Viele Jahre haben Betroffene und ihre Unterstützer dafür gekämpft: Am Freitag tritt das neue Selbstbestimmungsgesetz endlich in Kraft. Es sieht vor, dass eine einfache Erklärung beim Standesamt ausreicht, um den Geschlechtseintrag und den Vornamen zu ändern. Das Interesse ist riesig: Bis Ende August hatten laut „Spiegel“-Informationen bereits 15.000 Menschen derartige Änderungen bei den Standesämtern angemeldet. Ein Überblick:
An wen richtet sich das Gesetz?
Grafik: Gemeni Advanced
Die Neuregelung richtet sich an transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen. Transgeschlechtliche Menschen sind Personen, die sich nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Intergeschlechtlich bezeichnet Menschen mit körperlichen Geschlechtsmerkmalen, die nicht eindeutig männlich oder weiblich sind. Nichtbinäre Menschen sind solche, die sich nicht in die gängige Geschlechtseinteilung von Mann und Frau einordnen.
Welche Regelung galt bisher für diese Menschen?
as Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980 sah vor, dass Betroffene zur Änderung ihres Geschlechts- oder Vornamenseintrags zwei psychologische Gutachten einreichen mussten. Die Entscheidung lag letztlich beim zuständigen Amtsgericht. Betroffene kritisierten das Verfahren als langwierig, teuer und entwürdigend und sprachen von einer „psychiatrischen Zwangsbegutachtung“. Das Bundesverfassungsgericht erklärte mehrfach Teile des Gesetzes für verfassungswidrig. Intergeschlechtliche Menschen litten lange unter menschenrechtswidrigen Zwangsoperationen nach der Geburt. Für nichtbinäre Menschen wurde erst 2018 nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2017 die „Dritte Option“ eingeführt, festgeschrieben im Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben (BGBl. I Seite 2635) – eine lückenhafte Regelung mit Hürden, die nun abgeschafft werden soll.
Welche Regelungen gelten ab sofort?
Volljährige können nun mit einer einfachen Erklärung beim Standesamt die gewünschten Änderungen vornehmen lassen, wodurch Dokumente wie der Reisepass entsprechend angepasst werden können. Die geforderte „Erklärung mit Eigenversicherung“ erfordert keine zusätzlichen Nachweise und ist unabhängig davon, ob sich die betroffene Person für geschlechtsangleichende medizinische Eingriffe entscheidet. Betroffene müssen lediglich versichern, dass die beantragte Änderung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht.
Was ist mit Menschen unter 18 Jahren?
Für Kinder unter 14 Jahren können die Eltern die erforderliche Erklärung beim Standesamt einreichen. Jugendliche ab 14 Jahren können dies selbst tun, jedoch nur mit Einverständnis der Eltern. Bei innerfamiliären Konflikten kann das Familiengericht entscheiden, wobei das Kindeswohl maßgeblich ist. Die Jugendlichen – oder bei unter 14-Jährigen die Eltern – müssen außerdem eine Erklärung abgeben, dass sie zuvor eine Beratung in Anspruch genommen haben. Diese Beratung kann durch einen Psychologen oder die Kinder- und Jugendhilfe erfolgen.
Wie oft kann der Geschlechtseintrag geändert werden?
Eine zahlenmäßige Begrenzung ist nicht vorgesehen, jedoch gibt es eine Sperrfrist von einem Jahr, sodass eine erneute Änderung erst danach möglich ist. „Dies dient dem Übereilungsschutz und soll die Ernsthaftigkeit des Änderungswunsches sicherstellen“, heißt es im Gesetz. Für das Inkrafttreten der Änderung des Geschlechtseintrags gilt eine Frist von drei Monaten. Betroffene konnten bereits ab dem 1. August einen entsprechenden Antrag beim Standesamt stellen; ab heute, dem 1. November 2024, kann die Änderung in Kraft treten.
Was steht noch in dem Gesetz?
Fotos: O. Andersen I J. Eiselke / AFP
AFD-Abgeordnete Beatrix Storch und Ex-Feministin Alice Schwarzer waren mit die lautesten Stimmen gegen das Gesetz. Inklusive menschenverachtender Hetze gegen trans Frauen
Es gibt nun ein „bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot“ – das bedeutet, dass es untersagt ist, gegen den Willen einer Person deren frühere Geschlechtszuordnung oder früheren Vornamen offenzulegen. Wer dies dennoch tut, muss mit einem Bußgeld rechnen. Ziel ist es, ein „Zwangs-Outing“ zu verhindern. Besonders transfeindliche Politikerinnen wie Beatrix von Storch von der AfD fielen in der Vergangenheit mit menschenverachtenden, abwertenden Tweets und Reden negativ auf, in denen sie trans Menschen absichtlich missgenderten. Dies dürfte in Zukunft teurer werden. Für Menschen, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, soll die Eintragung als „Elternteil“ in der Geburtsurkunde ihrer Kinder ermöglicht werden.
Welche Regelung war besonders umstritten?
Intensive Debatten gab es bezüglich des Hausrechts und des Zugangs zu geschützten Räumlichkeiten – also etwa Saunen, Umkleidekabinen, Frauenhäusern und anderen Schutzräumen, insbesondere für Frauen. Manche transfeindliche, sogenannte Frauenrechtlerinnen wie Alice Schwarzer äußerten Bedenken, solche Schutzorte generell auch für trans Personen öffnen zu müssen, blieben jedoch Beweise in Form valider Untersuchungen schuldig. Befürworter berichteten dagegen von Erfahrungen aus anderen Ländern mit ähnlichen Regelungen, in denen es zu keinen signifikanten Missbräuchen kam. Das Selbstbestimmungsgesetz lässt das private Hausrecht dennoch unberührt. Es gilt jedoch immer das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Diskriminierungen verhindern soll.
*ck/AFP/Peter Wütherich/pe