Wenn dieser Beitrag erscheint, sind wir bereits im dritten Jahr einer globalen Pandemie, von der auch Experten nicht wissen, wann sie jemals aufhören wird. In Deutschland ist zudem Winter, was Anlass genug zum Selbstmitleid bietet.
Foto: Depositphotos
Bildquelle: Depositphotos
Kombiniert man diese Faktoren mit zusätzlichen Belastungen wie etwa Verlust des Arbeitsplatzes, Trennung vom Partner*in oder sogar Tod einer geliebten Person, darf man sich nichts vormachen: Es ist schlimm und du darfst auch mal die Fassung verlieren.
Ein Nervenzusammenbruch ist eine psychische Ausnahmesituation
Wenn die sozialen Gegebenheiten dann zu längeren Phasen von Einsamkeit führen, brechen viele Menschen ganz allein für sich auch mal zusammen. Und wer es schon einmal erlebt hat, der weiß: Ein Nervenzusammenbruch, auch akute Belastungsreaktion (ABR) genannt, ist für die Betroffenen eine psychische Ausnahmesituation.
Das könnte dich auch interessieren: Die Auslöser einer Panikattacke und was man dagegen tun kann
Darüber reden fällt schwer. Nach dem Zusammenbruch muss man die Persönlichkeit erst wieder aufbauen. Zu dem Zeitpunkt, an dem man überhaupt wieder reden kann, ist das Schlimmste vorbei und man kann sich eventuell gar nicht mehr erklären, wie diese innere Implosion überhaupt geschehen konnte. Die Dynamik zu verstehen, ist jedoch wichtig, denn die Auseinandersetzung mit derart zerstörenden Momenten kann langfristige psychische Schäden abwenden.
Die akute Belastungsreaktion (ABR) ist eine psychische Reaktion auf außergewöhnliche Belastungsereignisse. In der WHO-Erkrankungsklassifikation gemäß ICD-10 wird ABR zwar kodiert, jedoch als normale Reaktion eingestuft. Die Reaktion dauert Stunden bis Tage, in seltenen Fällen Wochen.
Kurz davor durchzudrehen
Foto: Ryan Snaadt / Unsplash
Foto: Photo by Ryan Snaadt on Unsplash
Einem Nervenzusammenbruch geht eine mögliche traumatisierende Situation voraus. ABR können getriggert und somit von äußeren Einflüssen begünstig werden. Für dich bedeutet das, es liegt nicht unbedingt an dir, wenn du die Nerven verlierst. Und das Gute daran: Wenn das Problem außen liegt, lässt es sich auch erstmal von außen beheben, etwa mit Hilfe von Freunden, Familienmitgliedern und in schwereren Fällen auch Fachpersonen in Krankenhäusern. Die meisten Krankenhäuser haben ausgebildetes Personal, das dir weiterhelfen kann, wenn du nicht mehr weiterweißt.
In der Akutphase treten starke emotionale Schwankungen auf, die für außenstehende Personen nur schwer nachvollziehbar sind. Daher ist es wichtig, sich weiter mitzuteilen. Es ist immer leichter für Außenstehende, auf Worte zu reagieren. Schließe andere nicht aus, sondern teile mit, wie du dich fühlst. So hilfst du dir auch selbst zu mehr Klarheit.
ACHTUNG: Wenn sich der Zustand nach 48 Stunden nicht deutlich verbessert, sprechen Mediziner*innen von einer akuten posttraumatischen Belastungsstörung. Diese sollte weiterhin behandelt werden, sodass sie nicht in eine langfristige posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, übergeht.
Akutphase: Das sind die Symptome
- Veränderungen in der Wahrnehmung (Depersonalisation)
- Körperliche Symptome wie starkes Zittern, Atembeschwerden, Weinkrämpfe, Kloß im Hals, Herzrasen, Schweißausbrüche, Übelkeit, Schwindelgefühle, Druck im Kopf
- Nervosität, innere Unruhe und Hyperaktivität
- Sprachlosigkeit: Es fällt schwer, das auslösende Ereignis in Worte zu fassen.
- Gefühl der Hilflosigkeit
- Verwirrtheit: Die Gedanken drehen sich im Kreis und lediglich um das auslösende Ereignis.
- Schreckhaftigkeit und erhöhte Reizbarkeit
- Gefühlsschwankungen (Affektstörung): Gefühle wie Wut, Trauer, Aggressionen, Angst können sich schnell abwechseln. Auch unangemessenes Lachen kann eine typische Schockreaktion sein.
- Gedächtnislücken: Als Bewältigungsstrategie verschließt sich der Geist vor der Erinnerung an das auslösende traumatische Ereignis.
ACHTUNG: Personen, die eine ABR erleiden, ziehen sich häufig aus dem sozialen Umfeld zurück.
Verarbeitungsphase
Nach der akuten Phase tritt die Verarbeitungsphase mit unterschiedlichen Symptomen ein. Ein Wiedererleben der Ereignisse hilft dabei, diese zu verarbeiten, ohne dabei den akuten Schmerz nochmals erleben zu müssen. Es kann zu Albträumen oder Flashbacks kommen. Die Beschwerden nehmen in dieser Phase normalerweise ab und verschwinden schließlich ganz. Viel Ruhe, etwas guter Schlaf und Gespräche mit einer Vertrauensperson bringen wieder Licht ins Dunkel.
Mögliche Auslöser für einen Nervenzusammenbruch:
- Unfälle
- Berufliche Dauerüberlastung
- Stressige Lebensphasen
- Körperverletzung
- Sexuelle Gewalt
- Konflikte/Gewalt in der Partnerschaft
- Tod einer nahestehenden Person
- Opfer von Kriminalität
- Naturkatastrophen
- Terroranschläge
- Krieg
- Langanhaltende Existenzprobleme
Was tun bei ABR?
Wende dich an eine Vertrauensperson und erkläre ihr deinen Zustand. Mit großer Wahrscheinlich gibt es draußen einen Menschen, der damit umgehen kann und dir kurzfristig durch die Reaktion hilft. In schweren Fällen gibt es Anlaufstellen, in denen geschulte Fachkräfte wissen, was zu tun ist.
Zur Stabilisierung, wenn die Symptome bereits etwas abklingen, können ganz einfache Tätigkeiten helfen wie Lebensmittel einkaufen, etwas Gesundes kochen/essen, spazieren gehen, Atemübungen und einfach mal ausschlafen.