Misstrauen, Beleidigungen, absurde Liebesbeweise: Viele Pärchen kennen diese Probleme. Doch was steckt dahinter, wenn eine einst schöne Beziehung plötzlich zum Kriegsschauplatz wird? Life-Coach Sven Rebel kennst du aus dem TV-Format „Ganz schön Berlin“. Mit uns spricht er über Entrapment, Verlangen nach Kontrolle und warum Selbstachtung gerade in der Partnerschaft so wichtig ist.
Generell muss man im Alltag immer dafür sorgen, dass man in der besten Verfassung ist, ein/e gute/r Partner*in zu sein. Körperlich und geistig.
Hallo Sven, du arbeitest oft mit Paaren. Wie entstehen deiner Erfahrung nach Probleme in der Beziehung?
Das ist natürlich individuell immer sehr unterschiedlich. Aber ganz viele Probleme sind darin begründet, dass einer oder beide Partner*innen ihre Selbstachtung verloren haben. Oder diese unter Umständen nie wirklich besaßen. Selbstachtung ist das Maß, nach dem wir uns selbst respektieren.
Wenn uns die Selbstachtung fehlt, können wir nicht mehr konkret und bewusst handeln.
Es geht da um sehr viele Dinge: Würde, Selbstvertrauen und auch das Vertrauen in unsere Fähigkeiten, also wie kompetent wir in bestimmten Situationen handeln. Wenn uns die Selbstachtung fehlt, können wir nicht mehr konkret und bewusst handeln. Daraus entstehen dann problematische Situationen.
Wie äußern sich diese Probleme konkret in einer Partnerschaft?
Oftmals ist es so, dass eine Partei Druck auf die andere ausübt. Die andere Partei lässt es zu, obwohl sie – meist oder häufig - weiß, dass es nicht in Ordnung ist. Und das liegt daran, dass die „unterdrückte“ Partei eine zu geringe Selbstachtung hat.
Viele Menschen versuchen, über ihre/n Partner*in die eigenen inneren Probleme zu lösen: durch Erniedrigung, durch Druck machen oder Angst einflössen. Hinter allem steht letztlich immer das Verlangen nach Kontrolle. Wenn ich Kontrolle über einen Menschen habe, fühle ich mich besser. Es ist eine Form von Selbsterhöhung.
Man glaubt, dass, wenn man dies und jenes noch tut, wenn man sich kleiner macht und auf ganz viele Bedingungen und Forderungen eingeht, dann alles gut wird.
Es ist nicht unbedingt so, dass die/der Partner*in eine fehlende Selbstachtung auslöst. Das Problem war meist schon zuvor da. Doch wenn eine Situation an diesen fehlenden Selbstwert andockt, vergrößert sich die Sache.
Man beginnt, die Selbstachtung immer weiter zurückzuschrauben. Weil man glaubt, dass, wenn man dies und jenes noch tut, wenn man sich kleiner macht und auf ganz viele Bedingungen und Forderungen eingeht, dann alles gut wird. Aber dieses Verhalten macht die Beziehung und einen selbst nur schwächer.
Das klingt sehr nach „Gut gegen Böse“. Aber so einfach ist es meistens ja nicht…
Genau! Es ist nicht unbedingt so, dass jemand, der seine/n Partner*in nicht gut behandelt, das mit böser Absicht tut, sondern weil er für sich etwas Gutes gefunden hat. Er oder sie hat das eigene Leben verbessert und nun passt die/der Partner*in nicht mehr in das alte Leben. Das ist natürlich für die Zurückgebliebenen ganz schlimm und furchtbar. Die oder der vermeintlich „Böse“ hat aber Erfüllung und Zufriedenheit gefunden.
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Wo setzt du als Coach an, wenn so etwas vorkommt?
Zunächst schaue ich mir die individuelle Situation der Menschen ganz genau an. Dann spreche ich meistens mit den Partner*innen getrennt, um bestimmte eingefahrene Routinen und Muster erst einmal zu negieren. Ich versuche, den Menschen mit seiner individuellen Geschichte, seinem Thema und seinen Gefühlen zu verstehen.
Dann arbeiten wir gemeinsam daran, herauszufinden, wieviel die Beziehung eigentlich wert ist, wieviel man sich gegenseitig wert ist. Die Partner*innen äußern dann ihre Wünsche und Bedürfnisse. Dann kann jeder entscheiden, wieviel sie oder er bereit ist, für die andere Partei zu tun.
Ich muss erst einmal wissen, was ich eigentlich möchte. Was bin ich bereit zu geben? Was bin ich bereit aufzugeben?
