
Foto: Richard Kranzin
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Richard Kranzin veröffentlichte unlängst sein Buch „INTERIOR“, in dem er Männer auf edlen Möbeln in schicken Settings inszeniert. Trotzdem wirken seine Bilder nicht gekünstelt, sondern intim, romantisch und auch etwas nostalgisch. Das mag auch daran liegen, dass der Berliner mit einer analogen Kamera arbeitet. Für uns hatte er etwas Zeit.
Was magst du an der analogen Fotografie? Die Unvorhersehbarkeit der analogen Fotografie sorgt bei mir jedes Mal für einen kleinen Nervenkitzel. Ob ein Bild wirklich gelungen ist, sehe ich erst nach der Entwicklung – ein Moment voller Spannung, den viele vielleicht noch von Einwegkameras kennen. Besonders schätze ich aber die Reduktion auf das Wesentliche. Habe ich im richtigen Moment ausgelöst? Ist das Motiv wirklich stimmig? Die analoge Fotografie fordert eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Bild. Statt Hunderter digitaler Varianten bleiben mir nur 36 Aufnahmen pro Film – jede einzelne zählt. Diese Einschränkung verändert den Blick, schärft das Gespür und macht eine Fotoauswahl für ein Buch natürlich um Weiten leichter. Und natürlich liebe ich den Look: Die natürliche Körnung, die Haptik und eine gewisse Zeitlosigkeit entsprechen genau meiner nostalgisch geprägten Bildsprache. Gerade bei Aktfotografie schafft das Analoge für mich den nötigen künstlerischen Rahmen – ruhig, ehrlich, unaufgeregt und voller Tiefe.
Und was ist dein Kritikpunkt an der digitalen Fotokunst? Pauschal möchte ich die digitale Fotografie keineswegs kritisieren – schließlich arbeite auch ich gelegentlich mit digitalen Kameras, vor allem für Internetveröffentlichungen oder Fashion-Shootings. Dennoch sehe ich gewisse Entwicklungen mit kritischem Blick, insbesondere wenn es um starke Bildbearbeitung geht. Mein fotografischer Ansatz basiert auf authentischen Darstellungen. Wenn Menschen mithilfe von Filtern oder künstlicher Intelligenz stark verändert oder gar komplett generiert werden, geht für mich das Wesen eines echten Porträts verloren. Ein Porträt bedeutet für mich, den Menschen in seiner Echtheit zu zeigen – nicht in einer künstlich optimierten Version. Deshalb achte ich schon bei der Auswahl des Models darauf, dass es zur Idee des Shootings passt. Wenn die Grundlage stimmig ist, braucht es im Nachhinein kein aufwendiges Bearbeiten oder „Zurechtbiegen“.
Wie muss #mensch sich ein Fotoshooting mit dir vorstellen?Im besten Fall beginnt alles mit einem Kaffee oder Tee und einem entspannten Gespräch. Ich möchte die Menschen gerne ein wenig kennenlernen, bevor wir mit dem Fotografieren beginnen. Genauso ist es mir wichtig, meine Ideen zu erklären und Beispiele meiner bisherigen Arbeiten zu zeigen. Gerade im Hinblick auf die Nacktheit hilft es sehr, Vertrauen aufzubauen – zum Beispiel, indem wir gemeinsam durch meine bisherigen Bücher blättern. So bekommen meine Models direkt ein Gefühl dafür, worum es geht. Auch das Shooting selbst verläuft in der Regel ganz ungezwungen. Ich lasse mich oft von der Stimmung und dem Moment leiten und gehe auf natürliche Bewegungen und Posen ein. Wenn ich ein Setting finde, das mir besonders gut gefällt, werde ich richtig aktiv und versuche, das Beste herauszuholen. Nicht selten liege ich dabei auf dem Boden oder verrenke mich komplett, um die ideale Perspektive zu finden. Körperlich ist es für mich oft anstrengender als für das Model, das meist ganz entspannt und natürlich posiert. Und wenn die Stimmung passt und der Funke überspringt, kommt es sogar vor, dass ich noch einen zweiten analogen Film einlege – einfach, weil alles so gut fließt. Zum Abschluss halten wir alles schriftlich fest: Eine Vereinbarung, die das Einverständnis zur Nutzung der Bilder dokumentiert, gehört selbstverständlich dazu. So sind alle Seiten auf der sicheren Seite.
Dein Buch „INTERIOR“ erscheint limitiert – warum? Für meine erste Veröffentlichung im Selbstverlag war es mir wichtig, mich ganz auf das Wesentliche zu konzentrieren – auf Qualität statt Quantität. Das Thema dieses Buches ist sehr persönlich, und auch die Models zeigen sich auf eine besonders intime Weise. Die entstandene Fotosammlung ist exklusiv und nur in diesem Buch unzensiert zugänglich. Mir ist es ein Anliegen, diese Aufnahmen nicht einfach der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sondern mit Menschen zu teilen, die ein echtes Interesse an künstlerischer Fotografie mitbringen und den gezeigten Bildern mit Achtsamkeit und Wertschätzung begegnen. In einer Zeit, in der Nacktheit allgegenwärtig und oft entpersonalisiert ist, möchte ich bewusst einen Kontrapunkt setzen – durch eine limitierte Verfügbarkeit und einen respektvollen Umgang mit dem gezeigten Inhalt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verantwortung gegenüber den Models, die ausdrücklich nicht möchten, dass ihre Bilder im Internet kursieren. Die Sorge vor ungewollter Verbreitung ist heute größer denn je. Deshalb habe ich die Entscheidung getroffen, die Auflage auf 350 gedruckte Exemplare zu begrenzen, um die Verbreitung gezielt einzuschränken und mehr Kontrolle über den Umgang mit den Bildern zu behalten. Natürlich spielte auch der finanzielle Rahmen eine Rolle. Eine größere Auflage in dieser hochwertigen Ausführung – mit Umschlag, Prägung und edlem Papier – wäre für mich allein nicht realisierbar gewesen. Dieses Buch ist kein Massenprodukt und stammt nicht aus einem On-Demand-Druck, sondern wurde mit viel Sorgfalt produziert, von Hand nummeriert, signiert und verpackt. Jedes Exemplar ist damit nicht nur ein persönliches Kunstobjekt, sondern auch ein kleines Sammlerstück.
*Interview: Michael Rädel
richardkranzin.com, richardkranzin.com/shop, www.instagram.com/richard_kranzin_photography
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