Einerseits ist es die eigene Ablehnung, aber auch die Ablehnung innerhalb der Community, die vielen zu schaffen macht.
Einige von euch kennen Sven Rebel aus der RBB-Mini-Serie Queer4You. Als integraler Life- und Business-Coach hilft er Menschen dabei, ihre eigene Zufriedenheit zu entdecken. Wie das genau geht und was er persönlich über Glück und die damit verbundenen Schwierigkeiten denkt, erzählt er uns hier.
Hallo Sven, warum ist Zufriedenheit überhaupt wichtig?
Wir alle Streben nach Glück, doch Glück ist vergänglich. Es bedeutet für jeden etwas anderes, meint aber generell einen Zustand der momentanen Ekstase. Zufriedenheit hingegen ist ein Zustand, der bleibt, den man halten kann. Zufrieden ist man nicht nur einen kurzen Moment lang und bedeutet das Fehlen von Negativem. Viele Menschen kommen zu mir und sagen: Ich will glücklich werden. Sie können aber oft nicht definieren, was das für sie heißt. Meist ist es an eine Idee gekoppelt, wie etwa mehr Geld zu haben. Aber frage ich dann gezielt nach, ob die Probleme gelöst wären, wenn die Person plötzlich mehr Geld hätte, kommt als Antwort meistens ein klares: Nein! Wenn man also bei Glück nachhakt, stellt es sich trotz der assoziierten Gedanken nicht wirklich ein. Bei Zufriedenheit kann es auch kleine Mängel im Leben geben, ohne dass man einen Leidensdruck spürt. Das sollte der Idealzustand sein, um mental gesund zu leben.
Ist das nicht eine Form von faulem Kompromiss?
Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich kann niemandem vorschreiben, was er oder sie für gut empfinden soll. Grundidee meines Coachings ist, dass jeder Mensch unbewusst bereits weiß, wie man zufrieden leben kann, aber keinen Zugriff auf diese Information hat. Ich versuche, Denkmuster aufzubrechen und Überzeugungen oder Ausrichtungen des Glaubens infrage zu stellen, um so einen Perspektivwechsel zu ermöglichen. Nur dann kann auch eine Veränderung entstehen. Man kennt das von Rauchern oder Diäten, wenn nichts wirklich funktioniert: Erst ab dem Moment, wo die Person selbst den Punkt zur Umkehr findet, tritt auch die gewünschte Besserung ein.
Wie kann man sich deine Art von Coaching vorstellen?
In der Regel führe ich Einzelcoachings durch, die unterscheiden sich aber massiv – sowohl von der Location als auch den Themen. Ich achte darauf, nur solche Aufträge anzunehmen, wo ich auch wirklich helfen kann. Manchmal spreche ich nur mit dem Klienten, manchmal setze ich kreative Tools wie Schreiben ein. Auch esoterische Tools kommen vor, wenn jemand einen spirituellen Hintergrund hat. Ich arbeite aber auch mit Firmen, wo Gespräche in kleinen Gruppen stattfinden, je nachdem, wo der Konflikt sitzt und die Lösung gefunden werden muss. Das Coaching richtet sich also immer nach dem Thema oder der jeweiligen Person.
Wir alle werden immer wieder aus unserer Zufriedenheit rausgerissen. Wichtig ist, dann nicht aufzugeben!
Machst du auch Paarberatungen?
Ich treffe sowohl homo- als auch heterosexuelle Paare, die sich an mich wenden. Da ist es jedoch nicht so, dass ich beide gleichzeitig coache, außer beim Erstgespräch. Danach arbeite ich mit den Partnern jeweils einzeln. Dabei sage ich aber beiden von Anfang an, dass ich zwar garantieren kann, dass sie nachher zufriedenere Menschen sind. Nicht aber, dass sie unbedingt noch eine Beziehung haben. Eine Partnerschaft, die beide unzufrieden macht, kann ich auch nicht retten.
Ist die eigene Zufriedenheit überhaupt trennbar von der des Umfelds, der Freundschaften oder Partnerschaften, die man hat?
Man kann sehr gut alleine zufrieden sein. Ob man nun „erleuchtet“ zufrieden ist, ist eine andere Frage. Das ist eine Phase, die man, so glaube ich, nie erreichen kann. Schauen wir in die Psychologie, sehen wir, dass wir bereits als ganz junge Menschen so vielen Ängsten ausgesetzt werden: Trigger werden gesetzt und Denkmuster anerzogen. Davon können wir uns nicht lösen. Wir können aber damit arbeiten. Wie ein Buddha komplett zufrieden auf dem Berg sitzen können ist vielleicht ein schönes Ziel, man sollte es auch anstreben, aber nicht aus den Augen lassen, das wir Menschen sind. Wir leben in einem bestimmten Umfeld, dass nicht perfekt ist. Man selbst ist nicht perfekt. Genau das sollte auch nicht der Anspruch sein.
