nachkriegsjahrzehnten ihrer Heimatstadt unter dem Namen Coccinelle (französisch für Marienkäfer, aber auch abwertend für Ungeziefer) als Sängerin und Entertainerin bekannt. Sie begann ihre Karriere als Künstlerin 1953 im „Mme. Arthur“ wo sie auf Marie-Pierre Pruvot, alias Bambi traf. Eine Freundschaft und Arbeitsbeziehung, die bis an Jaquelines Lebensende 2006 hielt. Etwas später trat sie auch im „le caroussel“ mit anderen späteren Berühmtheiten der Travestiekunst wie April Ashley und – angeblich – Amanda Lear auf. In Paris entwickelte sich in jener Zeit die Lust nach den verlorenen liberalen Freiheiten des Berlins der 1920er-Jahre. Für geschlechtliche und weniger auch sexuelle Minderheiten bildeten sich so Schutzräume, die gleichzeitig für eine Einkommen sorgten. Zumindest für die Zeit der Jugend.
Grafik: Google
Google ehrt die Künstlerin und Aktivistin für trans Rechte in Frankreich heute weltweit mit diesem Doodle
Coccinelle war von Beginn an anders als die meisten ihrer Kolleg*innern: Sie kam bereits als selbstbewusste Frau in das Nachtleben, nicht als vermeintlicher Crossdresser. Einer beliebten Scharade schamgetriebener schwuler Männer, Sittenwächter waren solche Feinheiten egal, Repressalien gehörten zum Leben aller Queers. Als „zu mädchenhaft“ wurde Coccinelle mit 17 nach nur sechs Tagen aus dem Militärdienst geschmissen und auch für die Fabrikarbeit wurde sie als nicht tauglich verlacht.
Sie entschied trotzig ihren seit der Kindheit gehegten Traum umzusetzen und nur noch als Frau in Erscheinung zu treten, was sie bis an ihr Lebensende mit Power tat. Mit soviel Frauenpower, dass sie nicht nur die erste Namensänderung Frankreichs durchsetzte, worauf ihre Ehe geschieden wurde und sie aus der Katholischen Kirche exkommuniziert wurde. Für die fromme Kirchenbesucherin ein unhaltbarer Zustand. Schon knapp drei Jahre nach ihren – in Frankreich verbotenen – geschlechtsangleichenden Maßnahmen, erreichte sie die – ebenfalls verbotene – erste Personenstandsänderung der Republik. Eine Sensation, die sie weltweit bekannt und zu einer der wichtigsten Gründungsfiguren der trans Emanzipationsbewegung in Frankreich machte. Die zweite neue Liebe erhielt trotz Rausschmiss den Segen der Kirche bei einer Traumhochzeit in Notre Dame. Tourneen und zeitweise Wohnsitzwechsel nach Kanada und Berlin – dort unter anderem mit Engagements bei Romy Haag – sorgten für finanzielle Sicherheit, die sie für ihre unablässige Menschenrechtsarbeit gut gebrauchen konnte.
Dieser noch bis kurz vor dem Tod am 9. Oktober 2006 fortgesetzte Aktivismus für trans Rechte wurde in der französischen Politik nicht vergessen: Am 18. Mai 2017 eröffnete die Stadt Paris feierlich die „Promenade Coccinelle“ unweit ihrer frühen Wirkungsstätten zwischen Nr. 2 und Nr. 16 des Boulevard de Clichy. Es war die erste Straßenbenennung zu Ehren und mit dem Namen eines trans Menschen in Europa.
Ideologisches Gebäude ...
Über Marie-Luise Vollbrecht ist viel geschrieben worden. Zurecht. Sie biegt die Realitäten ihres Fachbereichs der Biologie in die Fugen eines ideologischen Überbaus, eines protofaschistischen Feminismus. Das böse Adjektiv vor dem so wichtigen Frauenkampfterminus deshalb, weil dieser Feminismus nicht nur eine – fragwürdige – Definitionshoheit darüber beansprucht, welcher Mensch Frau ist. Menschenrechtsfeindlich ist eine Idee bereits, wenn sie Menschen das Recht auf Selbstbestimmung in Frage stellt.
Alle Alarmglocken sollten aber klingeln, wenn neben einem Ideal ein Feindbild etabliert wird. Die Netzwerke in denen sich Frau Vollbrecht bewegt, entwickeln unter Ausnutzung der Freiräume unserer offenen Gesellschaft im Wechselspiel mit Medien und Politik diffuse Narrative der Angst vor sexuellen Übergriffen, einem Neidreflex zur Besitzstandswahrung unter Frauen vor Männern, die zu weich oder faul für die Männerwelt geworden seien und deswegen den leichten Weg gehen. Als trans Frau, sozusagen als Wolf im Schafspelz, der das Nest bedroht. Ganz offen abwertend in liebster Tradition formuliert: Der Mann im Frauenkleid hätte leichtes Spiel gegen Frauen. Kein Schutzraum, keine mühsam erkämpfte Position, keine Damentoilettewäre ist mehr sicher.
... mit pseudowissenschaftlichem Tragwerk:
Frau Vollbrecht argumentiert auf Twitter, trans Frauen hätten im Dritten Reich – anders als jüdische Menschen – nur eine medizinische Behandlung über sich ergehen lassen müssen, um den bereits in der Kaiserzeit eingeführten „Transvestitenschein“ zu erhalten, der vor Verfolgung und sicherem Tod geschützt hätte.
