Die rhythmische Stimulierung von bestimmten Hirnregionen hat einen beruhigenden Effekt auf Körper und Geist. Wir fragen Dr. med. Luca Daniel Stein, warum wir das auch mit maßvollem Ausdauertraining erreichen können.
Warum kann man dank regelmäßigem Laufen nachts besser schlafen?
Untersuchungen haben gezeigt, dass regelmäßiger Ausdauersport zu einem geringeren Stresslevel führt. Dies ist auch messbar, etwa über das Stresshormon Cortisol. Es ist bei Daueranspannung erhöht und lässt sich durch regelmäßigen Ausdauersport senken. So kommt es oft nach ein paar Wochen regelmäßigen Laufens zu einer Verbesserung des Nachtschlafes. Wichtig ist jedoch, möglichst nicht in den letzten zwei Stunden vor dem Schlafengehen zu joggen, da dies kurzfristig zu einer erhöhten Ausschüttung von aktivierendem Adrenalin, Cortisol und anderen Hormonen führt. Diese Aktivierung fällt dann erst nach einigen wenigen Stunden wieder ab.
In der psychologischen Forschung wird noch ein anderer beruhigender Effekt, der auch beim Laufen auftreten kann, seit einigen Jahren diskutiert: Die gleichmäßige Taktung mit aufeinander folgenden Schritten - links, rechts, links, rechts - führt wahrscheinlich über die rhythmische Stimulierung von bestimmten Hirnregionen der beiden Hirnhälften zu einer Angst- und Anspannungslösung. Verfahren nach einem ähnlichen Prinzip werden seit Längerem bezüglich der Behandlung von Angst, Blockaden, Panikattacken und Traumata untersucht, wie etwa die regelmäßigen Augenpendelbewegungen.
Wie beeinflusst das Joggen unseren Geist? Man hört ständig von Endorphin, Serotonin und Dopamin …
Große Beobachtungsstudien und Metaanalysen lassen erkennen, dass Joggen einen antidepressiven Effekt hat. Was die genauen Mechanismen sind, ist allerdings meines Wissens nach bis heute nicht genau geklärt. Die Endorphine werden hier zwar oft genannt, aber es gibt wohl keine konkrete Untersuchung oder Messergebnisse dazu. In den letzten Jahren werden eher die Endocannabinoide als Kandidaten diskutiert. Die oben bereits erwähnte langfristige Absenkung des Stresshormons Cortisol könnte einen Beitrag leisten. Auch wird ein langfristiger Anstieg des Serotonins, was ebenfalls antidepressive Wirkung hat, bei regelmäßigem Joggen beschrieben. Das Level an Dopamin, bekannt als „Belohnungshormon“, wiederum steigt recht kurzfristig nach bereits zwanzig Minuten lockeren Laufens.
All diese verschiedenen Botenstoffe im Körper und Gehirn werden auch „Glückshormone“ genannt. Am wahrscheinlichsten ist ein komplexes Zusammenspiel der kurzfristigen und langfristigen Veränderungen der Level dieser verschiedener Botenstoffe und auch solcher Faktoren, wie der erwähnten rhythmischen Stimulation der Regionen der beiden Hirnhälften. Die links-rechts Taktung bewirkt „Glücksgefühle“. Die Stärke der Wirkung ist wohl durchaus mit einem mittelstarken antidepressiven Psychopharmakon zu vergleichen.
Brauche ich als Sportmuffel vor dem ersten Laufen einen ärztlichen Check-Up?
Ein junger sich gesund fühlender Mensch braucht keinen ärztlichen Check Up vor dem ersten Laufen. Laufen ist ein natürlicher Bewegungsablauf und somit kann jeder gesunde Mensch einfach loslaufen. Wichtig ist bei Untrainierten aber, dass sie langsam und mit kurzer Dauer beginnen und diese nach und nach steigern, um einer Überlastung von Muskeln, Sehnen, Bändern, Gelenkkapseln, Gelenken und auch dem Herzkreislaufsystem vorzubeugen.
Ab dem Alter von 35 Jahren sollte allerdings ein hausärztlicher Check Up durchgeführt werden. Dabei sollten Gelenkbeschwerden, wie Knie-, Hüft- und ,Fußgelenkbeschwerden sowie Lungen und Herzerkrankungen abgefragt werden. Ein Abhorchen der Lunge und des Herzens und die Messung des Blutdrucks gehören auch dazu. Ebenso der Ausschluss einer unerkannten Diabetes. Diese Untersuchung wird aber auch ohne Sport alle drei Jahre ab dem 35. Lebensjahr generell empfohlen.
Bestehende unspezifische Knieschmerzen sind ein sehr häufiges Phänomen bei Menschen zwischen 35 und 60 Jahren. Solange aber keine radiologisch nachweisbaren deutlichen Arthrose-Zeichen vorhanden sind, ist dies kein Hinderungsgrund für das Laufen – im Gegenteil. Aber auch hier gilt es, sehr langsam und vorsichtig zu starten.
Wer ambitionierter ist, kann auch eine umfangreichere Leistungsdiagnostik etwa mit einer spiro-ergometrischen Untersuchung, Laktatmessung u.ä. in einem sportmedizinischen Zentrum durchführen lassen. Dies ist jedoch eine Selbstzahler*innen- und keine Kassenleistung.
Wie hoch ist die Verletzungsgefahr beim Joggen?
Solange Jogger*innen entsprechende Schuhe tragen und die äußeren Bedingungen stimmen, ist die Verletzungsgefahr nicht bedeutend erhöht. Ein kurzes Warmmachen vor dem Start von wenigen Minuten und ein langsames Loslaufen für einige Minuten helfen die wenigen Gefahren weiter zu minimieren. Auch sollte, wenn abends oder bei Dunkelheit gejoggt wird, eher ein ebener Untergrund gesucht werden, um Stolpern und Vertreten zu verhindern. Ansonsten ist bei Tageslicht ein leicht federnder Waldboden oder eine Kunststoffbahn ideal, da hier die Stauchungsenergie auf die Gelenke vermindert wird. Hier hilft auch schon eine Gewichtsreduktion. Wie immer gilt für Anfänger*innen, möglichst behutsam und langsam zu starten und zu steigern.
Wie dehne ich mich nach jedem Lauf richtig?
Hierzu gibt es in der wissenschaftlichen Literatur keine mir bekannten konkreten Untersuchungen. Trotzdem wird es eigentlich fast immer empfohlen. Allgemein bekannt ist, dass Menschen, die sich regelmäßig – aber bitte auch vorsichtig dehnen, etwas beweglicher sind als jene, die das nicht tun. Vor allem beschreiben Menschen, die es regelmäßig tun, dass es angenehm, entspannend und wohltuend sei. Es hat wohl hauptsächlich subjektive Effekte. Ob es wirklich Zerrungen, Muskelkater, Muskelkrämpfe und andere Beschwerden zu vermindern mag, ist nicht gut untersucht. Aber, wenn man es nicht übertreibt, schadet es definitiv nicht. Also los!
Bist du bereits ein Jogger oder willst vielleicht einer werden? Dann schau dir unsere Tipps zu Joggen im Winter an.