Jede Beziehung bedeutet Arbeit, es gibt keine hundertprozentige individuelle Verwirklichung. Es wird immer Bereiche geben, in denen wir Rücksicht nehmen müssen. Speziell in der Partnerschaft liegt der Lösungsweg darin, dass man sich mit sich selbst beschäftigen muss. Ich muss erst einmal wissen, was ich eigentlich möchte. Was bin ich bereit zu geben? Was bin ich bereit aufzugeben? Was ist mir wichtig im Leben?
Man beginnt, indem man nicht darüber nachdenkt, was der andere falsch macht, sondern was einem gut tut. Das ist der eigentlich schmerzhafte Prozess, weil man sich eventuell eingestehen muss, dass man Bedürfnisse und Wünsche hat, die die/der Partner*in nicht erfüllen kann.
Generell ist es keine gute Idee, sich etwas vorzumachen, um eine Beziehung am Leben zu halten.
Wenn man ausgesprochen hat, was man sich eigentlich wünscht, ist es sehr viel leichter, auf dieses Ziel zuzugehen und einen gemeinsamen Weg zu finden. Man darf die eigene Verantwortung aber nicht abgeben. Da ist Selbstachtung der Dreh- und Angelpunkt. Alles andere ist eine Maskerade und eine Lüge, mit der man natürlich leben kann. Aber generell ist es keine gute Idee, sich etwas vorzumachen, um eine Beziehung am Leben zu halten.
Es gibt einen schönen Spruch: Alle sieben Jahre braucht der Mensch einen neuen Partner. Das heißt aber nicht, dass der Partner ein neuer Mensch sein muss. Wir Menschen verändern uns und entsprechend muss die Beziehung angeglichen werden. Und das ist viel Arbeit.
Warum ist es so schwer, sich aus einer nicht funktionierenden Beziehung oder Situation zu lösen?
Das Phänomen gibt es in ganz vielen Bereichen, nicht nur in der Partnerschaft, auch in der Wirtschaft oder der Politik. Man nennt es „Entrapment“ (Gefangensein) und es meint, dass man bereits zu viel investiert hat, um jetzt aufzugeben.
Schauen wir uns die Corona-Politik in Deutschland an. Es wirkt fast so, als sagen die sich: Wir haben jetzt bereits ein Jahr lang die Wirtschaft ruiniert, wir können nun nicht den Kurs ändern. Auch wenn uns Experten oder andere Länder zeigen, dass es Alternativen gibt. Die sind nicht unbedingt besser, aber es sind zumindest Alternativen.
Man verstrickt sich immer weiter und die Investition wird immer größer: emotional, finanziell, zeitlich. Meinen Klient*innen rate ich dann, den Verlust abzuschreiben.
Man muss nicht in einer Situation feststecken, trotzdem verlässt man die Situation nicht, weil man denkt, man würde zu viel verlieren. Das ist die schlimmste Situation, in die man kommen kann. Man verstrickt sich immer weiter und die Investition wird immer größer: emotional, finanziell, zeitlich.
Meinen Klient*innen rate ich dann, den Verlust abzuschreiben. Denn wenn man genau hinschaut, ist es kein Verlust. Man hat viel gelernt, über sich selbst und über das Leben. Man hat neue Informationen an der Hand für die Zukunft. Auch für eine bessere Zukunft.
Wir denken oft, dass die Liebe alle Hürden überwinden kann. Das ist leider nicht so.
Oft möchte man sich aber einfach nicht eingestehen, dass man es nicht geschafft hat. Wir denken oft, dass die Liebe alle Hürden überwinden kann. Das ist leider nicht so. Es gibt Situationen, in denen Liebe nicht ausreicht. Sie ist so intensiv, das alles bestimmende Gefühl, was durch jede Ader dringt, was die Seele zum beben bringt, das einen innerlich zerreißt, und man nicht mehr klar denken kann.
Ein Gefühl, das so groß ist, dass wir es nicht beschreiben können, reicht nicht aus, um jedes Problem zu überwinden. Das ist eine Einsicht, die fast genauso schmerzhaft ist, wie das Gefühl der Liebe selbst positiv ist. Deswegen vermeiden viele Menschen den Weg der Trennung.
Möchtest du mehr über Sven Rebel und seine Arbeit erfahren? Dann lies doch mal unser Interview über Glück und Zufriedenheit.
Wann ist Arbeit an der Beziehung nicht mehr konstruktiv?
