Heute, am 1. Juli 1968, vor genau 50 Jahren, starb der Jurist Fritz Bauer. Den meisten Deutschen ist er als Nazi-Jäger bekannt, für die Homosexuellenbewegung bleibt er als Vorkämpfer der Abschaffung des Paragrafen 175 in Erinnerung.
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„Der Staat hat […] keinen Anspruch auf eine Regelung der Intimsphäre; es ist nicht seine Sache, den Inhalt von Eros und Sexus der einzelnen zu bestimmen." Fritz Bauer, 1967 Foto: Fritz Bauer Büste in Malmö, Sven Rosborn - Own work, CC BY-SA 3.0, Link
Artikel 3 Grundgesetz
Wie kann es sein, dass männliche Sexualität unter Strafe steht, weibliche aber nicht? Das fragte Fritz Bauer bereits in den 1950er-Jahren unter Berufung auf Artikel 3 des Grundgesetzes, nach dem alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und Männer und Frauen gleichberechtigt.
Bauer erlangte mit seinem Versuch, 1952 das Bundesverfassungsgericht in dieser Frage anzurufen, einige Aufmerksamkeit. Angenommen wurde die Klage gegen den Paragrafen 175 damals noch nicht, schlimmer noch: 1957 zementierte das Bundesverfassungsgericht die Strafbarkeit in einem von Bauer scharf kritisierten Urteil.
In der kommenden Woche wird der Bundesrat darüber entscheiden, ob der Artikel 3 des Grundgesetzes um die Merkmale geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung erweitert werden soll. Die Geschichte des Kampfes Fritz Bauers gegen den Paragrafen 175 zeigt, warum das nicht nur eine Petitesse bewegter Queers ist, sondern in Zeiten einer so genannten konservativen Revolution geradezu Pflicht. Sollten im Bundesverfassungsgericht konservative Richter die Meinungsmehrheit gewinnen, könnte es ohne klaren Schutz im Grundgesetz mit den Errungenschaften für LGBTIQ* schnell wieder vorbei sein.
Homosexualität kein Thema
Fritz Bauer, der selber als Mensch jüdischer Abstammung von den Nationalsozialisten verfolgt wurde und nach Dänemark floh, dort wegen seiner Homosexualität drangsaliert wurde, musste als Generalstaatsanwalt zeitlebens das Recht durchsetzen. Dennoch nutzte er die ihm zur Verfügung stehenden Freiräume und ließ Verstöße gegen die Sittengesetze in Frankfurt nicht mehr verfolgen. Bis heute ist sein Kampf für die Abschaffung des Paragrafen 175 und seine eigene Homosexualität fast vollkommen aus der Geschichtsschreibung getilgt. Der Wikipedia-Eintrag enthält dazu einen Satz, der sich auf fragliche Quellen stützt und die Homosexualität Bauers in Frage stellt. Die Reform des Paragrafen 175 im Jahr 1969 erlebte Fritz Bauer nicht mehr. Er starb am 1. Juli 1968 unter nicht vollständig geklärten Umständen in seinem Haus in Frankfurt.
Foto: Queer Nations / Wallstein Verlag
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Anlässlich des 50. Todestag von Fritz Bauer veröffentlicht die Initiative Queer Nations den Aufsatz „Wider die Sittenwächter: Fritz Bauers Kritik am überkommenen Sexualstrafrecht der 1950er und 1960er Jahre" von Werner Renz als kostenlosen Download.
Eine würdevolle Aufarbeitung der totgeschwiegenen Seite des Nazi-Jägers Fritz Bauer und ein Lehrstück in Sachen bundesdeutscher Umgang mit Homosexualität. Lesenswert!