Wir alle werden immer wieder aus unserer Zufriedenheit rausgerissen. Wichtig ist, dann nicht aufzugeben, sondern zu lernen damit umzugehen. Man muss Wege finden, um mit jeder Baustelle im Leben zurechtzukommen in Bezug auf sich selbst und auf die Anderen. Ich sage immer: „Bleib bei dir.“ Wir haben kein Recht, darüber zu urteilen, wie jemand anderes lebt. Du kannst dich aber von Situationen oder Menschen, die nicht zu dir passen, entfernen. Ich kann nur die Verantwortung für meine eigenen Entscheidungen übernehmen, nicht für die von anderen.
Gibt es Themen, die besonders bei Schwulen auftauchen?
Es gibt Sachen, die ich immer wieder höre, das bedeutet aber nicht, dass diese Probleme auch überall auftauchen. Einsamkeit und Ablehnung sind die Themen, mit denen viele meiner Klienten zu kämpfen haben. Eine ganz große Sache ist, keinen liebenden Partner finden zu können. Wenn man natürlich tiefer blickt, ist das niemals ein alleinstehendes Problem, eher ein Resultat aus vielen kleinen Schwierigkeiten, die sich darin manifestieren.
Oft finden wir in den Gesprächen raus, dass es die eigene Einstellung ist, die einem das Gefühl gibt, man würde nicht akzeptiert oder geliebt. Manchmal bekommt man es gar nicht mit, dass andere Menschen für einen da sein wollen und vielleicht auch an mehr als nur Freundschaft interessiert sind. Dahinter steckt oft das Problem, selbst nicht zu akzeptieren, dass man überhaupt geliebt werden kann. So entstehen natürlich Probleme in Beziehungen. Ich denke, viele haben es schon erlebt, dass ein Partner so viele Ängste oder Probleme mit sich selbst hatte, dass daran die Partnerschaft zerbrochen ist. Einerseits ist es also die eigene Ablehnung, aber auch die Ablehnung innerhalb der Community, die vielen zu schaffen macht.
Letztes Jahr haben wir die Mini-Serie „Queer4You“ für die ARD gedreht, wo ich als Teil eines schwulen Teams gezielt Personen in verschiedenen Lebensbereichen geholfen habe. Jetzt drehe ich „Ganz schön Berlin“ ein ähnliches Format, bei dem auch ein junger, schwuler Mann genau unter diesem Problem leidet. Egal wo er sich um Annäherung bemüht, er wird einfach in keiner Community innerhalb der schwulen Szene akzeptiert. Seien es die Bären, die Lederkerle oder die Partyleute, jede Community hat ihre ganz eigenen strikten Regeln, nach denen sie funktioniert. Und da wird auch nicht jeder reingelassen. Von der sogenannten „gelebten Toleranz“ erfährt dieser junge Mann gar nichts. Er hatte noch nie einen Freund und das liegt nicht daran, dass er unattraktiv ist. Viele schwule Männer leiden sehr unter dieser doppelten Ablehnung, von der Gesellschaft, aber auch der eigenen Community.
Man muss sich schon sehr verstellen, um akzeptiert zu werden.
Einerseits im Alltag und Job, um da einigermaßen angepasst zu bestehen und dann noch in den verschiedenen Nischen in der Szene, um Freunde zu finden. Jemand der anders ist, hat es da wirklich schwer. Eine Lösung dafür kann sein, die eigene Zufriedenheit voranzustellen. Ich selbst habe mich auch lange Jahre nirgendwo zugehörig gefühlt, passte in keine Schublade, galt grundsätzlich als hässlich und war todunglücklich. Bis heute fühle ich mich daher auch keiner schwulen Community zugehörig. Wenn du von allen abgelehnt wirst, kann das sehr zerstörerisch sein. Du kannst es aber umdrehen und als absolute Freiheit werten. Wenn du nirgends reinpasst, musst du dich auch nirgends anpassen. Du kannst selbst entscheiden, wer du bist. Und wenn du an den Punkt gelangst, kommen oft auch genau die Menschen in dein Leben, die zu dir passen. Und sie bleiben dann auch. Ablehnung birgt also auch die Chance für persönliche Entwicklung und Freiheit.
svenrebel.de | coach_svenrebel
„Ganz schön Berlin“ wird ab Weihnachten in der ARD-Mediathek zu sehen sein und im Januar auch ausgestrahlt. Mehr dazu findest du hier!