Nicht nur ist diese völlig unnötig aufgemachte Opferstatus-Debatte in ihrer Verharmlosung ungewollter, zwangsmäßiger medizinischer Versuchs-Behandlungen und -Operationen reichlich forsch, der Stand der laufenden historischen Forschung dazu verbietet eine derart polemische Deutung eigentlich schon aus Respekt vor der Arbeit der Historikerkolleg*innen.
Die wenigen Historiker*innen, die sich trotz langem Schatten des 175ers diesem Bereich widmen, hatten in den letzten Jahren übrigens sehr viel damit zu tun, jenem Patriarchat klar zu machen, dass Nichtganzreinefrauen (Lesben/Butches) auch Opfergruppe der wahnsinnigen Jagd auf alles Nichtreine zwischen 1933 und 1945 waren. Der gemeinsame Feind der gleichberechtigten Frau hatte gar nicht vor, seinen Penis umformen zu lassen, um sich beruflich Gedöns zu widmen. Das hat er dank Erbengeneration und intakten Bünden selbst als Flachpfeife seines Faches viel zu oft immer noch nicht nötig. Leider. Ein Historiker lebte diese Privilegien so geschickt und genüßlich toxisch vor, dass es trotz fachlicher und gesellschaftlicher Notwendigkeit, trotz Einsatz des Bundespräsidenten, Jahre, Geld und zuletzt harter Bandagen brauchte, die real existierend Verfolgung und Zerstörung lesbischen Lebens der NS-Zeit offiziell sichtbar machen zu können.
Wikipedia ist keine Doktorarbeit und ein Penis tatsächliche keine Vagina. Aber:
Textpassagen und Screenshots aus der Wikipedia zur dort beschriebenen Situation geschlechtlicher Minderheiten in der NS-Zeit wurden auch auf Twitter vom Netzwerk der reinen Frauen bemüht, um die Nichtopferthese wissenschaftlich erscheinen zu lassen. Hätten wir das für diesen Artikel getan, wäre ein falsches Bild der Geschichte der medizinischen Entwicklung der Transition entstanden. Aus dieser selbst angegebenen Quelle ...
Foto: Screenshot www.freie-radios.net/56089
Das war einmal etwas ältere Musik als ihr sonst bei uns gewohnt seid, aber diese Musik hat einen Grund. Die Sängerin dieses Songs ist nämlich niemand anderes als Coccinelle, mit bürgerlichem Namen Jaqueline Charlotte Dufresnoy. Sie war eine der ersten offen lebenden trans* Frauen in Frankreich. Im Laufe ihres Lebens hat sie viele Errungenschaften für trans* Menschen erreicht, so war sie die Erste die in Frankreich eine Personenstandsänderung erhielt und dann heiratete, und zwar in der Kathedrale Notre Dame in Paris. Auch dass sie es schaffte 1961 ihre Personenstandsänderung durchzusetzen, war eine Sensation, in dieser Zeit war Crossdressing in Frankreich ein durchaus üblicher Grund für Verhaftungen. In diesem gesellschaftlichen Klima wurde sie dann auch bei ihrer ersten Scheidung gleich exkommuniziert. Bekannt wurde sie jedoch, neben ihren beeindruckenden Turmfrisuren, vor allem durch ihre Präsenz in den Zeitungen. Dass sie sich nackt fotografieren liess machte sie in konservativen Kreisen auch nicht beliebter. (Quelle)
...erstellten Wikipedianer*innen im Artikel über die heute zu ehrende frühe trans Pionierin Coccinelle sicherlich versehentlich diese erschreckend falsche Zusammenfasung.
Uodate 23. August 16:15 Uhr:
Wikipedia hat den Eintrag inzwischen umfassend korrigiert. Danke!
Dr. Georges Burou entwickelte für die operative Herstellung der Mann-zu-Frau-Vaginoplastik die Technik der „Penis-Inversion“. Diese ermöglicht es trans Frauen, sexuelle Erregung bis hin zum Orgasmus zu erleben. Seine Technik ist bis heute der nach Möglichkeit umzusetzende medizinische Standard. Ob diese schon von den Nazi-Ärzten entwickelt wurde, wenn sie mit dem vermeintlich lebensrettenden Transvestitenschein lockten?
Das vom jüdischen Pionier Magnus Hirschfeld und seinen Ärzten gesammelte Berliner Wissen über die Variationen der Geschlechter und deren Behandlungserfahrungen in den 1920er und 1930er Jahren wurde im Zuge der Bücherverbrennung vernichtet. Dr. George Burou musste wohl größtenteils von Vorne angefangen haben. Als hätte es Lili Elbe, Magnus Hirschfeld, das Institut für Sexualwissenschaften nie gegeben. Und er musste die Forschung und die Weitergabe seiner Erkenntnisse geheim halten. Erst in den 1970er-Jahren traut er sich im Rahmen einer Gynäkologenkonferenz laut Times zu sagen:
„Ich verwandle keine Männer in Frauen. Ich transformiere männliche Genitale in Genitale, die einen weiblichen Aspekt haben. Der ganze Rest ist im Kopf des Patienten."
Hartnäckig haben sich die ideologischen Dogmen eines schwarz-weißen Genderspektrums auch im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft eingenistet. Dass sie nun dort ausgerechnet aus der wíssenschaftlichen Disziplin heraus zwangsfixiert werden, die schon kolonialem Rassismus und Endlösung den nötigen wissenschaftlichen Erkenntnisanschein zurechtforschte, ist nicht nachvollziehbar.