Streits und Auseinandersetzungen sind gut, solange man produktiv bleibt. Man muss gemeinsam ergebnisorientiert an einem Ziel arbeiten. Wenn der Streit persönlich wird, ist die Grenze bereits überschritten. Und es ist dann ganz schwierig, einen Weg zurückzufinden. Etwa wenn die/der Partner*in versucht, über Beleidigungen und Entwürdigungen Druck und Kontrolle auszuüben.
Wenn du mir dein Handy gibst, damit ich alle deine Nachrichten sehen kann, weiß ich, dass du mich liebst. Das ist der falsche Weg.
Oder mit schwierigen Forderungen: Beweise mir deine Liebe, indem du etwas Bestimmtes machst oder nicht mehr machst. Wenn du das änderst, dann weiß ich, dass du mich liebst. Wenn du mir dein Handy gibst, damit ich alle deine Nachrichten sehen kann, weiß ich, dass du mich liebst. Das ist der falsche Weg.
Wenn ein Mensch das Gefühl hat, er müsse eine Bedingung an einen anderen stellen, die dessen Intimsphäre, sein Inneres und seine Würde verletzen, geht es ab dem Moment nicht mehr um die Beziehung. Es geht dann darum, Kontrolle auszuüben. Sobald eine solche Entwürdigung in einer Beziehung passiert, lohnt auch kein Streit mehr.
Entwürdigung wird allerdings sehr individuell empfunden. Was ist dein Rat, wenn man sich nicht sicher ist, ob die/der Partner*in zu weit gegangen ist?
Sich selbst zu kennen, ist das Wichtigste. Und die Bereitschaft, sich die Dinge bewusst zu machen, die einem wichtig sind. Dann ist es auch sehr viel einfacher, die Erwartungen an die/den Partner*in zu formulieren. Je besser ich mich kenne und je mehr ich mit mir im Reinen bin, umso leichter ist eine Beziehung zu einem anderen Menschen.
Je besser ich mich kenne und je mehr ich mit mir im Reinen bin, umso leichter ist eine Beziehung zu einem anderen Menschen.
Man kann einen Streit auch als Anlass nehmen, an sich zu arbeiten und herauszufinden, was diese Problematik in der Beziehung in mir ausgelöst hat. Was ist mein Anteil daran, dass es so weit gekommen ist? Der Anteil kann allerdings auch sein, dass man nicht schon vor einem Jahr „Stop“ gesagt hat.
Was, wenn man nun erkennt, dass man es schon zu weit mit sich hat treiben lassen? Hilft da noch eine Paarberatung?
Eine Paarberatung, in welcher Form auch immer, kann eigentlich immer helfen. Und sei es auch nur, damit die Trennung sauberer geschieht. Zu meinen Klient*innen sage ich zuerst immer, dass ich garantieren kann, dass beide hier zufriedener rausgehen. Aber ich kann nicht versprechen, dass sie als Paar hinausgehen.
Wenn man zu einer Paarberatung geht, sollte das Ziel sein, dass man zusammenbleibt. Man sollte jedoch offen dafür sein, dass es vielleicht gesünder für beide ist, wenn man nicht zusammenbleibt oder eine Pause einlegt. Aber eine professionelle Beratung hilft, sehr viel zu klären. Eigentlich immer.
Hast du noch ein paar Tipps, um es vielleicht gar nicht erst so weit kommen zu lassen?
Man sollte nie aufhören, an sich zu arbeiten. Aber es reicht nicht, nur die eigenen Fehler zu beseitigen. Man kann versuchen, sich selbst zu optimieren und die eigenen Stärken stärker zu machen. Also immer aus einer positiven Motivation heraus an sich und an der Beziehung arbeiten.
In einer Partnerschaft muss man sich selbst in den Vordergrund stellen. Es gibt Situationen, da nimmt man sich zurück, um der/dem Partner*in zu helfen. Aber generell muss man im Alltag immer dafür sorgen, dass man in der besten Verfassung ist, ein/e gute/r Partner*in zu sein. Körperlich und geistig.
Wenn du an einer Paar- oder sonstigen Beratung mit Sven Rebel interessiert bist, kannst du ihn über seine Website erreichen.
HINWEIS: Häusliche Gewalt
Von häuslicher Gewalt spricht man dann, wenn Personen innerhalb einer bestehenden oder aufgelösten familiären, ehelichen oder eheähnlichen Beziehung physische, psychische oder sexuelle Gewalt ausüben oder androhen. Bei akuter Bedrohung ruft bitte direkt die Polizei unter der Nummer 110.
Unter der kostenfreien Rufnummer (0800) 1239900 können sich Männer melden, die beispielsweise von häuslicher und sexualisierter Gewalt betroffen sind.