Shen-Nung, der mythische Begründer der chinesischen Kräuterheilkunde, erwähnte die Heilkraft von Hanf bereits im Jahre 2737 v.Chr. Warum aber konnte sich Cannabis als Heilmittel offiziell erst in den letzten Jahren in der westlichen Welt durchsetzen? Wir sprechen mit Melanie Dolfen, Inhaberin der Bezirksapotheke Mitte, wo Hanf auf Rezept erhältlich ist.
Was genau ist Medizinalcannabis?
Unter medizinischem Cannabis oder Medizinalhanf versteht man den therapeutischen Einsatz der Hanfpflanze mit ihren cannabinoiden Wirkstoffen. Sie werden in Form von getrockneten Blüten, aber auch als Vollspektrum-Extrakte oder Monopräparate, die nur Dronabinol (THC) oder Cannabidiol (CBD) oder eine Kombi beider Cannabinoide enthalten, eingesetzt. Inzwischen gibt es ca. 40 verschiedene Sorten auf dem deutschen Markt.
Was ist der Unterschied zum „normalen“ Gras?
Eigentlich gibt es keinen. Der medizinische Hanf wird aber unter speziellen Bedingungen in hochmodernen und zertifizierten Gewächshäusern angebaut. Das Produkt wird ständig auf Zusammensetzung und Wirkstoffgehalt getestet. Es enthält keine Verunreinigungen durch die Umwelt und wird nicht verändert. Denn die wichtigste Voraussetzung für den Einsatz in einer medizinischen Therapie sind gleichbleibende Zusammensetzung und stabiler Wirkstoffgehalt.
Wie kommt der Preisunterschied zustande?
Der kontrollierte Anbau unterliegt strengen Sicherheitsauflagen. Das ist für den Hersteller eine große Herausforderung. Nicht viele Betriebe schaffen es, eine Erlaubnis für den Anbau zu erhalten. Außerdem sind die Ernten wie bei allen Pflanzen nicht garantiert. Jede Blüte muss im Moment noch importiert werden, da der Anbau nicht überall erlaubt ist. Das ist bei einem streng kontrollierten Naturprodukt mit großem Aufwand und hohen Kosten verbunden. Die Apotheke muss den Erhalt und die Abgabe der Blüten nach genauen Vorschriften dokumentieren. Dann muss die Ware aufwendig auf Identität ,geprüft und der Gehalt nachgewiesen werden. Zum Schluss wird dann noch für die Abgabe umgepackt. Dafür ist speziell geschultes Fachpersonal nötig. Und die Apotheke muss auf die Blüten natürlich auch wie auf jede andere Ware Steuern zahlen. Durch diese strengen Kontrollen vom Anbau bis zur Abgabe weiß der Patient immer sicher, was er einnimmt.
Beim Dealer auf der Straße weiß man dagegen nie genau, was man bekommt ... Hier gibt es keine Kontrollen, nur Profit. Die Blüten zu strecken oder verunreinigte Ware abzugeben, ist daher sogar eher der Regelfall.
Welche Krankheiten lassen sich damit behandeln?
Medizinalcannabis hat ein unglaublich breites Wirkungsspektrum. Leider fehlen durch das jahrzehntelange Verbot klinische Studien und Erfahrungsberichte, die normalerweise als Richtwerte für den Einsatz bei Patienten genutzt werden. Auch sind noch lange nicht alle Inhaltsstoffe der Pflanze erforscht. Man kann im Moment nur bei den bekannten Hauptwirkstoffen auf bestimmte Wirkungen schließen.
Die häufigsten Indikationen für Medizinal-Cannabis sind bisher chronische Schmerzen (chronische und neuropathische Erkrankungen), nicht aber akute Schmerzen. Des Weiteren Spastiken und Muskelkrämpfe, starke Übelkeit und Erbrechen (auch medikamentenbedingt), Appetitlosigkeit und Abmagerung (etwa in Folge von Chemotherapie) und Schlafstörungen. Dronabinol ist bekannt für seine appetitanregende Wirkung und gute Erfolge bei Gewichtserhalt und Gewichtszunahme.
Es sind viele weitere Indikationen denkbar, und einige werden sogar schon in Einzelfällen mit Medizinal-Cannabis behandelt. Wir stehen aber noch am Anfang.
Wie werden Cannabisblüten angewendet?
Die Blüten werden oral oder inhalativ über einen Verdampfer angewendet. Oral meist als Cannabis-Vollspektrum-Extrakt oder Monopräparat, wie etwa ölige Dronabinol-Lösungen, die patientenindividuell in der Apotheke hergestellt werden. Inhalativ werden die Blüten mit Hilfe von Vaporisatoren verdampft. Durch die Erhitzung bei etwa 200 Grad entsteht ein inhalierbares Aerosol der Inhaltsstoffe. Die Therapie wird bei geringster Dosierung begonnen, um unerwünschte Effekte oder Nebenwirkungen vorzubeugen. Jeder Patient reagiert unterschiedlich und muss zusammen mit seinem Arzt die richtige Dosis und Anwendungsform herausfinden. Abgestimmt auf den jeweiligen Patienten wird die Dosis dann sukzessive bis zu einer Verbesserung der Symptomatik oder der krankheitsbedingten Beschwerden erhöht.
Melanie Dolfen, Inhaberin der Bezirksapotheke Berlin-Mitte
BezirksApotheke Mitte
Rathausstraße 5
10178 Berlin