Es sind ungeheuerliche Vorwürfe, die nach dem Interview mit einem einschlägigen Boulevardblatt über den Mann im Raum stehen, der für den Vorsitz einer großen Volkspartei kandidieren und sich sogar als Kanzlerkandidat empfehlen will. Eine Spurensuche.
- War die Politikpause nur die Flucht eines Getriebenen vor der bitteren Wahrheit?
- Was wusste sein Arbeitgeber BR über das Privatleben des Friedrich M.?
- Wie reagieren politische Weggefährten auf die Enthüllungen?
Bereits 1997 ein im Rückblick unfassbares Geständnis
Fast ein Vierteljahrhundert schaffte es der ehemalige Shootingstar einer großen Volkspartei, die Öffentlichkeit durch ein geschicktes Schein-Coming-out zu seinem Privatleben über dessen eventuelle Abgründe im Unklaren zu lassen. Es war 1997, als Friedrich M. (Name von der Redaktion verfremdet) gegenüber der Presse scheinbar beiläufig erwähnte:
„Ich möchte mich verdammt nochmal bei niemandem in diesem Land entschuldigen müssen, dass ich seit 20 Jahren mit derselben Frau verheiratet bin und dies auch in den nächsten 20 Jahren zu bleiben gedenke.“
Ein ganz normaler rhetorischer Kniff Homophober, sich als Opfer einer übermächtigen Homosexuellen-Lobby zu gerieren. So dachten Beobachter damals. Und dieses – wie wir heute annehmen müssen – geschickt eingefädelte Framing wurde von M. dann auch stetig weiter genährt. Unter anderem 2001, als er den Regierenden und schwulen Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit mehrfach wegen dessen angeblich zu aggressiv zur Schau gestellten Homosexualität angriff. Im damaligen Interview mit der Zeitschrift BUNTE fiel auch erstmals der Zusammenhang, der uns erst heute – so gut funktionierte das System von Schweigen und Weglassungen des Friedrich M. – vollkommen Gewahr wird. Auf die Frage, ob es M. gut fände, dass die Bundeshauptstadt von einem Schwulen regiert wird antwortet dieser BUNTE:
„Solange er sich mir nicht nähert, ist mir das egal! ... Im Übrigen ist mir das Privatleben führender Leute in der Öffentlichkeit ... gleichgültig, ...“
Friedrich M., BUNTE, 6. Dezember 2001
Na? Klingelt es jetzt bei einigen Leser*innen? Macht sich ein ungutes mulmiges Gefühl breit? Gut so! Die Wahrheit über das abgründige mutmaßliche Geheimnis des Friedrich M. tut weh! Zu lange konnte er uns alle vermutlich an der Nase herumführen.
Bis heute öffentlich einsehbar: Details zur sexuellen Orientierung von Friedrich M. auf der Enthüllungsplattform Wikipedia!
Wie verbarg M. seine Absichten vor dem Arbeitgeber?
2009, als – so jedenfalls nicht bestätigte Gerüchte aus dem engsten Umfeld entfernt Vertrauter von M. – Veränderungen in seiner Partei ihm das weitere öffentliche Versteckspiel als liberalkonservativer Politiker unmöglich zu machen schienen, zog er sich ins Privatleben zurück und machte Karriere bei einem der mächtigsten Finanzunternehmen der Welt. Selbst die windigen Finanzhaie von BR (Name von der Redaktion verfremdet) witterten aber nicht, welch undurchsichtige Spiele M. nicht nur sein Privatleben betreffend, sondern sogar in der Finanzpolitik spielte:
Wollte er doch schon vor seinem Anheuern bei dem Unternehmen das deutsche Steuersystem so entschlacken, dass eine Steuererklärung auf nur einen Bierdeckel gepasst hätte. Mit verheerenden Folgen für BR:
Steuersparmodelle und -Schlupflöcher, Cum-Ex-Geschäfte, Offshore-Beteiligungen – all das wäre unmöglich gewesen mit dem Steuermodell des Friedrich M. – es hätte das sichere Ende des Deutschlandgeschäftes des in New York ansässigen Finanzgiganten bedeutet.
Hier zeigt sich die ganze manipulative Energie, die M. einsetzte, die nun aber abhanden gekommen scheint, denn er verlief sich und machte offenbar einen folgenschweren Fehler.
Geständnis eines Gescheiterten?
Seit heute morgen spricht ganz Deutschland über den wohlhabenden Privatier M.. Im Versuch, die gescheiterte politische Karriere im nahen Rentenalter zum neuen Lebensmittelpunkt zu machen, verhaspelte sich Friedrich M. schon 2018, als er sagte, die sexuelle Orientierung sei Privatsache.
Im aktuellen Talk mit einem einschlägig bekannten Boulevardmagazin, das erst in den vergangenen Wochen bewiesen hatte, dass es kein Herz für Kinder, bzw. für deren Rechte oder Wohl, sollten sie Opfer von Straftaten geworden sein, hat, dann der folgenschwere Dialog:
„Ich sage mal so, über die Frage der sexuellen Orientierung, das geht die Öffentlichkeit nichts an. Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft – an der Stelle ist für mich allerdings eine absolute Grenze erreicht – ist das kein Thema für die öffentliche Diskussion.“
männer* weigert sich, die sich daraus ergebenden furchtbaren Vermutungen als solche auszuformulieren. Zu grausam sind die Bilder und die Zusammenhänge die jedem aufmerksamen Beobachter ins Gehirn schießen. Aber wir deuten an! Denn auch wir fragen uns, was es mit seinem seltsam öffentlichen Umgang mit seiner sexuellen Orientierung auf sich hat. Seit fast 25 Jahren wissen wir bescheid, erst jetzt wird auch den letzten Zweiflern klar, dass es sich hier um das Geständnis eines wohl moralisch Gescheiterten handeln könnte. In letzter Konsequenz müssen wir uns trauen, die K-Frage zu stellen!
Parteifreund geht auf Abstand
Ähnlich undeutlich, aber gewohnt beschwichtigend und klug zurückhaltend äußert sich heute M.s Parteikollege, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Auf das Interview des Friedrich M. angesprochen sagte Spahn bedeutungsschwanger:
„Na ja, wenn die erste Assoziation bei Homosexualität Gesetzesfragen oder Pädophilie ist, dann müssen Sie eher Fragen an Friedrich Merz richten, würde ich sagen.“
Jens Spahn
Kein Ausweg für den notorischen Dampfplauderer M.
Diesmal hat er es zu weit getrieben. Sollte Friedrich M. es weiterhin ernst meinen mit der politischen Karriere in einer liberal-konservativen Partei, dann muss er jetzt die Flucht nach Vorne wagen. Entweder packt M. vollumfänglich über sein gar nicht so privates Sexualleben aus und lebt mit den Konsequenzen, oder er gibt zu, dass er einfach nur ein bedauernswert homophobes Männchen ist, das Zeit seines Lebens Angst davor hat, von warmen Brüdern angefasst zu werden und ihnen perfide unterstellt, sich Kindern unsittlich zu nähern.
Sie haben die Wahl, Herr M.!
Anmerkung des Autors: Diese Glosse enthält deutliche Spuren von Sarkasmus, Zynismus und spielt mit den gleichen homophoben Ressentiments, die Friedrich M. wiederholt bemüht hat. Muss man* nicht lustig finden! *Christian Knuth