Eine zweijährige Evaluation zur Einführung der PrEP als Kassenleistung („EvE-PrEP") konnte im Dezember 2021 abgeschlossen werden. Die nun vorliegenden Ergebnisse sind ernüchternd. Zwar hat die Nutzung der PrEP in Deutschland zwischen Oktober 2017 und Juni 2020 deutlich zugenommen. Dennoch bestehen weiterhin große regionale Ungleichheiten, weil die PrEP noch lange nicht so leicht zugänglich ist, wie sie sein sollte.
Bis zu 93.000 Männer* nicht erreicht
Nach der Einführung der PrEP im September 2019 schätzte das RKI (Robert Koch Institut), dass es bis Ende Juni 2020 insgesamt 15.600 bis 21.600 PrEP-Nutzer in Deutschland geben werde. Dieser Wert entspricht nur 40 – 55 % der Männer mit PrEP-Nutzungsabsicht aus Erhebungen im Jahr 2017. Die tatsächliche PrEP-Nutzung bis Juni 2020 deutet zudem auf eine ungleiche regionale Verteilung dieses unbefriedigten Bedarfs hin. Die Zahl der Männer mit unbefriedigtem PrEP-Bedarf lag im Juni 2020 demnach zwischen 27.500 und 93.000. Woran liegt das?
Geburtsfehler „fachlich befähigter Arzt"
Schon bei der Einführung der PrEP als Kassenleistung zum 1. September 2019 wurde von Aktivist*innen und vielen Fachleuten kritisiert, dass es analog zur ländlichen Unterversorgung mit HIV-Schwerpunktpraxen zu wenige den Vorgaben der Verschreibungsrichtlinien entsprechende Behandler*innen geben würde.
Foto: WAT/ Michael Heinsen
Björn Beck, Vorstand Deutsche Aidshilfe
So sagte Björn Beck vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe (DAH) damals (wir berichteten): „Die Einführung der PrEP als Kassenleistung ist ein Meilenstein für die HIV-Prävention: Eine weitere Möglichkeit, sich vor HIV zu schützen, wird leichter zugänglich – unabhängig vom Geldbeutel. ...
... Jetzt geht es darum, dass auch alle von PrEP erfahren, die sie brauchen, und dass ausreichend geeignete Praxen zur Verfügung stehen.“
Die jetzt fertiggestellte Evaluation zeigt auf, dass dieses Ziel offensichtlich nicht erreicht werden konnte.
Nüchtern zusammengefasst:
Außerhalb der Ballungsräume ist der Anteil der Menschen mit ungedecktem PrEP-Bedarf hoch und korreliert mit der geringeren Dichte an Ärzten, die eine kassenpflichtige PrEP verschreiben können.
➡️ Was jetzt passieren muss:
Der Zugang zur PrEP in ländlichen Gebieten und kleinen bis mittelgroßen Städten muss in Zukunft verbessert werden. In den Großstädten, in denen die PrEP-Nutzung bereits relativ hoch ist, muss die Nachfrage nach PrEP bei Männern mit hohem sexuellem Risiko und ohne die Absicht, PrEP zu nutzen, gefördert werden, um die präventive Wirkung der PrEP zu maximieren. *oa/ck/ts
INFO
Foto: bemix studio / unsplash.com / CC0
Du willst die PrEP?
Menschen mit einem „substanziellem Risiko“, sich mit HIV zu infizieren, haben Anspruch auf die Verschreibung. Sexuell aktive schwule und bisexuelle Männer* gehören zu dieser Gruppe. Alle nötigen Beratungen und Untersuchungen werden von der Krankenkasse bezahlt.
Liste der Ärzte, die PrEP verschreiben dürfen
Wie in der Auswertung beschrieben, ist leider nicht jeder Hausarzt berechtigt, dir die PrEP zu verschreiben. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter e. V. (dagnä) führt eine regelmäßig aktualisierte Liste aller zugelassenen Ärzte.
➡️ HIER als PDF downloaden
Methoden zur Ermittlung der Werte
Rezeptdaten
Für den Zeitraum ab September 2019 sind in den Daten zu den antiretroviralen Arzneimitteln, die von den gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden, auch die Medikamente zur PrEP enthalten. Zur Ermittlung der Anzahl der in Deutschland wegen HIV behandelten Menschen wurden die antiretroviralen Verordnungsdaten von "Insight Health" (Ein Unternehmen, das Arzneimittelverordnungsdaten von Pharmaunternehmen bereitstellt) verwendet.
Bis Ende 2019 stieg die Zahl der Arzneimittelverordnungen, von denen angenommen wird, dass sie für die PrEP verwendet und von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, auf 10.176 Monatsdosen. Für die ersten beiden Quartale des Jahres 2020 wurde ein Durchschnitt von 10.788 Monatsverschreibungen berechnet.
Umfrage
Die Zahl der in Deutschland lebenden Befragten, die eine aktuelle PrEP-Nutzung angaben, betrug 452, was 2,1 % der Befragten entspricht, von denen 17 keine Angaben zu ihrem Wohnort machten. In den Runden 1 (Juli-September 2018), 2 (April/Mai 2019) und 3 (März-Mai 2020) der PrApp-Befragung nahmen insgesamt je 2118, 3071 und 964 PrEP-Nutzer teil, von denen 2252 und 790 in den Runden 2 und 3 Angaben zu ihrem Wohnort machten. In Runde 1 wurde diese Information nicht erhoben.
Datingangaben
Nach Angaben von PlanetRomeo gab es im Juni 2020 in Deutschland 643.000 aktive Nutzerprofile. Im Juni 2020 stellte PlanetRomeo Informationen über die geografische Verteilung von 15.633 Nutzerprofilen in Deutschland zur Verfügung, von denen 9207 die PrEP-Nutzung sowie 6426 die Kombination von PrEP und Kondomnutzung als ihre „Safer-Sex“-Präferenz angegeben hatten. Die regionale Verteilung könnte am besten durch die Verteilung des PlanetRomeo PrEP-Nutzerprofils wiedergegeben werden.
Quelle: RKI